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SCHWEINFURT
Den formlosen Farben Halt und Richtung geben
Vor den Werken Heiko Herrmanns fand die Lesung „Das Paradies ist nebenan“ mit Kunsthistorikerin Selima Niggl statt.
Foto: Angelika Silberbach | Vor den Werken Heiko Herrmanns fand die Lesung „Das Paradies ist nebenan“ mit Kunsthistorikerin Selima Niggl statt.
Angelika Silberbach
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:12 Uhr

„Jung, begabt, total pleite“ war Heiko Herrmann mit 20 Jahren, als er beschloss, Maler zu werden. Im Kopf hatte er eine romantische Vorstellung vom Beruf des Malers: „Leinwand, Staffelei, Pfeife rauchend und vor allem schweigend in einem Raum zu sein und zu malen.“ Vor allem schweigen wollte er, der 1953 Geborene. Denn er stottert beim Reden. Trotzdem ist er ein faszinierender Erzähler und reich an Geschichten und Anekdoten.

Kurzweilig und aufschlussreich waren die Lesung „Das Paradies ist nebenan“ von Selima Niggl und der anschließende Rundgang mit Heiko Herrmann durch seine Ausstellung „Verzurrte Welt“ (wir berichteten) im Untergeschoss der Kunsthalle. Groß war der Besucherandrang, es fand sich kein freier Platz mehr. Darüber freute sich nicht nur Museumsleiterin Andrea Brandl.

Kunstwissenschaftlerin Selima Niggl kennt Herrmann von Kindesbeinen an. Sie skizzierte seinen künstlerischen Werdegang und seine Schaffensweise anhand seiner eigenen Texte verflochten mit Zitaten von Künstlern, die für Herrmann bedeutsam waren, wie Heimrad Prem oder Paul Kleinschmidt.

Vor allem Prem habe Herrmann geprägt. Dieser riet ihm ab, Maler zu werden. Doch als er merkte, dass es Herrmann ernst war, fanden sie ein Agreement: Morgens musste Herrmann, der gelernte Glas- und Porzellanmaler, für Prem Keilrahmen aufspannen, Rahmen bauen oder Passepartouts schneiden, nachmittags unterrichtete Prem ihn dafür in Kunstgeschichte und gab ihm praktische Anweisungen. Er lernte in dieser Zeit auch, dass er keine Furcht haben durfte zu irren, zu scheitern oder sich lächerlich zu machen.

Im Laufe seines Künstlerlebens habe sich Herrmann ein „Arsenal an Formen aneignet, die den formlosen Farben Halt und Richtung geben“. Er versuche im Zustand des „wachen Schlafes“ auf der weißen Leinwand Formen und Farbteile „in Fahrt zu bringen“. Er verschiebt, reibt, verkantet sie ineinander „bis ein Eigenleben im Bild entsteht und Schönheit in dem mir fremden Körper des Bildes aufscheint“.

Für ihn fange die Malerei da an, wo die Vorstellung aufhört. Gut, dass die Zuhörer während Niggls Lesung Gemälde von Herrmann vor Augen hatten, wie das großformatige „Göttliche Komödie“. Wichtig sei für Herrmann immer der Austausch mit Gleichgesinnten gewesen. Während des Studiums in München, schloss er sich 1976 der Künstlergruppe „Kollektiv Herzogstraße“ an. Ziel war es, raus aus der Ellenbogengesellschaft zu kommen, frei zu denken und zu diskutieren, gemeinsam etwas Neues zu entwickeln. Künstlergruppen seien unbeeinflussbar und hätten ein politisches Potenzial. „Sie sprengen Gefüge und setzen soziale Fantasien frei.“

Den Plastiken wandte sich Herrmann Anfang 2000 zu. Er suchte neue Materialien, um sich auszudrücken, brauchte neue Impulse, denn „der Künstler, der sich nicht ändert ist tot“.

Springlebendig war die anschließende Führung. Herrmann ging auf zahlreiche Fragen humorvoll ein. Er verriet, wann er sich im Paradies wähnt: „Wenn ich in Museen gehe, Leinwände tackere oder etwas Neues erschaffe.“

Die teils kruden Titel seiner Gemälde und Plastiken hätten keine große Bedeutung: „Ich gebe dem Bild wie auch einem Hund einen Namen.“

Abschließend offenbarte er noch seine Art, Ausstellungen zu besuchen: „Ich renne ins Museum rein, schaue nur die Bilder an, und sage dann, das ist gut oder dieses.“ Die richtig guten Bilder erkenne man auch ohne Text, empfiehlt er.

Noch bis 23. April können Besucher Herrmanns Besichtigungsart in „Verzurrte Welt“ ausprobieren.

Vor den Werken Heiko Herrmanns fand die Lesung „Das Paradies ist nebenan“ mit Kunsthistorikerin Selima Niggl statt.
Foto: Angelika Silberbach | Vor den Werken Heiko Herrmanns fand die Lesung „Das Paradies ist nebenan“ mit Kunsthistorikerin Selima Niggl statt.
Die Führung nach der Lesung hatten hohen Unterhaltungswert. Im Bild Kunsthistorikerin Selima Niggl (links), Museumsleiterin Andrea Brandl und Künstler Heiko Herrmann.
Foto: Angelika Silberbach | Die Führung nach der Lesung hatten hohen Unterhaltungswert. Im Bild Kunsthistorikerin Selima Niggl (links), Museumsleiterin Andrea Brandl und Künstler Heiko Herrmann.
 
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