Nach "kreativen Lösungen" sollen die Schulen angesichts des allgegenwärtigen Lehrermangels suchen. Diesem Auftrag der Politik wollte die Grund- und Mittelschule Stadtlauringen nachkommen, als zum Schuljahresbeginn extrem Not an Frau/Mann war. Die beiden Klassenleiterinnen der 3b waren krankheitsbedingt gleichzeitig ausgefallen, weshalb die Schulleitung drei Schülersprecher aus der höheren Jahrgangsstufe bei der Beaufsichtigung eines Ballspiels der Drittklässer mit heranzog.
Das hat für mächtig Wirbel gesorgt. Der Elternbeirat monierte den Lehrkräftemangel in einem Brief an Bayerns Kultusminister Michael Piazolo, der ohne Antwort blieb, und ein Vater brachte das Thema in den Gemeinderat. Bürgermeister Friedel Heckenlauer wurde daraufhin beim Staatlichen Schulamt vorstellig. In der jüngsten Gemeinderatssitzung gab der Rathauschef nun bekannt, dass das Schulamt ab Mitte Februar zwei zusätzliche Lehrkräfte abstellen werde.
Fakt ist das aber noch nicht. "Wir können nichts versprechen", relativiert Schulamtsdirektorin Stefanie Schiffer die Aussage des Bürgermeisters. Man habe zwei Personen im Auge, die eventuell an der Schule in Stadtlauringen eingesetzt werden könnten. Wenn alles klappt, "sieht es nach einer zeitnahen Lösung aus", sagt sie.
Auch die Schulleitungsstelle ist verwaist
Für die Schule in Stadtlauringen ist schneller Ersatz dringend nötig. Denn die Situation hat sich weiter verschärft. So fehlen Lehrkräfte nicht nur krankheitsbedingt, sondern eine Lehrerin fällt aufgrund ihrer Schwangerschaft langfristig aus. Hinzu kommt, dass auch die Schulleitungsstelle verwaist ist.
Seit Schuljahresbeginn leiten drei Lehrerinnen als Team kommissarisch die Schule, neben ihrer regulären Unterrichtstätigkeit und neben ihrem Job als Klassenleiterinnen. Bewerbungen für den vakanten Schulleitungsposten liegen dem Schulamt inzwischen zwar vor, die Besetzung von Leitungsstellen erfolgt aber immer nur zum Schuljahreswechsel. Bis September muss das kommissarische Team also weiter durchhalten.
"Stadtlauringen ist kein Einzelfall", zeigt sich BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann wenig überrascht von der Situation vor Ort. In ganz Bayern gebe es an Schulen solche Zustände in unterschiedlicher Ausprägung. "Der Lehrkräftemangel ist wirklich da", verweist sie auf 4000 fehlende Lehrkräfte an Bayerns Grund-, Mittel- und Förderschulen. Dass Schulleitungen alles versuchten, um den Unterricht aufrecht zu erhalten, rechnet sie ihnen hoch an. Denn zusätzliche Stunden müssten Lehrkräfte gar nicht leisten.
Den Lehrerinnen und Lehrern gibt sie aber einen Rat: "Wenn man den Schulunterricht nicht mehr verantworten kann, weil Lehrkräfte fehlen und keine hauptamtliche Leitung da ist, dann schickt die Kinder nach Hause." Auch ein Supermarkt werde zugesperrt, wenn die Kassiererin krank ist und der Filialleiter fehlt.
Krankheitsbedingte Ausfälle
Für die Grund- und Mittelschule Stadtlauringen fing das Schuljahr schon mit krankheitsbedingten Ausfällen an. Es gab bislang noch keine Schulwoche, in der alle Lehrkräfte an Bord waren, sagt die Schulleitung. Besonders betroffen ist die Klasse 3b . "Von Anfang an gab's Lehrerprobleme", berichtet ein Vater. So habe gleich zum Schuljahresbeginn eine Mobile Reserve die Klassenleitung übernehmen müssen. Dann fanden sich zwei Lehrerinnen, die sich die Leitung teilten. Als beide gleichzeitig erkrankten, wurden die Kinder für eine Woche ins Homeschooling geschickt. Verschärft wurde die Situation nun durch unvorhersehbare Umstände, wie in diesem Fall Krankheit und Schwangerschaft.
"Unsere Kinder haben seit der ersten Klasse nonstop Lehrerwechsel", beklagt Elternbeiratsvorsitzende Anja Kruizenga die fehlende Kontinuität. Gerade die Drittklässer trifft es hart. Ihr Schulstart in der Corona-Pandemie war von Homeschooling geprägt, und ihr Übertritt in die weiterführende Schule wird nun von der Krise im Klassenzimmer überschattet. "Da wundert mich nicht, dass unsere Kinder bei der Timss-Studie (Trends in Mathematics and Science Study, Anm. der Redaktion) schlecht abschneiden."
Immer mehr Schülerinnen und Schüler und immer weniger Lehrkräfte
Doch woran liegt es, dass so viele Lehrkräfte fehlen? BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann nennt mehrere Gründe: Einerseits gebe es durch mehr Geburten und Zuwanderung immer mehr Schülerinnen und Schüler und andererseits immer weniger Lehramts-Studierende. Auch die Ansprüche an die Schulen seien nach zwei Corona-Jahren höher.
Ein Viertel der Viertklässer erreiche nicht den Mindeststandard in Lesen, Rechnen und Schreiben. "Da entsteht ein immenser Druck in der Schule." Hinzu kommen politische Entscheidungen wie der Ganztagsausbau, Vorgaben zu Inklusion oder Sprachförderung, die den Personalbedarf an den Schulen weiter verstärken.
Und wie könnte der Mangel an den Schulen gelöst werden? Kurzfristig sieht Fleischmann keine Lösung, nur Notmaßnahmen: zum Beispiel Quereinsteiger gewinnen oder weiterhin Pensionisten rekrutieren. Auch die Erwartungen und Angebote müssten zurückgeschraubt werden. Hier wünscht sie sich von der Politik eine klare Ansage, dass "nicht mehr alles geht". Das sei schmerzhaft, "aber es geht nicht anders".
Attraktive Arbeitsbedingungen schaffen
Langfristig fordert die BLLV-Präsidenten eine Reformierung des Lehramtsstudiums und die finanzielle Gleichstellung der Lehrkräfte aller Schulformen. "Wir brauchen irgendwann wieder einmal attraktive Arbeitsbedingungen", sagt Simone Fleischmann.
Was noch nötig ist: Eine Reserve an Lehrern und Lehrerinnen. "Theoretisch gibt es die Mobile Reserve, praktisch ist sie Luxus, weil keine Lehrkräfte da sind", sagt Schulamtsdirektorin Stefanie Schiffer.
Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), ein Beratergremium der Kultusministerkonferenz (KMK), befürchtet, dass die Personal-Durststrecke noch in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben wird. Das sind keine gute Nachrichten für Stadtlauringen. 2024 soll für elf Millionen Euro die Grund- und Mittelschule neu gebaut werden. "Dann haben wir eine neue Schule, aber ohne Lehrer", sagt der betroffene Vater.
Da braucht man auch nicht auf die Jugend schimpfen wenn man es als Elterngeneration nicht fertigbringt ihnen einen guten Start zu ermöglichen. Da liegt die Verantwortung nicht nur bei den Eltern sondern in diesem Fall d.h. Schule auch in der Politik.
Da ständig von verantwortlicher Seite getönt wird wie toll alles in Bayern ist stellt sich mir die Frage wie es anderswo ausschaut? Oder werden wir in Bayern einfach nur verarscht und hingehalten. Es wurde noch nie Probleme gelöst indem man mit dem Finger auf andere zeigt bei denen es angeblich noch schlechter läuft. Erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren.
Die beschriebenen Zustände sind unter aller Kanone, jedenfalls bei dem Selbstverständnis welches das Bundesland Bayern so gerne nach außen hin kund tut.