Ein halbes Jahr alt, 119 Kilo schwer – das richtige Gewicht, wenn man ein Mastschwein ist, das bald den Speiseplan bereichert. 120 Kilo wären ideal, 119 sind fast eine Punktlandung. Mastschweine wiegen, das ist eine der Aufgaben, die sieben junge Männer und eine junge Frau an diesem Vormittag auf dem Hof von Landwirtschaftsmeister Clemens Schmittfull in Egenhausen zu erledigen haben. "Wenn die Schweine zu schwer sind, gibt es Abzüge beim Verkauf an den Schlachthof", ergänzt Schmittfull und klärt die Azubis über Entwicklung und Renditen am Schweinefleischmarkt auf. Die acht jungen Leute sind Teil des Berufsgrundschuljahres (BGJ) Landwirtschaft am beruflichen Bildungszentrum Alfons Goppel in Schweinfurt. Alle haben ein Ziel, sie wollen Landwirt werden.
Zwischen 16 und 19 Jahre sind sie alt, vom Quali bis zum Abi haben sie unterschiedliche Bildungsabschlüsse in der Tasche, nur knapp die Hälfte wird einmal als Erbe einen Hof übernehmen. Um Landwirt zu werden, braucht es keinen eigenen Hof, erklärt Anne Lutz, Bildungsberaterin Landwirtschaft am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) und Landwirtschaftsschule Schweinfurt. Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Landwirten steige bei sich vergrößernden und spezialisierenden Agrarbetrieben, aber auch in landwirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen und in Beratung und Verwaltung. Rund ein Viertel der künftigen Landwirte sind Frauen – Tendenz steigend. Auch insgesamt steigt die Zahlen der jungen Leute, die Landwirt lernen.
Mensch und Tier, Mensch und Maschine – das gehört alles zusammen
Eine landwirtschaftliche Ausbildung sei Grundlage für den Einstieg in berufsnahe Tätigkeiten wie in der Landschaftspflege oder als Fachkraft für regenerative Energien. Ein Landwirt müsse sich heute nicht nur mit Ackerbau und Viehzucht auskennen, sondern auch technisch versierter Geschäftsmann sein. Einer, der sich mit dem Innenleben seines Maschinenparks genauso auskennt, wie mit den Befindlichkeiten seiner Tiere.
Dass diese praktische Seite nicht zu kurz kommt, dafür sorgt das Berufsgrundschuljahr (BGJ), das neben vier Tagen in der Schule einen Praxistag pro Woche vorsieht. Ein Tag, an dem man auf einem Hof bei einem Landwirtschaftmeister wie Clemens Schmittfull zum Beispiel lernt, wie man Düngemittel- und Futtermittelpläne zusammenstellt oder einen Traktor flott macht, dessen Motor sich ein wenig im winterlichen Kälteschlaf befindet.
Es hat sich viel geändert im Selbstverständnis der Landwirte. Während man mit dem Ausbildungsberuf früher nicht unbedingt im Freundeskreis punkten konnte, kennzeichne die jungen Landwirte heute neues Selbstverständnis, ja sogar Stolz auf diese Ausbildung, hat Clemens Schmittfull festgestellt. "Ich habe keinen Hof daheim, war aber von klein auf beim Nachbarn auf dem Hof", erzählt Lukas Damm. "Mitgemacht, Spaß gehabt, für den Beruf entschieden", erklärt der 17-Jährige seine Motivation. Auch Fritz Oschmann, ebenfalls 17 Jahre alt und auch kein Hoferbe, hat auf einem Aussiedlerhof viel Kindheit verbracht und dort seine Liebe zu Natur und Landwirtschaft entdeckt. Die jungen Nachwuchs-Landwirte schätzen Freiheit und frische Luft, die der Beruf mit sich bringt, und sie haben Visionen. Außerdem: "Landwirtschaft macht einfach Spaß", so Christof Troppmann, der ohne Aussicht auf einen Hof, aber mit Enthusiasmus in den Beruf einsteigt.
Junge Landwirte mit eigenen Ideen, und manchmal hilft ein zweites Standbein
So wie Jakob Schmittfull, der an diesem Tag den eigenen Vater als Ausbilder hat. Der 19-Jährige hat Abitur gemacht, macht nun die Ausbildung und will den elterlichen Hof um neue Facetten bereichern. Schweinemast, Rindermast und Hähnchen sind das Rückgrat des 100 Hektar großen Betriebes. Seine Vision, die jetzt noch zugekauften Eier im hofeigenen Bauernladen bald von eigenen Hennen legen zu lassen. "Ich mache es nicht, weil ich es muss, sondern weil ich es gern mache", so Jakob Schmittfull, der dann die fünfte Generation am Hof wäre. Auch auf Jonas Mützel wartet ein Hof. Kein großer, und vielleicht reicht er nicht, um über die Runden zu kommen. Aber er kann sich vorstellen, einen weiteren Beruf zu erlernen und sich so neben der Landwirtschaft ein zweites Standbein zu schaffen.
Marius Herbig (16) stammt von einem Bio-Betrieb mit Legehennen und ist ein klassischer Hofnachfolger. "Ich bin in der Mitte drin", meint er mit Blick auf ältere und jüngere Schwester, die den Hof nicht fortführen wollen. Dafür hat er seine Leidenschaft für diesen uralten und immer wieder vor neuen Herausforderungen stehenden Beruf entdeckt. Auch Lennard Hass hat keinen Betrieb zu erwarten, aber – "der Apfel fällt nicht weit vom Stamm" – die Landwirtschaft im Blut. "Mein Vater lebt in Russland und ist Landwirt", so Lennard, der schon als Kind bei Bekannten gerne mit aufs Feld ging. Aurelia Böhner hat noch eine Schwester, und es war zuhause nie ein Thema, ob ein Hofnachfolger männlich zu sein hat. "Ich mach's weil ich es gerne mache", antwortet sie selbstbewusst.
Die Ausbildung zum Landwirt ist meistens nur die Basis für berufliche Weiterqualifikation
"Die landwirtschaftliche Ausbildung ist die Basis für Meisterschule oder Studium, nur die Ausbildung ist meist zu wenig." Diese Meinung vertritt nicht nur Anne Lutz vom AELF, sondern auch ihr Assistent Peter Reitz. Auch er hat einen Betrieb übernommen, den Meister gemacht und arbeitet als Projektkraft 30 Stunden in der Woche im AELF – neben der Arbeit auf seinem Hof. Er ist ein Beispiel dafür, wie breit aufgestellt die landwirtschaftlichen Jobmöglichkeiten sind. "Fachkräfte sind gesucht, auch wer keinen Betrieb erbt, hat viele Möglichkeiten", ergänzt Anne Lutz.
Die Anforderungen an die Landwirtschaft, seitens Behörden, Regierung, Gesellschaft oder im Hinblick auf Lebensmittelqualität seien mit den Jahren sehr gestiegen, so Clemens Schmittfull. Im gleichen Maße sei die Ausbildung komplexer geworden. Eine Entwicklung, die auch Joachim Sagstetter, Schulleiter des Alfons-Goppel-Berufsschulzentrums, und BSZ-Fachbereichsleiterin Katharina Hoffmann beobachten, die beide ebenfalls am Praxistag teilnahmen. Auch Landwirte, die sich weiterbilden und dann an der Berufsschule als Lehrer tätig sind, seien gesuchte Fachkräfte, so Sagstetter. Landwirtschaft habe sich verändert, sie sei ein Spagat zwischen Umweltbewusstsein und Wirtschaftlichkeit und ein Beruf mit glänzenden Aussichten, der sein Imageproblem zu den Akten gelegt habe.
Der Schweinfurter Berufsinformationstag SBIT, bei dem man sich über viele Ausbildungsberufe informieren kann, wird ins Netz verlegt. Er findet – kostenfrei und virtuell – am 21. April von 9 bis 12 Uhr statt. Alle angemeldeten Aussteller erhalten die Möglichkeit, sich und ihr Unternehmen virtuell vorzustellen. Teilnehmende Schulen bekommen einen Slot von einer Stunde, um zu gewährleisten, dass junge Leute Fragen stellen können. Auch das Berufliche Schulzentrum, so Joachim Sagstetter, wird teilnehmen, um über seine Möglichkeiten informieren zu können.