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SENNFELD
Emil Heinemann: Ein Amt, eine Herzenssache
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:21 Uhr

Mit 14 hat Emil Heinemann angefangen im Sennfelder Rathaus. Am 1. September 1970 startete die Ausbildung zum Verwaltungsangestellten. Dass er mal 21 Jahre lang Bürgermeister sein wird, das Rathaus so was wie eine zweite Heimat werden wird, hätte er sicher nicht gedacht, als er sich am ersten Arbeitstag 1970 erst mal seinen Tisch und seinen Stuhl vom Dachboden holen musste.

Er weiß noch genau, wie er sich gefühlt hat: Aufgeregt. Um 7 Uhr war Dienstbeginn. Der Vater hat ihm aber geraten eine Viertelstunde eher da zu sein. Und da stand er dann, allein am Rathaus.

Am 31. August 2017 endete die Ära Heinemann offiziell im Rathaus. Aus gesundheitlichen Gründen ließ sich der 62-Jährige in den Ruhestand versetzen. Nicht nur der offizielle Stichtag, auch der Weg zur Entscheidung, aufzuhören, waren hart für ihn, erzählt er. Irgendwie hat er gehofft, dass vielleicht doch noch ein Arzt sagt: Halb so schlimm mit dem Herzen, Sie können weitermachen. Hat aber keiner. Trotzdem ist es ihm nicht leicht gefallen, nicht mehr Bürgermeister zu sein. „Es war verdammt schwer.“ Bürgermeistersein war eine Herzenssache für ihn.

Motto: Erst der Mensch, dann die Menschenordnung

Heinemann ist mit sich und seiner Entscheidung im Reinen. Aber es fällt ihm immer noch schwer, am Rathaus vorbeizulaufen und nicht reinzugehen. „Bürgermeister ist ein sehr schöner Beruf“, sagt er. Man ist nah an den Menschen, kann helfen. Erst kommt der Mensch, dann die Menschenordnung, sagt er. Das hat er aus dem Film „Der Hauptmann von Köpenick“ mitgenommen. „Was machbar ist, haben wir gemacht“, sagt Heinemann. Zum Beispiel Leute, die einen Ausweis brauchen, nicht lange warten lassen.

Oder bei Nachbarschaftsstreitigkeiten vermitteln. „Da bin ich in das eine Haus, habe mir deren Vorschlag angehört. Dann in das andere Haus, habe denen die Nachricht der Nachbarn überbracht.“ Denn Miteinander wollten die Parteien nicht reden. Das Problem wurde übrigens gelöst.

Josef Schäfer hat Heinemann in einem Tagblatt-Artikel einmal als Harmonisierer bezeichnet. Das hat Heinemann gefallen. Einen Ausgleich suchen, Lösungen finden, auf verschiedene Positionen eingehen, auch mal was Neues machen. Das war Heinemann wichtig.

Zur Kirchweih nach Gochsheim gegangen

Er hat ja schließlich auch für einiges Aufsehen gesorgt, als er mit seiner Frau Sigrid, frisch im Amt, zur Kirchweih nach Gochsheim gegangen ist. „Da kommt der junge Bürgermeister“, ging ein Raunen durch die Menge, erinnert er sich. Die Nähe zu den Nachbargemeinden war ihm wichtig. Und die zu Bürgermeisterkollegen. Regelmäßig haben sich die Heinemanns mit den Fischers (Schwebheim), den Katzenbergers (Üchtelhausen), den Gubes (Geldersheim), den Epps (Grettstadt) getroffen. Das war gut, um sich auszutauschen, um zusammenzuarbeiten. Beim Bauhof, bei personellen Engpässen, zum Beispiel, Da hat dann eben ein Sennfelder Angestellter mal in Schwebheim ausgeholfen.

Was macht das Bürgermeisteramt noch aus? Man kann die Gemeinde nach vorne bringen, gestalten, vorausgehen und neue Ideen umsetzen. Zum Beispiel Energiebewusstsein stärken, durch die Energietage. Oder im Bereich Kultur: Die Sennfelder Kulturtage sind entstanden. Bürgerversammlungen vor Ort mit dem Rad hat Heinemann eingeführt. „Da kann man sich schön mal unterhalten.“

Geschichte ist auch eine Herzenssache

Die Geschichte mehr in den Mittelpunkt rücken, ist und war auch eines seiner Ziele. Was feiern wir denn an Kirchweih/Friedensfest? Die Frage konnten einige junge Leute nicht beantworten. Mit der Aufnahme der Gochsheimer und Sennfelder Kirchweih in das Immaterielle Unesco-Kulturerbe sind Fest und Hintergrund wieder stärker ins Bewusstsein gerückt, sagt Heinemann, der selbstverständlich Planbursche war.

Plötzlich sind die Abende und die Wochenenden nicht mehr frei

Allerdings hat Heinemann ein bisschen gebraucht, bis er gemerkt hat, was an dem Amt alles dran hängt. Als Rathausangestellter hat er gewusst, wie der Bürgermeister-Job von Montag bis Freitag aussieht. „Aber die Abende und die Wochenenden habe ich nicht gekannt.“ Das war auch eine Umstellung für die Familie. Heinemann nimmt es immer noch mit, dass seine kleine Tochter ihn einmal gefragt hat, ob er überhaupt noch wisse, dass er Kinder hat. Seine Frau Sigrid fasst das Leben als Bürgermeisterfamilie so zusammen: „Wir machen keine Spaziergänge, wir machen Ortsbegehungen.“

Heinemann hat einen Rat für jeden, der Bürgermeister wird: Gleich die Uhr weglegen. „Die gibt es nicht mehr.“ Wer so ein Amt annimmt, muss dynamisch sein, bereit sein, viel Zeit zu investieren. Im Rathaus, draußen und daheim. Und er muss bereit sein, die Rolle anzunehmen, sich auch vereinnahmen zu lassen, gerade in einer Gemeinde wie Sennfeld.

Dazu gehört, dass die Leute einen ansprechen, nicht nur zur Dienstzeit. Dass sie auch mal sauer sind, weil eine Entscheidung im Gemeinderat nicht so fiel, wie sie es sich vorgestellt haben. Und dass sie auch mal persönlich werden, positiv wie negativ.

Rührende Reaktionen auf den Rückzug

Die Reaktionen auf seinen Rückzug haben Heinemann beeindruckt. Briefe, Karten hat er bekommen. Die Bürgermeisterin der italienischen Partnerstadt Meduna di Livenza hat ihm geschrieben, ihre Augen füllen sich mit Tränen. Und der Busfahrer der italienischen Freunde hat beim letzen Austausch gesagt: „Emilio, du bist und bleibst der Bürgermeister für mich.“

Langweilig wird es Heinemann nicht werden im Ruhestand. Er spielt im Posaunenchor und die Orgel in der Kirche, kümmert sich weiter um die Indio-Hilfe, will mit seiner Frau auch endlich mal nach Peru und Mexiko reisen.

Und da ist ja noch seine Polizei-Sammlung: Uniformen, Gerätschaften, darunter ein Radar-Gerät und der legendäre Polizei-Käfer, Baujahr 1970, mit dem die Heinemanns immer noch auf Tour gehen. Vielleicht belegt er als Gasthörer Vorlesungen zu Kommunalrecht. „Das würde mich reizen.“ So ganz ohne Verwaltung geht's halt dann doch nicht. Hat auch niemand erwartet. . .

Am Sonntag, 8. Oktober, ist die offizielle Verabschiedung in der Frankenhalle. Dürfte emotional werden. Herzenssache bleibt Herzenssache.

Das war das Plakat für die erste Wahl am 10. März 1996.
Foto: Susanne Wiedemann | Das war das Plakat für die erste Wahl am 10. März 1996.
 
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