
"Riecht wie beim Italiener", denke ich mir, als ich das CVJM-Heim in der Schweinfurter Luitpoldstraße betrete. Leckerer Lasagne-Duft schon im Hausflur, und im Esszimmer sitzen sie dann alle am großen Tisch, in dessen Zentrum eine große Auflaufform eben jene Quelle des angenehmen Aromas ist. "Woche gemeinsamen Lebens" nennt sich das Angebot des CVJM (christlicher Verein junger Menschen), das gerade beim Mittagessen angekommen ist.
"Du packst deinen Kram zusammen und ziehst zu uns in eine große WG ins CVJM-Haus in Schweinfurt.Jeder geht morgens zur Arbeit in die Uni oder in die FH, aber danach nicht nach Hause, sondern wieder in die WG. Zusammen wollen wir wohnen, kochen, lernen, lachen, spielen, reden und beten." So stand es in der Einladung, der rund 20 junge CVJMler gefolgt sind. Schon beim Mittagessen ist zu spüren, das hier Gemeinschaft auf der Basis christlicher Grundlagen gelebt wird, denn vor dem Essen wird zum Beispiel ein gemeinsames Gebet gesprochen. Und genau darum geht es, berichtet die hauptamtliche CVJM-Jugendsekretärin Annalena Kühne. CVJM, das ist eine fröhliche Gemeinschaft von Christen, mit dem Ziel jungen Menschen eine Orientierung für ihr Leben anzubieten.
Warum der CVJM irgendwie auch Familiensache ist
Seit 110 Jahren gibt es die CVJM-Familie in Schweinfurt, und genau so lange – seit 1909 – wird das altehrwürdige Haus in der Luitpoldstraße, das dem CVJM gehört, genutzt. Familiensache, das ist der CVJM auch im wahrsten Sinne des Wortes für einige Mitglieder. Einige Teilnehmer der "Woche gemeinsamen Lebens" berichten, dass schon die Eltern dem CVJM nahestanden. Nicht umsonst gibt es auch Treffen älterer Mitglieder, die liebevoll "Rentnerclub" genannt werden.

Die weltweite Version davon, der YMCA, besteht heuer seit 175 Jahren. Gemeinsam mit zehn weiteren Männern hatte George Williams am 6. Juni 1844 den ersten YMCA in London gegründet. 175 Jahre später ist der YMCA die weltweit größte christlich-ökumenische Jugendorganisation mit weit mehr als 50 Millionen Mitgliedern in 119 Ländern. Das erklärte Ziel seinerzeit war jungen Männern, die im Zuge der Industrialisierung vom Land in die Großstadt zogen, so eine Art Glaubens- und Lebensorientierung zu bieten. Nicht nur deshalb stand das M seinerzeit noch für Männer, mittlerweile steht es längst für Menschen.
Aus dem Männerverein ist ein Verein geworden in dem ohne Frauen nichts geht
Gemeinschaft leben, das tut auch jungen Frauen gut, deshalb wurde auch in Deutschland schon in den 1970er-Jahren der CVJM zum "Christlichen Verein Junger Menschen“. In der Verwaltung sind die Frauen heute schon in der Überzahl, wie sich zum Beispiel am Leitungsteam der "Woche gemeinsamen Lebens" zeigt. Neben Annalena Kühne besteht dies aus Maria Fey, die ein Freiwilliges soziales Jahr (FSJ) beim CVJM leistet, und aus Johanna Büchner, die sich als "Bufdi" zur Verfügung stellt. Weltweit entstanden, anders als in Deutschland, übrigens neben den „Männervereinen“ auch reine „Frauenvereine“, die sich YWCA nennen. Die jungen CVJMler, das sind heute wie im richtigen Leben auch, ungefähr je zur Hälfte junge Männer und Frauen.
Mittlerweile ist das Mittagessen abgeräumt, das ganz normale Alltagsleben – hier aber in lebendiger Gemeinschaft – geht weiter. Spülen, kochen, putzen, auch das gehört zum gemeinsamen Leben. Zunächst aber stehen Hausaufgaben an, bei denen man sich gerne auch gegenseitig unterstützt. Wer fertig ist, hat sich schon in der Lounge eingefunden. Ein großer Gemeinschaftsraum in dem Haus, das vor 110 Jahren noch ein Gasthaus war, in dem chillen, lesen, quatschen oder Musik machen angesagt ist. Wenn der Februar einen auf Mai macht, wie dies heuer der Fall war, dann wird auch schon mal im Innenhof der Grill angeworfen.
Teamplay: Warum Hockey hoch im Kurs steht
Für Körper, Geist und Seele steht das CVJM-Dreieck. Und das tut es nicht von ungefähr, denn beim CVJM wird auch viel Sport getrieben, vor allem Hockey steht hoch im Kurs. Floorball nennt sich die bevorzugte Version, berichtet Julia Gößmann. Dabei geht es nicht ganz so hart zur Sache wie beim Feldhockey. "Klar geben wir alles, klar wollen wir gewinnen", so Julia, aber in erster Linie geht es um den Spaß an der Sache. Da kann man sich auch über einen 7. Platz so richtig freuen, wie er im November 2018 vom Schweinfurter CVJM-Hockeyteam bei einem großen Turnier in Kassel geholt wurde.
Erst Ende Februar gab es einen Sporttag für Bewegungsbegeisterte jeden Alters in der Turnhalle der Wilhelm-Sattler-Realschule. Bei solchen Gelegenheiten ist es gut möglich, dass man auf Pepe trifft. Pepe, das ist ein Papagei, und als solcher ist er das neue CVJM-Maskottchen. Kein echter Vogel versteht sich, sondern ein hübsches Kostüm, in das sich inzwischen Maria Fey geworfen hat. Pepe war schon beim Junior Hockey dabei und ist gern gesehener Gast in den Gruppen. Ein bunter Vogel, der übrigens immer bekannter wird, denn er hat schon seinen eigenen Instagram-Account, wovon man sich unter cvjm_pepeüberzeugen kann.
Und was gibt es sonst noch beim CVJM in Schweinfurt? Turniere, Freizeiten, Gruppentreffen oder auch mal einen Bibelgesprächskreis. Aber – und das ist wichtig – der CVJM steht allen offen, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund oder welcher Religion angehörend. "Gute Freunde sind oft viel wertvoller als materielle Schätze oder Geld und Besitz", heißt es in einer Nachbetrachtung zum Jungschartag 2018. Und solche Aussagen sind wohl programmatisch für die Arbeit des CVJM.
Auch "YMCA" kommt mal in den Karaoke-Player
Und was macht man bei der "Woche des gemeinsamen Lebens" am Abend und bevor man sich in seinen Schlafsack rollt. Das kann alles mögliche sein, Hauptsache was gemeinsames, meint Annalena Kühne. Kann durchaus sein, dass "Singstar", so eine Art modernes Karaoke in den Player geworfen wird, und vielleicht ist da ja das bekannte Lied vom "YMCA", das vor Jahrzehnten die "Village People" bekannt gemacht haben. "Auch dazu haben wir schon getanzt und gesungen", so Annalena Kühne. Auch wenn das Lied eine Persiflage ist, zeige es doch, wie unterschiedlich die Leute sind, die beim CVJM zusammenkommen, und wie einfach es ist, miteinander freundschaftlich umzugehen und Spaß zu haben.