Ende 2022 sollen zwei 57- und 59-jährige Brüder eine 58-jährige Bekannte in der Wohnung ihres Schweinfurter Lebensgefährten begrabscht und vergewaltigt haben – während dieser beim Einkaufen war. Jetzt stehen die beiden Brüder vor der Ersten großen Strafkammer des Landgericht Schweinfurt.
Offenbar kennen sich die vier bereits seit Langem, arbeiten seit Jahren gemeinsam in einer hiesigen Werkstatt für behinderte Menschen. "Ich hätte nie gedacht, dass sie sowas machen", sagte der 60-jährige Lebensgefährte der mutmaßlich Geschädigten am ersten Verhandlungstag vor Gericht. Die beiden Angeklagten hatten zu ihren persönlichen Verhältnissen und den Tatvorwürfen der Vergewaltigung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung bislang geschwiegen.
Am zweiten Verhandlungstag dann der Sinneswandel: Der jüngere der beiden Brüder möchte sich nun doch äußern. Wegen sprachlicher Einschränkungen aufgrund einer geistigen Behinderung lässt der Angeklagte seine Einlassung von seinem Anwalt verlesen. Darin gibt er eine ganz andere Sicht der Geschehnisse im September 2022 wieder.
Sexuelle Handlung sollen laut Angeklagtem einvernehmlich gewesen sein
Seiner Aussage nach seien sein Bruder und er auf ausdrücklichen Wunsch der 58-jährigen Schweinfurterin mit ihr in der Wohnung geblieben, als ihr Lebensgefährte diese für einen Einkauf verließ. Sie "wollte nicht alleine sein", heißt es in der verlesenen Aussage. Auch hätten sie die Frau nicht, wie diese vor Gericht angegeben hatte, gegen ihren Willen in das Schlafzimmer gezerrt, sondern sie vielmehr dort auf dem Bett sitzend vorgefunden.
Zum Geschlechtsverkehr sei es nicht gekommen, lässt der jüngere der beiden Angeklagten verlesen. Zwar habe die gemeinsame Bekannte ihn mit der Hand befriedigt, das sei laut seiner Aussage jedoch einvernehmlich geschehen. Auch danach habe eine entspannte, "freundschaftliche Stimmung" geherrscht, man habe geredet und sich schließlich vollkommen normal voneinander verabschiedet.
Eine Schilderung, die bereits die nächste Zeugenaussage in Zweifel zieht. Eine der in der Behindertenwerkstatt angestellten Sozialpädagoginnen beschreibt die mutmaßlich Geschädigte als alles andere als eine Person, die sexualisiertes Verhalten an den Tag lege. "Von ihrem Wesen her würde ich ihr das absolut nicht zutrauen", so die Zeugin.
Stattdessen berichtet sie von Angstzuständen, die die 58-Jährige seit jenem Tag immer wieder habe; von der Angst, verfolgt zu werden, und den emotionalen Ausnahmezuständen, wenn sie einen der Brüder etwa aus dem Bus heraus auf dem Gehsteig stehen sehe.
Videoaufnahmen nehmen 59-jährigen Angeklagten sichtlich mit
Am zweiten Prozesstag wird auch die Videoaufnahme der polizeilichen Vernehmung der mutmaßlich Geschädigten vor Gericht gezeigt. Aufnahmen, die den älteren der beiden Angeklagten sichtlich mitzunehmen scheinen. Immer wieder schüttelt er heftig den Kopf, verbirgt das Gesicht in den Händen, beginnt zu weinen. Sein Bruder beobachtet die Vernehmung kopfschüttelnd.
Für die Beweisaufnahme werden auch die Ergebnisse der von der Rechtsmedizin Erlangen vorgenommenen Untersuchungen der Flecken auf dem Bettlaken und der gynäkologischen Abstriche vorgestellt. Bei den Flecken auf dem Bettlaken handele es sich in mehreren Fällen um Spermaspuren, die dem jüngeren der beiden Angeklagten zugeordnet werden können. Dem älteren Bruder könnten hingegen keine Spuren mit absoluter Sicherheit zugeordnet werden.
Gynäkologische Abstriche zeigen keine Spuren von Sperma
Auch in den gynäkologischen Abstrichen hätten sich laut Gutachten keine Spuren von Sperma gefunden. "Das muss aber nicht unbedingt heißen, dass es keinen Geschlechtsverkehr gab", gibt die Gutachterin zu Bedenken. Unter Umständen könnten mögliche Spuren während des Waschens verlorengegangen sein. Zudem seien Spermien im menschlichen Körper ohnehin nur kurze Zeit nachweisbar.
Ein psychiatrischer Gutachter diagnostiziert dem jüngeren der beiden Brüder, gegen den sich die Hauptvorwürfe der mutmaßlich Geschädigten richten, mit einem IQ von unter 60 eine leichtgradige Intelligenzminderung. Eine erhebliche Minderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit müsse sich daraus allerdings nicht zwangsläufig ergeben, so der Gutachter. Hinweise auf andere psychische Störungen oder eine Störung des Sexualverhaltens habe er hingegen nicht erkennen können.
Der Prozess wird am Donnerstag, 18. Januar, fortgesetzt.