
Der Aufwand ist wirklich groß, aber groß ist auch der Lohn der Mühe: ein Ausflug von Bewohnerinnen und Bewohnern des Pflegeheims Haus am Sennfelder See gestaltete sich logistisch aufwendig, brachte aber Freude und Erfüllung. Sie fuhren nach Schweinfurt ins Museum Georg Schäfer zur Führung für Menschen mit und ohne Demenz.
Museumspädagogin Anne Heß führte die Gruppe zu ausgewählten Bildern des Hauses, eine Reise von Gemälde zu Gemälde. Pflegerin Anna-Lena Wagner mit ihren zwei Betreuungsassistentinnen Erika Koch und Andrea Gottwald hatten alle Hände voll zu tun, die Teilnehmenden zum Aufzug und auf ihrem Weg zu geleiten. Aber auch die Aufsichtsdamen des Hauses halfen gerne mit, Stühle und Requisiten zu tragen.
Außer Erklärungen gibt es noch greifbare Erlebnisse zu den Kunstwerken
Denn Heß erklärte nicht nur die Bilder, sondern bot zu jedem Gemälde auch noch greifbare Erlebnisse an: da gibt es beim Rosenbild auch Rosenduft zu schnuppern, da gibt es bei einem Gemälde, das Weidenbäume zeigt, auch das passende Körbchen, das durch die betagten Hände geht. Da sind Kinder gemalt – und wie schön sie gemalt sind –die sind gekleidet wie damals, als die Anwesenden selbst noch jung waren, die Schürzen für die Mädchen, die Lederhosen für die Buben. Da wachsen Erinnerungen. Denn die Kraft der Bilder an den Museumswänden spricht für sich, das kann eine Diashow nur bedingt vermitteln. Alleine dafür lohnt sich der aufwendige Weg ins Museum.
Zweimal sei der Hausmeister gefahren, um die Teilnehmenden vom Pflegeheim hierher zu transportieren, erzählt Wagner und nun geht es auf kleinen Schrittchen, damit die Balance nicht verloren geht, am Rollator oder im Rollstuhl durch das Museumsgebäude, das alleine für sich ja schon zum Staunen verführt.
Ein besonderes Bild, das es nicht mehr allzu lange im Georg-Schäfer-Museum zu sehen gibt, da es Teil der Sonderausstellung "Rendevouz der Bilder" ist, ist ein Gemälde aus dem Jahr 1796 von Angelika Kaufmann. Es hat über die Jahrhunderte seine ausdrucksstarke Frische nicht verloren. Darauf ist Jesus zu sehen, der mit erhobenem Zeigefinger mit der Samariterin spricht. "Nein, er schimpft nicht", kommentiert eine Dame aus der Runde.
Bei allen ist eine Aufmerksamkeit für die Situation wahrzunehmen, vom staunenden Blick bis hin zu den Kommentaren ist eine Teilnahme zu erkennen, die oft im Pflegealltag gar nicht mehr so stark zu Tage treten könne, so Wagner.
Viel Feinfühligkeit ist zu spüren
Die Demenzerkrankungen mit ihren unterschiedlichen Ursprüngen und Auswirkungen lassen neben der Vergesslichkeit oft noch erstaunlich viel Raum für die emotionalen Fähigkeiten, helfen diese doch dabei, einen veränderten Lebensalltag zu bestehen. Ein Lob also auf die Feinfühligkeit, die an diesem Nachmittag zu spüren ist, bei den liebevollen Betreuerinnen ebenso wie in den Wahrnehmungen der Seniorinnen und Senioren.
Eine Frau hat sich extra fein gemacht für diesen Ausflug. Sie liebt Bilder und sie zeigt sich sehr beeindruckt von dem großen Gemälde von Heinrich von Zügel, das die schwere Arbeit eines Ochsengespanns auf dem Feld zeigt. Der Nebel des frühen Tages ist ebenso prägnant wie die geduldige Kraft der Ochsenschädel, hier weist Heß auf die Farben hin, mit denen der Maler die Erdschollen darstellt und die nicht einfach nur braun sind. Erstaunlich, was sich da für Farbschattierungen entdecken lassen. Zur Stimmung trägt ganz außerordentlich auch das Musikstück von Mussorgski bei, das Heß abspielt und das ebenso die Arbeit der Tiere zum Inhalt hat. Die emotionalen Kanäle sind eben noch voll funktionsfähig auch im Alter.
So wird der Museumsausflug zu einem Erlebnis, das vielleicht nicht mehr im Gedächtnis bleibt, das aber die Intensität der Freude und des Staunens vergrößert, ein Schatz, der ganz konkret in der Gegenwart gefunden wird und das Leben bereichert.

Zum Abschluss versammelt sich die Gruppe noch im museumspädagogischen Raum, dort gibt es die Möglichkeit, mit Farben zu agieren, Tücher in die Hand zu nehmen. Für eigene malerische Versuche bleibt zu wenig Zeit.
Das Konzept des Kunsterlebens für Menschen mit Demenz gibt es noch nicht allzulange, aber seit kurzem spricht sich in den Pflegeeinrichtungen herum, dass dieses besondere Ereignis lohnenswert ist für alle Beteiligten. Museumspädagogin Birgit Höhl hat für Schweinfurt dieses Konzept mitentwickelt, das von der Kulturstiftung der Stadt gefördert wird. Zu den Demenzführungen sind auch gerne Einzelpersonen mit ihren Begleitungen gesehen. Informationen unter Tel.: (09721)51 48 30 oder www.museumgeorgschaefer.de