Konzentriert krempelt Hans Well die Hemdsärmel hoch, ein kurzer Blick ins Publikum, dann setzt er sich, nimmt seine Gitarre. Fast wie ein Handwerker, der zur Arbeit geht, könnte man meinen. Und tatsächlich ist es sprachliches, kabarettistisches und volksmusikalisches Handwerk vom Feinsten, das Well in den nächsten zwei Stunden gemeinsam mit seinen drei Kindern Jonas, Sarah und Tabea in der Grafenrheinfelder Kulturhalle bieten wird.
Wo das Internet noch langsamer als die Sprache ist
Und die Familie Well, die als „Wellbappn“ unterwegs ist, hat ihre Hausaufgaben gemacht, hat sich im Vorfeld des Gastspiels über Schweinfurt und Grafenrheinfeld schlau gemacht. Da gibt es erste verbale Spitzen, wie die gegen das „Zementrum“, das preisverdächtig wäre, gäbe es einen Preis für das „hässlichste Gebäude“. Mit Breitseiten gegen den Einzug der AfD in den Landtag und der Festellung, dass hier im fränkischen Paradies das Internet sogar noch langsamer als die Sprache sei, groovten sich die Wells ein auf ihr Gastspiel mit frechen Wortspielen und frechen Texten. Grafenrheinfeld – so viel Hommage an die Gastgebegemeinde muss sein – sei jetzt so richtig sympathisch, seit das Kernkraftwerk abgeschaltet ist.
Nach einer launigen Vorstellungsrunde, in der die Well-Kinder ihre beruflichen Visionen skizzierten, wie zum Beispiel Tabea: „Am liebsten was mit Tieren, Metzger oder so“, ging es musikalisch Schlag auf Schlag.
Botschaften mit Humor verpackt
Textlich gesehen gibt es da keine Schonzeit, zum Beispiel für „Jungbauern mit 58“, die – endlich doch noch unter die Haube gekommen – ihre Tochter „Harvester“ und den Sohn „Roundup“ nennen. Kinderhasser werden Lehrer, immer mit dem Ziel, dafür zu sorgen, dass nicht zu viele Schüler an bayerischen Gymnasien ohne seelischen Knacks über die Runden kommen. Mit „Aloha he, die Zukunft von Hamburg liegt in der Nordsee“, kommt Stimmung auf, auch wenn das Lächeln im Gesicht gefriert, denn im Humor verpackt sind es immer auch ernste Botschaften, wie der Klimawandel, die serviert werden.
Grafenrheinfelder Gefangenenchor
„Ihr seid sozusagen der Grafenrheinfelder Gefangenenchor“, verpflichtet Hans Well die Gäste in der gut gefüllten Halle zum Mitsingen. „Pfingsten dahoam“ fängt wie ein launiger Bierzelt-Schunkler an, wächst sich zum Starkregen-Drama aus, in dem schließlich alle Bierzelt-Seligkeit buchstäblich ein Opfer der Fluten wird.
Es darf gelacht und es darf vor allem nachgedacht werden über die scharfsinnigen und dennoch bitterbösen Beobachtungen, die Hans Well zu Liedern gemacht hat. In „Freundschaftsspiel“ werden ehrgeizige Mütter von Fußballzwergen der F-Jugend unbarmherzig aufs Korn genommen. Die Kinder hätten das 0:7 gegen das Nachbardorf vielleicht verkraftet – nicht so die Mütter. Kurzum: Der Fußball, eigentlich da, um soziale Kompetenz und Teamgeist des Nachwuchses zu fördern, wird zur „Völkerschlacht“.
Ein Weisheitszahn weniger, ein Geigensolo mehr
Schmissige Wortspiele „Wenn a Araber am Arber arbat tat“ wechseln sich ab mit schwärzestem Humor. Neben den klassischen Arbeitsgeräten bayerischer Volksmusiker wie Gitarre, Trompete, Tuba und Ziehharmonika kommen auch eine Reihe exotischer Instrumente, mit denen sich zum Beispiel Regen imitieren lässt, zum Einsatz. Dabei erweisen sich alle Wells als erstaunlich vielseitig. Tabea Well, der am gleichen Tag ein Weisheitszahn gezogen wurde, schlägt sich mehr als wacker beim atemberaubenden Geigen-Solo in „Russischer Aufstrich“, und auch das Lied, in dem der „Straßenbahnschienenritzenreiniger“ zum Einsatz kommt, dürfte ihr an diesem Abend schwerer über die Lippen gegangen sein.
Und natürlich sind auch Söders Raumfahrt-Pläne zu einem neuen Lied geworden. Die CSU bricht auf ins schwarze Universum, immer auf der Suche nach einem neuen Planeten und einer neuen Heimat für eine absolute Mehrheit.
Die „Wellbappn“ ist wahrlich nicht auf den Mund gefallen, nimmt alles und jeden – und nicht zuletzt sich selbst – aufs Korn. Der Mix aus guter Unterhaltung und humorvoll verpacktem Polit-Kabarett geht auf. Noch eine Lesung, die zum Schluss kommt „Alle erklärten, dass es kein 'Weiter so' geben darf und machten 'Weiter so'“ und dann „Gute Nacht, kommt gut heim“. Hans Well kann die Hemdsärmel wieder runterkrempeln. Der Mann, der vor 40 Jahren mit seinen Brüdern Michael und Christoph Well die „Biermösl Blosn“ gegründet hat, versteht sein Handwerk immer noch – die Botschaften sind angekommen.