Die Erinnerung ist noch nicht ganz verblasst. Das Zeughaus war noch Heimat der Zeitung. In den Räumen der Redaktion spielten die "Rhöner Schulmeister". Das war am Anfang der "Nacht der Kultur" vor 24 Jahren. Schnell eroberte sich die Veranstaltung des "Kulturpackts" einen besonderen Status, wurde fester Bestandteil des herbstlichen Kalenders – bis Corona kam. Zwei Jahre war Zwangspause, ehe es jetzt, am Samstag, zu einem Neustart kam. Einem gelungenen. Vielleicht als Entschädigung für die zwei verlorenen Jahre meinte es das Wetter gut, sorgte für eine laue Nacht und viel Betrieb in der Stadt, auch außerhalb des kleinen Festivals.
Namens des Kulturpackts hieß Corinna Lindacher auf dem Martin-Luther-Platz eine ansehnliche Besucherschar willkommen, aus der eine ganze Reihe von Gesichtern herausragten, die man schon beim Start der Kulturnacht vor über zwei Jahrzehnten gesehen haben will. So ganz leicht war die Neuauflage nicht, sind doch einige Veranstaltungsorte aus den unterschiedlichsten Gründen weggebrochen, der Rückertbau, das Alte Gymnasium, die Alte Reichsvogtei oder auch das Café Vorndran, weil das Personal fehlt.
Kulturnacht rund um die Johanniskirche
Dort, wo es zum Abschluss eine brillante Lichtshow gab, ging es bei der Eröffnung schon ziemlich lebhaft zu. Die in Schweinfurt beheimatete Gruppe "Kamerimba" sorgte mit westafrikanischer Perkussionsmusik und der aus Guinea stammenden temperamentgewaltigen Tänzerin Saran Conde Donna für einen mitreißenden Beginn. Mit 40 Programmpunkten und 30 Künstlern bot die 23. Kulturnacht ein breites Angebot, an dem sich jeder seinen eigenen Parcours rund um die Johanniskirche aussuchen oder sich einfach nur treiben lassen konnte.
Das konnte beispielsweise in der Johanniskirche beginnen, wo zunächst die Jungen Stimmen um Andrea Balzer ihre außerordentliche Qualität zeigten. Stark auch anschließend das Ayala Klavier-Trio, Studentinnen an den Musikhochschulen Mainz, Augsburg und Würzburg.
Kurz war der Weg ins Gunnar-Wester-Haus, wo Thomas Hans Zrieschling das klassische Repertoire für die Zither um Elemente des Blues und Jazz erweiterte. Dort beschäftigte sich Hans Driesel mit Martin Luther und seiner Bibelübersetzung vor 500 Jahren. Ließ aber die antisemitischen Züge des Reformators und seine zwiespältige Rolle im Bauernkrieg nicht unerwähnt. Versöhnlich dann seine Fabel-Übertragungen.
Kabarettistisches Oberbayern am Main
Von dort zum Caleidoskop der Petra Eisend, wo diesmal keine Klangschalen zu hören waren. Sondern Lateinamerika zuhause war mit "Cantoy y Cuerdas" und "CubanXCrossover" mit dem hervorragenden Gitarristen Alfredo Hechavarria und der stimmgewaltigen Sängerin Clarissa. Neu auch das "Wilsons" als Spielstätte, in der Ralf Winkelbauer mit seinem Rundumschlag das kabarettistische Oberbayern an den Main brachte.
Über das Zeughaus, wo die Tanzschule Pelzer eine riesige Fangemeinde versammelte, dann zum Mehrgenerationenhaus am Martin-Luther-Platz, zu "Purple Rose" , die mittelalterlich-romantische Töne anschlug. Letzte Station sollte die Rathausdiele sein, wo zunächst das Langenbucher-Pfister-Duo mit modernem Jazz ein eher kleines Publikum ansprach und "The Good Hex" es dann rockig krachen ließ.
Anruf am Sonntag bei Gerald Günther, dem Geschäftsführer des Kulturpackts, den alle nur Jimi nennen. Er ist zufrieden. Die Besucherzahlen der Vergangenheit seien zwar nicht erreicht worden. Es sei aber "voll" gewesen, manchmal sogar "übervoll". Und das bei einer schönen Stimmung.