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Schweinfurt
Fake-Atteste: Hat eine Ärztin bundesweit Tausende von der Corona-Maske befreit?
In Mannheim laufen die Ermittlungen gegen eine Allgemeinmedizinerin zusammen, die Atteste ohne vorherige Untersuchung verschickt haben soll. Auch nach Unterfranken.
Fake-Atteste einer Ärztin aus Baden-Württemberg haben auch in Schweinfurt die Justiz beschäftigt. 
Foto: Nicolas Armer/dpa | Fake-Atteste einer Ärztin aus Baden-Württemberg haben auch in Schweinfurt die Justiz beschäftigt. 
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 13.02.2024 09:52 Uhr

"Meine Mandantin ist doch keine Akademikerin", sagte jüngst der Anwalt einer Kellnerin vor dem Schweinfurter Amtsgericht. Sie müsse nicht wissen, dass ein per Post zugeschicktes Gesundheitszeugnis von einer Ärztin aus Baden-Württemberg, die seine Mandantin nie untersucht und trotzdem vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes befreit hatte, ein "unrichtiges" Attest sei. Ein solches hatte sie beim Bedienen in einer Pizzeria Anfang März einem Polizeibeamten als Nachweis zur Befreiung vom Maskentragen vorgelegt.

Am Ende half alles nichts. Die Bedienung (52) wurde nicht freigesprochen, wie von ihrem Verteidiger beantragt, sondern schuldig des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse, wie es die Staatsanwältin gefordert hatte. Sie wurde zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt. Schließlich hatte die Kellnerin, die Befunde über Gesundheitsprobleme vorweisen kann, zuvor auch von Ärzten vor Ort keine pauschale Maskenbefreiung bekommen. Das hätte sie stutzig machen können, als auf ihren bloßen Anruf hin das Befreiungsattest einer Allgemeinmedizinerin aus dem 225 Kilometer entfernten Weinheim bei ihr ankam – und nicht einmal etwas kostete.

Als die 52-Jährige die Anzeige wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz erhielt, habe sie die Ärztin angerufen und sich bei ihr beschwert, sagte sie vor dem hiesigen Amtsgericht. Die Medizinerin habe ihr geantwortet, sie sei keine Juristin, die Patientin solle sich einen Anwalt nehmen. Den nahm sie sich auch, und der kündigte in der Amtsgerichts-Verhandlung an: "Wir werden dieser Ärztin gegenüber eine Schadensersatzklage erstellen."

100 Ermittlungsverfahren gingen in Mannheim ein

Um diese Klage hat sich ein Zivilgericht zu kümmern. Gegen die Allgemeinärztin aus Weinheim aber türmt sich gerade bei der Staatsanwaltschaft Mannheim ein größeres Ermittlungsverfahren auf, das in ein Strafverfahren münden dürfte. Wie Staatsanwalt und Pressesprecher Marc Schreiner auf Anfrage mitteilt, "sind rund 100 Ermittlungsverfahren gegen die Tatverdächtige von anderen Staatsanwaltschaften hierher abgegeben worden", die in Mannheim zu einem einzigen Verfahren verbunden wurden. Der Tatverdacht gegen die Medizinerin lautet: "Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse."

"Insgesamt soll die Tatverdächtige nach dem Stand der Ermittlungen unrichtige Gesundheitszeugnisse im vierstelligen Bereich ausgestellt haben", so Staatsanwalt Schreiner. Mit einem Verfahrensabschluss sei bis Ende des Jahres zu rechnen. Damit sind auch die Fragen beantwortet, die Kommentatoren auf Artikel dieser Redaktion zum Thema unrichtige Gesundheitszeugnisse gestellt hatten. Sie wollten wissen, ob neben den Patienten auch gegen die Ärztin ermittelt werde. Es wird.

Klare Beziehungen zur Querdenker-Szene

Die Allgemeinmedizinerin gehört erkennbar der Szene der Coronamasken- und Imfgegner an, wie offen einsehbare Internet-Videos über ihre Interviews und Auftritte auf "Querdenken"-Versammlungen belegen. Ob diese Haltung die massenhafte Ausstellung von Maskenbefreiungsattesten ohne vorherige Untersuchungen der Patienten rechtfertigt, wird möglicherweise bald ein Gericht in Mannheim klären. Ihre "Patienten" jedenfalls, die sich mit ihren "Gesundheitszeugnissen" in und um Schweinfurt den Mund-Nasen-Schutz ersparen wollten, hatten bisher erstinstanzlich wenig Erfolg. Am Ende folgte eine teure Rechnung vom Gericht: zwischen 400 und 1400 Euro.

 
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  • H. S.
    Bin auch der Meinung, dass dieser Ärztin die Zulassung zu entziehen ist.
    Aber diejenigen die ein solches Attest verwenden, wissen ganz genau, was sie da in den Händen halten! Deswegen gehören die genauso bestraft!
    Noch härter sollte aber die Verwendung eines gefälschten Impf-Passes, oder eines gefälschten Impf-Zertifikats bestraft werden!
    Schlimm nur, dass diese Menschen gar nicht begreifen wollen, dass sie sich mit ihrem Handeln letztlich selbst gefährden...
    Wie wir ja inzwischen sehr gut wissen, ist das Virus ja nicht verschwunden, sondern die Menschen, die geimpft sind, erkranken nicht mehr schwer daran. Aber das erhöht den Druck auf die Ungeimpften massiv (nicht politisch, sondern virologisch).
    Wer heute als Ungeimpfter einen Club besucht, hat ein extrem hohes Risiko, sich dort mit Corona anzustecken. Warum bekommt man das nicht in die Köpfe der Leute rein?
    Die setzen für vier Stunden Halligalli Ihr Leben auf's Spiel, anstatt sich einfach impfen zu lassen...
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  • H. S.
    nicht sollte, sondern MUSS.
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  • G. K.
    Zitat: „Wir werden dieser Ärztin gegenüber eine Schadensersatzklage erstellen.“

    Herrliche Realsatire!

    Aber leider eben auch ein klares Zeichen, wie unsere Gesellschaft gerade tickt.

    Man lässt sich von jemandem, den man nicht kennt und der einen selbst nicht kennt, ein kostenloses und per Telefon beauftragtes Fake-Attest ausstellen.

    Und wenn man damit Ärger bekommt, dann will man den Aussteller auf Schadensersatz verklagen … ja, sorry – aber mir fehlt gerade die Fantasie, wie man so etwas charakterlich noch weiter unterbieten könnte …

    Mit der gleichen „Logik“ könnte jemand die Brauerei verklagen, wenn er alkoholisiert hinter dem Steuer erwischt wird …

    Schuld haben immer die anderen … bloß keine Verantwortung übernehmen – nicht für sich selbst, und schon gleich gar nicht für andere …

    Traurig!
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  • U. S.
    Vielleicht sollte man auch all die Krankschreibungen überprüfen die am Telefon - also ebenfalls auf Zuruf und bar jeglicher Untersuchung - ausgestellt wurden.

    https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/telefonische-krankschreibung-1800026
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  • K. S.
    Warum sagen Sie nichts zum Thema?
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  • T. W.
    Richtig so!
    Dummheit gibt es eben nicht zum Nulltarif.......
    Der Ärztin sollte man die Zulassung entziehen!
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