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Schweinfurt
Folge der Krise: Spart Schweinfurt über Schmerzgrenze hinaus?
20 Prozent will die Stadt 2021 weniger ausgeben. Der Sparkurs trifft jeden Bereich, auch den sozialen. Beratungsstellen, Angebote wie die Bahnhofsmission – sie alle büßen ein.
Die Bahnhofsmission in Schweinfurt wird, wie viele Initiativen in Schweinfurt, 2021 vermutlich weniger Geld bekommen als beantragt. Die Stadt will ihre Ausgaben um 20 Prozent senken, auch die freiwilligen Leistungen.
Foto: Anand Anders | Die Bahnhofsmission in Schweinfurt wird, wie viele Initiativen in Schweinfurt, 2021 vermutlich weniger Geld bekommen als beantragt. Die Stadt will ihre Ausgaben um 20 Prozent senken, auch die freiwilligen Leistungen.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 19.10.2020 02:16 Uhr

Was ist richtig und moralisch vertretbar, was überhaupt sinnvoll? Um diese Frage ging es am Dienstag im Sozialausschuss des Stadtrates. Und um genau diesen Punkt werden die Stadträte in den Ausschüssen und im Gesamtgremium vermutlich so lange hart diskutieren, bis der Haushalt der Stadt für 2021 tatsächlich verabschiedet ist, hieb und stichfest.

20 Prozent will die Verwaltung im kommenden Jahr weniger ausgeben. Finanzreferentin Anna Barbara Keck hat angesichts der eingebrochenen Gewerbesteuer für 2021 einen harten Sparkurs vorgegeben. Auch wenn die Gewerbesteuer, die durch die Corona-Krise eingebrochen ist, durch den Bund aufgefangen wird – und zwar in voller Höhe. So werden die Einnahmen bei der Gewerbesteuer tatsächlich die geplanten 60 Millionen Euro betragen, auch wenn tatsächlich nur geschätzte 26,5 Millionen fließen.

Trotzdem, das Problem bleibt: Schweinfurt hängt von der Gewerbesteuer ab. Und wie sie sich entwickelt, dazu gibt es bisher eher düstere Prognosen. Deshalb der Sparkurs, so das Argument, das Sorya Lippert (CSU) in einem eindringlichen Statement zu Beginn der Sitzung des Sozialausschusses verdeutlichte. Man lebe im hohen Maße von der Gewerbesteuer, von der Großindustrie. Dass sich hier nun Umsatzeinbußen auftun, die Gewerbesteuer einbreche, sei vor allem, aber nicht nur auf die Krise zurückzuführen. "Corona war wohl der Brandbeschleuniger", so die zweite Bürgermeisterin.

Fakt sei: Die Stadt lebe hauptsächlich von diesen Einnahmen. Komme 2021 kein weiterer Rettungsschirm vom Bund, müsse Schweinfurt über 10 Millionen an Krediten aufnehmen und trotzdem noch Rücklagen aufbrauchen. Die Regierung von Unterfranken sehe den Haushaltsentwurf der Stadt kritisch – auch wegen der strukturellen Abhängigkeit und geplanten Investitionen. Deshalb bleibe nur, sich noch mehr um Fördermöglichkeiten zu bemühen und dort einzusparen, wo es möglich sei, auch bei den freiwilligen Leistungen.

Kritiker: Warum das Modell Rasenmäher nichts bringt

Doch wie weit muss dieser Sparkurs tatsächlich führen und was bringt es, wenn bei Zuschüssen an Wohlfahrtsverbände, Initiativen und Vereine gespart wird, die Menschen beraten und begleiten? Eine Frage, die vor allem Sinan Öztürk (Die Linke), Kathi Petersen und Marietta Eder (SPD) aufwarfen. Ihre klare Kritik: Wer mit dem "Rasenmäher" (Öztürk) über den Haushalt gehe und alles kappe, was zu kappen sei, nehme Institutionen und Verbänden, die seit Jahren gute Arbeit im sozialen Bereich leisten, für sie wichtige Zuschüsse weg, erreiche unterm Strich aber nur eine geringe Einsparung.

Betroffen sind unter anderem der Paritätische Wohlfahrtsverband (Migrationsberatung), das BRK (Seniorenerholung), die Diakonie (Flüchtlings- und Integrationsberatung), die Wohlfahrtsverbände für ihre sozialen Beratungsdienste, der Sozialdienst katholischer Frauen (Sozialberatung), der Evangelische Frauenbund, der Verein Interkulturelles Begegnungszentrum für Frauen und auch der Integrationsbeirat.

Rund 15 000 Euro weniger Ausgaben hatte der Linken-Stadtrat bei einer Kappung aller Zuschussanträge ausgerechnet, die zur Diskussion standen. "Und das rettet die Stadt Schweinfurt?" Eine rhetorische Frage, Kopfschütteln bei Linken und SPD, die dann abwechselnd den Antrag stellen, die Zuschüsse in voller Höhe auszuzahlen; teilweise unterstützt von der dritten Bürgermeisterin Ayfer Rethschulte (Bündnis 90/Die Grünen).

"Das ihr Euch nicht schämt."
SPD-Stadträtin Marianne Prowald zu ihren Kollegen im Sozialausschuss, die die pauschale 20-prozentige Ausgabenkürzung für 2021 unter anderem für die Bahnhofsmission genehmigten.

Das Ergebnis: die Mehrheit im Ausschuss folgte dem von der Verwaltung vorgegebenen Sparkus, der auch das Sozialamt selbst betrifft. 20 Prozent werden auch hier eingespart, wobei Mehreinnahmen durch höhere Zahlungen durch den Bund wie beim Wohngeld vieles ausgleichen, wie Sozialamtsleiter Georg Müller erklärte. Man werde mit dem Etat auskommen, betonte  Sozialreferent Jürgen Montag.

Sind Sponsoren eine echte Alternative?

"Erbärmlich" betitelte Kathi Petersen den Beschluss, auch den beantragen Zuschuss an die Bahnhofsmission für 2021 von 1000 auf 800 Euro zu kürzen. Marianne Prowald (SPD) konnte da nur den Kopf schütteln, "dass ihr Euch nicht schämt", meinte sie mit dem Blick in die Reihen der Stadträte, die dem gekürzten Zuschuss zugestimmt hatten.

Auch Sorya Lippert hatte am Ende der Sitzung Bauchschmerzen, obwohl sie die Entscheidung mittrug. Sie werde versuchen, Sponsoren zu finden. Ist das die Lösung, vielleicht auch für die Arbeit der Lokalen Agenda, die ebenfalls im Bereich des Sozialamts angesiedelt ist? Lippert hält das für denkbar, andere wie Sinan Öztürk winken da ab. Und Marianne Prowald? Sie würde aus der eigenen Kasse was dazugeben.

 
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