Pfarrer Karl Rohrbacher, gebürtiger Berliner, jedoch als Gymnasiast in Schweinfurt heimisch geworden, hatte sich zum 1. Januar 1944 auf die evangelische Pfarrstelle in Sankt Salvator beworben. „Denn er liebte diese Kirche aus seiner Schulzeit in Schweinfurt“, erzählt Christa Weinzierl, profunde Kennerin der Geschichte des kleinen Gotteshauses im Stadtteil Zürch.
Rohrbacher musste aber zunächst noch Seelsorgedienst für Soldaten und Verwundete im Raum Landshut leisten, weshalb er beim Luftangriff am 27. April 1944 nicht in Schweinfurt war. Doch Sankt Salvator wurde dabei vernichtend getroffen. Als Rohrbacher davon erfuhr, setzte er sich auf sein Fahrrad, radelte die rund 300 Kilometer nach Schweinfurt und fand zu seiner Überraschung in den Trümmern von Sankt Salvator den angekohlten, einst silbernen Christus vom Altarkreuz.
„Es war für ihn das Hoffnungszeichen, dass diese Kirche wieder aufgebaut werden und das Leben im Kirchlein weitergehen soll“, schildert das Kirchenvorstandsmitglied Christa Weinzierl. Der Christus hängt nach einer langen Odyssee heute wieder in der Kirche. Und das ist maßgeblich Christa Weinzierl zu verdanken. Um die Geschichte verstehen zu können, gehen wir nochmal zurück ins Jahr 1944. Der Turm war eingestürzt, die Kirche bis auf die Umfassungsmauern ausgebrannt. „Pfarrer Rohrbacher erzählte mir später oft, wie erschütternd der Anblick der weitgehend zerstörten Kirche für ihn war, aber er konnte auch Hoffnungszeichen entdecken“, erinnert sich Christa Weinzierl.
Ein solches war das so genannte Schuttbähnle, das genau an der Salvatorkirche begann. „Die Menschen konnten so den Schutt aus der Kirche direkt in das Bähnle schaufeln, das erleichterte den Abtransport ungemein.“ Im Schutt der Kirche fand Rohrbacher damals außerdem noch die sechs teilweise eingedellten Altarleuchter, aber auch diesen Fund bewertete der Geistliche als Zeichen. Es wurde bald mit dem Wiederaufbau begonnen, alles nach den Plänen des Architekten Olaf Gulbransson. Rohrbacher kannte ihn schon als Schulbub aus dem Religionsunterricht noch zu seiner Zeit als Vikar in Dießen am Ammersee.
Der Pfarrer habe ihr einmal erzählt, berichtet Christa Weinzierl, „dass der Olaf auffiel, weil er im Unterricht immer Skizzen zeichnete und malte“. Rohrbacher sagte Gulbransson damals schon eine große Karriere voraus. Er sollte Recht behalten, wenn der Architekt auch tragisch aus dem Leben schied. Er starb bei einem von ihm nicht verschuldeten Autounfall am 18. Juli 1961 im Alter von gerade mal 45 Jahren. Um noch vor der drohenden Währungsreform im Juni 1948 „ziemlich weit zu sein mit dem Wiederaufbau“, drückte Pfarrer Rohrbacher aufs Tempo.
Sigrid Rohrbacher, die Frau des Pfarrers, gestand einmal ein, dass sie, um Fenstergesimse für die Kirche zu bekommen, bei der zuständigen Firma mit einem Fässchen Wein nachgeholfen habe. Der Rohbau stand tatsächlich rechtzeitig. Um aber das Richtfest trotz der schweren Zeiten – es gab noch Lebensmittelkarten – gebührend feiern zu können, bettelte Pfarrer Rohrbacher mit Erfolg beim Innungs- Obermeister um Fleisch.
Das Festessen sei köstlich gewesen – Gulasch mit Nudeln und Bier von der längst nicht mehr existierenden Brauerei Herzog für alle Arbeiter. Die Christusfigur wurde zunächst an einem schlichten Holzkreuz befestigt und diente von 1951 bis 1958 als Altarkreuz. Als hinter dem Altar ein wertvolles Renaissance- Kruzifix aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg aufgehängt wurde, musste es weichen. Das in der Geschichte der Salvatorkirche so wichtige Relikt geriet in Vergessenheit. Bis 2010. Wegen Feuchtigkeitsschäden war zu der Zeit eine Innenrenovierung als notwendig erachtet worden. Christa Weinzierl regte in diesem Zusammenhang an, den früheren Altarbogen, nachgewiesen auf alten Fotos, wiederherzustellen.
Und sie rief den einst von Rohrbacher „ausgegrabenen“ Christus in Erinnerung, den sie zufällig im Turm entdeckt hatte. Die Kirchengremien befürworteten die Vorschläge. Der Altarbogen ist wiederhergestellt. Die Künstlerin Elke Kompe befestigte den Korpus an einem 800 Jahre alten Moorholz. Als „Zeitzeugnis“ wurde er hinter dem Taufstein aufgehängt, bewusst nicht gereinigt oder poliert. „Er soll uns die Brandspuren des Krieges aufzeigen“, sagt Christa Weinzierl. Nach Rohrbacher, der bis 1965 Pfarrer in Salvator war, ist im Gemeindehaus neben der Kirche ein Saal benannt.
So geht's zur Christusfigur in Sankt Salvator
Die Kirche Sankt Salvator hat ihren Standort in der Frauengasse 1 im Schweinfurter Stadtteil Zürch. Die Christusfigur ist links vom Altarbogen hinter dem Taufstein an der Wand aufgehängt.
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