Sie sind auch schon einmal in den Keller gegangen, um etwas zu holen, und haben dann vergessen was? Keine Angst, das ist noch keine Demenz, beruhigt Matthias Matlachowski. Er war einer der Referenten beim Fachabend Demenz, zu dem das Regionalmanagement und das Gesundheitsamt des Landkreises Schweinfurt eingeladen hatten. Die über 170 Besucher zeigten eindrücklich, dass das Thema vielen auf den Nägeln brennt.
Für Landrat Florian Töpper ist der demographische Wandel kein Schreckenswort: Es sei doch schön, dass Menschen älter würden, meinte er und erklärte "ein Großmaß an Hilfsbedürftigkeit muss nicht unbedingt ein Großmaß an Fremdbestimmung bedeuten". Zwar werde wohl die Zahl der Dementen steigen, aber nicht so stark wie zunächst befürchtet. In Bayern sind derzeit acht Prozent der über 65-Jährigen und jeder vierte über 85 Jahren betroffen. Dass die Zahl der an Demenz Erkrankten nicht so schnell ansteigt wie befürchtet, liegt wohl auch daran, dass man der Erkrankung präventiv einiges entgegensetzen kann.
Wie, das erläuterte Professor, Dr. Stefan Voll, leitender Direktor des Universitätssportzentrums und der Forschungsstelle für Angewandte Sportwissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er zeigte auf, wie die digitale Welt unser Gehirn mehr und mehr belastet: Reizüberflutung, der Verlust von Halt und Orientierung sowie der Wegfall einer "Straßenkultur" wirken nachteilig auf die Psyche des Menschen. Dazu komme, dass Maschinen uns das Denken immer öfter abnähmen. Wer aufs Navi schaut, muss keine Orientierungsfähigkeit mehr ausbilden. Auch wenn das Gehirn kein Muskel sei, so reagiere es doch wie ein solcher: Wenn es nicht benutzt wird, bildet es sich zurück. Der Königsweg, um dies zu vermeiden, sei sportliche Aktivität – verbunden mit kognitiven Herausforderungen, erklärte Voll. Seine Mitarbeiterin Alicia Rausch leitete die Besucher an, dies gleich auszuprobieren.
Wie Sport dem Gehirn hilft fit zu bleiben
Sportliche Aktivitäten wirken sich auf das physische, psychische, soziale und kognitive Wohlbefinden aus, das sei inzwischen hinreichend wissenschaftlich bewiesen. Ein fitter Körper ist leistungsfähiger, stressresistenter, die Menschen sind lebensbejahender und "in einer zunehmend entkörperlichten Welt durch den Leib-Geist-Dualismus präsenter", so Voll. Bewegung sorgt nicht nur dafür, dass Endorphine, also Glückshormone ausgeschüttet werden, sie führe auch zur Entstehung neuer Nervenzellen und Synapsen. Außerdem wird das Protein BDNF gebildet, das für die Funktion des Langzeitgedächtnisses verantwortlich ist.
Volls Empfehlung für Menschen ab 65: wöchentlich 150 Minuten leicht anstrengende Ausdauerbewegung, wie Gehen, Schwimmen, Radfahren; 75 Minuten anstrengende Ausdauerbewegung; zusätzlich an drei Tagen Gleichgewichtsübungen und an zwei Tagen Muskeltraining.
Den absoluten Schutz gibt es nicht
Matlachowski, Leiter des Wilhelm-Löhe-Hauses und Vorsitzender der Bayerischen Alzheimergesellschaft unterstrich zwar Volls Informationen und Anregungen, aber er warnte auch. Demenz sei eine Krankheit, die auch Menschen, die präventiv alles richtig gemacht hätten, ereilen könne. Der größte Risikofaktor für Demenz sei das Alter. Heute seien in ganz normalen Altenheimen im Schnitt 68 Prozent der Bewohner dement. Rund zwei Millionen Deutsche seien von der Krankheit betroffen, darunter 240 000 in Bayern. Zunächst lasse das Kurzzeitgedächtnis, dann das Langzeitgedächtnis nach. Die Sprache ist beeinträchtigt, das Denkvermögen leidet, so könnten Demente keine Schlussfolgerungen mehr ziehen und sich kein eigenes Urteil bilden. Dann verschwinde jegliche Orientierung, was Personen, Orte, Zeiten und Situationen betreffe. Gefühle und Emotionen dagegen blieben sehr lange erhalten und auch Stimmungen würden sehr genau wahrgenommen.
Wer hilft im Ernstfall weiter?
Hinweise auf eine Demenz seien ständiges Wiederholen, zeitweise Desorientiertheit, die Unfähigkeit auf Fragen zu antworten und stattdessen Floskeln einzusetzen, unangemessene Kleidung und oft wirken die Betroffenen depressiv und verwirrt. Matlachowski stellte die ambulanten Unterstützungseinrichtungen in der Region vor. Gerade pflegende Angehörige seien gefordert. In Angehörigenschulungen würden sie die Erkrankung und den Umgang mit den Dementen kennenlernen, Infos über rechtliche und finanzielle Fragen sowie Entlastungsmöglichkeiten bekommen. Nicht zu unterschätzen sei auch der Erfahrungsaustausch in Angehörigengruppen. Betreuungsgruppen und ehrenamtliche Helfer sorgten zusätzlich für Entlastung und auch Beratungsstellen helfen weiter. Aber, so Matlachowski: "Hilfe einzufordern, zuzulassen und anzunehmen" sei für Angehörige oft ein Lernprozess. Er riet dringend, sich auf diesen Lernprozess einzulassen und sich mit der gerontopsychiatrischen Vernetzungsstelle Main-Rhön in Verbindung zu setzen.
- Lesen Sie auch: Wohngemeinschaften für Demenzerkrankte: Wie funktioniert das?