Die hölzerne Box mit vielen Fächern, darin etliche weiße und bunte Tütchen, soll nur ein Anfang sein. Um als kleine Sämereien-Tauschbörse aufmerksam zu machen auf das große Thema Saatgut. Mit seiner Tauschbox will der Greßthaler Obst- und Gartenbauverein ein Bewusstsein für alte und samenfeste Sorten schaffen und für die Gefahren, die die gängigen Hybridsorten der Agrarkonzerne bergen.
Selbstgeerntete Blumen-, Kräuter- und Gemüsesamen beinhalten die etwa 80 Tütchen, die Dagmar Hofmann aus alten Gartenzeitschriften gefaltet hat. Sie füllen die ausgediente Schublade, die ihr Mann Georg zum Tausch-Kasten aufbereitet und im Verkaufsraum der örtlichen Bäckerei Wolz aufgestellt hat. "Weil hier viele Menschen zusammenkommen und weil wir das Dorfleben unterstützen wollen", formuliert es Bettina Wolz.
Wer Interesse am Gärteln hat, kann aus der Box selbst geerntete Samen für den eigenen Garten kostenlos mitnehmen oder aus seiner eigenen Ernte Saatgut für andere Gartenfreunde mitbringen. Außerdem beinhaltet die Box auch "Suche"-und "Biete"-Kärtchen für Stauden oder sonstige Pflanzen. Eine entsprechende WhatsApp-Gruppe hat sich ebenfalls gegründet.
Die Tausch-Idee verwirklichte Georg Hofmann im Spätherbst 2017 gemeinsam mit Martina Vierengel, die wie er Vorstandsmitglied des örtlichen Obst- und Gartenbauvereins ist. Weil beide die Problematik nach der Lektüre des Buches "Wer die Saat hat, hat das Sagen" von Anja Banzhaf nicht mehr losgelassen hat. "Das ist der Wahnsinn", meint der 56-jährige Hobbygärtner.
Zwischen handelsüblichem Hybridsamen und samenfesten Sorten unterscheiden
Man müsse bei Saatgut unterscheiden nach handelsüblichem Hybridsamen und samenfesten Sorten. Hybridpflanzen entstehen aus der Kreuzung von Inzucht-Elternlinien, wobei die gewünschten Eigenschaften, etwa hoher Ertrag, gleichmäßig abreifender Pflanzenbestand oder guter Geschmack, herausgearbeitet werden. Das Ergebnis ist eine Tochter- oder Filialgeneration F1, die genau diese gewünschten Charakteristiken hervorbringt. Aber bei einer Weitervermehrung in der zweiten Tochtergeneration F2 verlieren sich die herangezüchteten Eigenschaften wieder. Hybride sind also nicht sortenecht, sondern quasi Einwegpflanzen.
"Die Landwirte oder Gärtner müssen also jedes Jahr ihre Samen teuer neu kaufen", wenn sie eine beständige Qualität erzielen wollen, erklärt Georg Hofmann. Was sie wiederum abhängig macht von wenigen riesigen Konzernen wie Bayer/Monsanto, Dupont und Syngenta, die den Saatgut-Markt kontrollieren. Und die die passenden Dünge- und Pflanzenschutzmittel vertreiben, "ein Riesengeschäft", so Hofmann. In Deutschland und Europa haben Hybridsorten bei vielen Obst- und Gemüsearten einen Marktanteil von über 90 Prozent, zum Beispiel bei Mais, Zuckerrüben, Tomaten, Zwiebeln und verschiedenen Kohlsorten.
Altes Anbau-Wissen ist noch vorhanden
Georg Hofmann ist überzeugt, dass nicht viele Menschen diese Unterscheidung von Hybrid- und samenfesten Sorten kennen. Umso mehr soll die Tauschbox das Augenmerk auf eine Selbstvermehrung der alten Sorten lenken. "Wir merken inzwischen, dass etliche Leute hier im Ort ihre Blumen- oder Kräutersamen seit langem selbst ziehen", freut sich Hobbygärtnerin Martina Vierengel. Altes Anbau-Wissen sei also durchaus noch vorhanden.
Der rührige, 110 Mitglieder zählende Obst- und Gartenbauverein hat zudem in einer gemeinsamen Bestellaktion samenfeste Sorten geordert. "Im Baumarkt werden in der Regel ja nur Hybride angeboten", weiß Hofmann. Eine Kennzeichnungspflicht der Hersteller gebe es aber nicht mehr.
Wenn auf den Samentütchen in der Greßthaler Tauschbox neben Lauch, Tomaten, Schnittknoblauch, Gelbe Rüben, Jungfer im Grünen, Ringelblumen oder Tagetes auch Namen wie Bittermelone oder Waldrebe auftauchen, weckt das bei den Hobbygärtner die Experimentierfreude. "Ich werde heuer mal probieren, Alpenveilchen auszusäen", freut sich Hofmann auf eine Saatgut-Spende. Für ihn ist ein weiterer wichtiger Aspekt, über den Gartenzaun hinweg mit den Ortsbewohnern ins Gespräch zu kommen.
Um auch die Kinder mit dem Thema Saatgut vertraut zu machen, sollen im neuen Mitmachgarten des OGV im Frühjahr die Sämereien sowie Kartoffeln und Bohnen aus den Früchten ausgesät und gelegt werden, die im vergangenen Jahr erstmals geerntet wurden. Damit auch die Kleinen den Kreislauf von Säen und Ernten kennenlernen.
Tipp: Wer die Vielfalt alter und samenfester Saatgutsorten entdecken will, kann sich am Samstag, 9. Februar, beim Saatgutfestival in der Volkacher Mainschleifenhalleumsehen. Von 11 bis 17 Uhr warten zudem Vorträge und Ausstellungen rund um die Themen Saatgut und biologische Vielfalt.