
Um Punkt zehn Uhr öffnet sich die Tür und die ersten Stammgäste treten ein. Die älteren Herrschaften stehen an einer Vorrichtung direkt am Eingang und nehmen sich den Krug, auf dem ihr Namen steht. In der "Gaststätte zum Weißen Rößl", in der Wolfsgasse, inmitten der Schweinfurter Innenstadt, scheint die Welt etwas stehen geblieben zu sein. Künftig bleibt die Tür des ur-fränkischen Lokals allerdings für immer geschlossen. Inhaber Uwe Speil hat sich nach 45 Jahren Selbstständigkeit in der Gastronomie entschlossen, sich in den Ruhestand zu verabschieden und das Weiße Rößl für immer zu schließen. Am Samstag gehen die letzten Gerichte und Getränke über den Tresen.
Wie einer im Ruhestand wirkt er noch nicht. Der 65-Jährige hat in dieser Woche noch alle Hände voll zu tun. Einschließlich Samstag wird er mit seinem Familienunternehmen seine Gäste noch bewirten. Das "Rößl" stand immer für deutsche Küche, freilich mit fränkischem Einschlag, vom Rahmschnitzel bis zum Fränkischen Sauerbraten mit Blaukraut und Klößen und dem ur-fränkischen Klassiker saurer Lunge und Bohnenkerne mit Dörrfleisch.
Für Wehmut blieb ihm bislang noch gar keine Zeit, erklärt Speil. Der Schritt sei wohlüberlegt. Aus gesundheitlichen Gründen habe er sich dazu entschlossen, das Weiße Rößl, das er 2008 eröffnete, nicht weiterzuführen. Dabei gebe es eigentlich noch eine ganze Reihe von weiteren Gründen, die einem zum Aufhören bewegen könnten als Gastronom, verrät er.
Schwierigkeiten über die Jahre zugenommen
Die Begleiterscheinungen der letzten Jahre seien immer widriger geworden. Angefangen mit Corona, gefolgt von immer neuen Gesetzgebungen, den Steigerung der Kosten, allen voran auch der Energiekosten, und auch dem veränderten Kundenverhalten. Auch der gesellschaftliche Wandel sei in einem Wirtshaus, wie unter einem Brennglas zu beobachten. "Das Miteinander ist nicht mehr so, wie es früher war. Da saßen die Leute zusammen am Tisch und unterhielten sich", findet der Wirt. "Aber ich bin immer noch einer, der die Leute bei mir zusammensetzt."

Mit 19 Jahren hat sich Speil einst selbstständig gemacht. Nach seiner abgeschlossenen Lehre als Koch zog es ihn als ganz junger Mann zum Arbeiten nach Eching bei München. Dort lernte er Irmi kennen, die später seine Frau wurde. Irmi und Uwe wurden zum Dreamteam. Die ganzen 45 Jahre Selbstständigkeit arbeitete das Ehepaar Seite an Seite. "Wir waren 45 Jahre 24 Stunden in der Arbeit und privat zusammen. Das ist bewundernswert, das schaffen andere nicht", sagt Speil heute.
Als in Eching seinerzeit der erste Nachwuchs auf dem Weg war, zog es Speil zurück in die Heimat. Er übernahm ein Lokal in Schweinfurt auf Schenkerbasis und bildete sich parallel weiter. Später führte er über 18 Jahre lang das "Kornmarktstüberl". "Das war die Adresse in Schweinfurt", sagt er rückblickend. Es folgten knapp fünf Jahre im "Fränkischen Hof" in Geldersheim, bevor mit dem Weißen Rößl die letzte Etappe einer gastronomischen Ära, in der Speil fast dreißig Lehrlinge ausbildete, Vorsitzender im Verein Schweinfurter Köche und IHK-Prüfer war, folgte. "Als Gastwirt brauchst du unheimlich viel Eigeninitiative und Herzblut. Ein bisschen musst du dafür geboren sein", blickt er auf seine Schaffenszeit in der Branche, die sich über die Jahrzehnte so sehr gewandelt hat, zurück.
"Wir waren die Letzten, die noch richtige urige Schweinfurter Speisen angeboten haben", sagt Speil, dem es mit Blick auf seine Stammgäste schon leidtut, dass mit seinem Lokal eine echte Institution von der Bildfläche verschwinden wird. "Bei uns ist es Schweinfurterisch zugegangen", sagt er. "Aber irgendwann muss man einen Schlussstrich ziehen."
Gibt es noch Lokalitäten in SW mit original Schweinfurter Küche wo man sich ein "saures Lüngle "bestellen kann?
Na ja, hauptsach Mainstream.
Gut Nacht Schweinfurt!