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Schweinfurt
Wie Cinderella vor tausend Jahren nach Schweinfurt kam
"Schweinfurter Geheimnisse" heißt ein neues Buch mit 50 Geschichten von Insidern aus der Stadt.  Weinprinzessin Christina Schuhmann erzählt die Geschichte des Schuh-Steins an der Peterstirn.
Einmal Cinderella sein: Die ehemalige Schweinfurter Weinprinzessin Christina Schuhmann liebt die Geschichte rund um Judiths Schuh.
Foto: Katja Glatzer | Einmal Cinderella sein: Die ehemalige Schweinfurter Weinprinzessin Christina Schuhmann liebt die Geschichte rund um Judiths Schuh.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:07 Uhr

Zwar hat Schweinfurts erste Weinprinzessin Christina Schuhmann keinen Schuh auf einem Ball verlieren müssen, um ihren Traumprinzen zu finden. Dennoch spielt ein vermisster roter Schuh in ihrem Leben eine faszinierende Rolle. Denn auch Schweinfurt schreibt sein eigenes Cinderella- Märchen, an das noch heute ein steinernes Relikt mit einem Schuh an der Peterstirn erinnert.

Es geht um das Mädchen Judith, das um 1003 als Tochter des Schweinfurter Markgrafen Heinrich, genannt „Hezilo“, und seiner Frau Geberga, einer Adelstochter aus dem Grabfeld, geboren wurde. Der Markgraf, so heißt es in Michael Peters Geschichte Frankens, ging vor allem durch die so genannte Schweinfurter Fehde mit dem deutschen Kaiser Heinrich II. (978-1024) in die Geschichte ein. Seine Tochter Judith indes soll „wunderschön, anmutig und tugendhaft gewesen sein“, erzählt die gebürtige Schweinfurterin Christina Schuhmann.

So habe auch der böhmische Geschichtsschreiber Cosmas, der die volkstümliche Geschichte aufgriff, Judith als „Tochter, welche von einer solchen Schönheit gewesen, daß ihresgleichen damals unter der Sonne nicht zu finden war“, beschrieben. Während Judith vor über 1000 Jahren im Kloster an der Peterstirn aufwuchs, das ihre streng-fromme Großmutter Eila gestiftet hatte, verbindet Christina Schuhmann mit diesem historischen Ort ihre Zeit als Schweinfurts erste Weinprinzessin im Jahr 2012. „Die Peterstirn ist mein absoluter Lieblingsplatz in der Stadt. Hier wächst auf mehreren Hektar Fläche das letzte Überbleibsel des Schweinfurter Weins, im Sommer werden die Weinfeste gefeiert und die Gesellschaft kommt zusammen.“

Von dem Ort gehe eine Magie aus. Besonders fasziniert ist sie – vielleicht auch von Prinzessin zu Prinzessin – von der Geschichte um Judiths Schuh. „Schon als kleines Mädchen haben mich Königsgeschichten brennend interessiert.“ Im Falle von Judith ist historisch dokumentiert, dass sie später Bretislav – den Sohn des böhmischen Herzogs Udalrich – heiratete, böhmische Herzogin wurde und mit ihm fünf Söhne bekam, erzählt Christina Schuhmann.

Relikt an der Peterstirn: Welche Legende verbirgt sich hinter dem steinernen Schuh?
Foto: Katja Glatzer | Relikt an der Peterstirn: Welche Legende verbirgt sich hinter dem steinernen Schuh?

Ob die dramatisch-romantische Geschichte drumherum so ganz der Wahrheit entspricht oder Fakten und Sage verschwimmen, lässt sich schwer sagen. „Ich denke, es ist eine Mischung aus beidem, aber da es Judith wirklich gegeben hat, erscheint die Geschichte sehr lebendig und schön“, meint die junge  Mutter. So sei für die damals wohl erst 13-jährige Judith zwar ein Leben hinter Klostermauern vorgesehen gewesen, „aber das Schicksal wollte es anders“.

„Die Peterstirn ist mein absoluter Lieblingsplatz in der Stadt."
Schweinfurts erste Weinprinzessin Christina Schuhmann.

Denn Bretislav habe von ihrer Schönheit und Anmut gehört, sich unsterblich in sie verliebt und wollte sie zur Frau nehmen. „Und das, obwohl er sie noch nie gesehen hatte“, unterstreicht Schuhmann. Da die Deutschen auf die Böhmen herabsahen, hätte Bretislav aber niemals auf legalem Weg um die Hand Judiths anhalten können. „So tüftelte er einen besonderen Plan aus: Eine Brautentführung“, erzählt die einstige Weinprinzessin die spannende Geschichte weiter.

Er trommelte seine Diener und Knechte zusammen, denen er aber nichts von seinem Plan erzählte, und sie ritten gemeinsam nach Schweinfurt auf die Burg Peterstirn. Im Vorhof des Klosters durften sie rasten. Der Legende nach schaute sich Bretislav auf dem Gelände um und überlegte, wie er Judith am besten entführen könnte. Christina Schuhmann muss schmunzeln angesichts des großen Glücks, das Bretislav dann angeblich zuteil wurde: Denn zufällig sei es der Abend vor einem Feiertag gewesen, die Kirchenglocken läuteten zur Vesper.

„Judith kam mit den anderen Klosterfrauen aus der Klosterzelle heraus und ging mit ihnen in Richtung Kirche. Bretislav sah sie, zerrte sie auf sein Pferd und ritt los.“ Es heißt, dass er mit seinem Schwert noch das starke Mühlseil durchschnitten habe, mit dem das Tor verbunden war, sodass dieses hinter ihnen zufiel. „Bis jemand folgen konnte, waren sie natürlich längst über alle Berge“, ergänzt Christina Schuhmann lächelnd. Und so sei es gekommen, dass die Schweinfurter Prinzessin plötzlich die Herzogin von Böhmen wurde.

Blutige Rache an den zurückgebliebenen Dienern

Mitleid hat Schweinfurts ehemalige Weinprinzessin indes mit den im Hof zurückgebliebenen Dienern. Denn wie es damals üblich war, winkte die Rache und ihnen wurden Nasen und Ohren abgeschnitten. „Dabei konnten sie nun wirklich nichts dafür“, so Schuhmann. Bei der Entführung, so ist es überliefert, ging Judith ein roter Schuh verloren. Dieser wurde im Hof gefunden und sollte per Bote mit der Nachricht zu Kaiser Heinrich II. gebracht werden, dass Judith entführt worden sei. Unterwegs ist jedoch dem Boten der Schuh auf unerklärliche Art und Weise abhanden gekommen. Dies wurde als göttliche Fügung gesehen „und die Verbindung zwischen Judith und dem böhmischen Grafen wohl anerkannt“.

Die Hochzeit Judiths und Bretislavs muss spätestens beim Regierungsantritt in Mähren im Jahre 1029 erfolgt sein. „Ob sie mit ihm allerdings so glücklich wurde, wie Cinderella in ihrem Märchen, ist nicht überliefert“, sagt Christina Schuhmann nachdenklich. Was den roten Schuh angeht, symbolisiert dieser den Wohlstand der Familie Judiths, so beschreibt es Museumspädagogin Friederike Kotouc in einem Artikel der Main-Post. Vermutlich sollte mit der „wildromantischen Geschichte“ verschleiert werden, dass Judith einen Mann heiratete, der unter ihrem Stand schien. Dass vieles Politik war, bekam Judith auch später zu spüren.

Einer ihrer fünf Söhne, Spitihnev, soll sie nach dem Tod des Vaters 1055 aus Böhmen nach Ungarn vertrieben haben. Sie starb dort 1058. Ihr Sohn Vratislav indes, der 1085 zum ersten König von Böhmen gekrönt wurde, ließ die Gebeine seiner Mutter in den Veitsdom nach Prag überführen. Wie dem auch sei: Die Geschichte um Judiths Schuh beflügelte den Schweinfurter Karl Sattler – Sohn des Industriellen Wilhelm Sattler (1784-1859) – Mitte des 19. Jahrhunderts wohl so sehr, dass er über der Brunnenstube an der Peterstirn einen Schuh in Stein meißeln ließ, der auch heute noch dort weilt. Im Höllental unterhalb der Peterstirn liegt außerdem im Gedenken an die schöne Judith die „Judithstraße“.

Was allerdings die Parallele zu dem Märchen Cinderella angeht: Während der Prinz das Aschenputtel fand und der verlorene Schuh wieder zur rechtmäßigen Besitzerin zurückkam, bleibt Judiths Schuh für immer verschwunden. Auch so enden Märchen manchmal.

So geht’s zu Judiths Schuh auf der Peterstirn

Der Weg führt durch das Schweinfurter Höllental zur Peterstirn in die Weinberge hinauf. Nur einige Meter entfernt vom Holztor zur Peterstirn, mit dem Adler darauf, befindet sich die so genannte Brunnenstube, an der Judiths Schuh in Stein gemeißelt ist. Das Gelände an der Peterstirn ist Privatgelände, Judiths Schuh ist allerdings frei zugänglich.

Das Buch „Schweinfurter Geheimnisse“ ist in Kooperation zwischen der Main-Post und dem Bast Medien Verlag erschienen. Das Buch (Hardcover) kostet 19,90 Euro, hat 192 Seiten und ist durchgehend bebildert. Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag: bestellungen@bast-medien.de (versandkostenfrei). ISBN: 978-3-946581-81-9

 
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