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Gerolzhofen
Bürgerprotest gegen Windpark-Pläne bei Gerolzhofen: "Vorhaben soll heimlich durchgedrückt werden"
Gut 40 Anwohner kritisieren eine mangelhafte Information über die Vorgänge im WK 61-Gebiet zwischen Frankenwinheim und Lülsfeld und wollen die Windräder verhindern.
Der Schattenwurf eines Windrades: Solche Beeinträchtigungen durch vier geplante Anlagen unweit von Gerolzhofen sorgen viele Bürger. Sie kritisieren neben der enormen Höhe der Anlagen den aus ihrer Sicht zu geringen Abstand zur Wohnbebauung und die mangelhafte Information zu dem Vorhaben.
Foto: Marcus Brandt (Symbolbild) | Der Schattenwurf eines Windrades: Solche Beeinträchtigungen durch vier geplante Anlagen unweit von Gerolzhofen sorgen viele Bürger.
Stefan Pfister
 |  aktualisiert: 26.08.2024 02:37 Uhr

Überlegungen für einen Windpark zwischen Frankenwinheim, Gerolzhofen und Lülsfeld gibt es schon lange. Im Regionalplan ist das Gebiet "Am Krainberg" seit 2014 als Windkraft-Vorbehaltsgebiet WK 61 festgelegt. Die Planungen sind im Vorjahr konkreter geworden und haben jüngst an Fahrt aufgenommen.

Das liegt daran, dass der Investor sich die benötigten Grundstücke gesichert hat. Davon war nur wenig in die breite Öffentlichkeit gelangt. Bis diese Redaktion im Mai über die Einigung von ABO Wind (jetzt ABO Energy) mit den Eigentümern sowie über die Anzahl der Windräder berichtete.

Bevölkerung aufrütteln und Appell an Lokalpolitik

Das hat einige Bürgerinnen und Bürger aufgeschreckt. Ebenso eine Aussage des Stadtrates Thomas Vizl (Geo-net) im Juli. Er hatte in einer Sitzung zum Baugebiet Am Nützelbach III angemerkt, Bauwillige sollten wissen, dass sie die Anlagen und den Schlagschattenwurf sehen werden.

Daraufhin haben sich rund 40 Gegner zusammengefunden. Sie ärgert vor allem ein Aspekt: "Es kommen vonseiten der Lokalpolitik keinerlei Informationen an die Bevölkerung", heißt es in einem Schreiben. Dieses ging an Bürgermeister Thorsten Wozniak und Mitglieder des Stadtrates.

Verteilt wurde es zudem in Nützelbach I und II sowie in der Berliner Straße, also jenen Stadtgebieten, die von möglichen Auswirkungen betroffen sein könnten: Ihrer Ansicht nach unter anderem durch Schall- oder Schlagschatten, zu nahe Abstände und Wertverlust der Immobilien.

Bei einem Treffen mit der Redaktion äußern sich die Initiatoren des Bürgerprotests. Christina und Gert Drost, Brigitte Herbig, Martin Giedl und Fabian Drescher möchten die Bevölkerung aufrütteln. Viele wüssten von dem Vorhaben anscheinend nichts. 

Vorwurf: Alles laufe heimlich, still und leise

Enttäuscht sind sie auch vom Projektplaner, von dem es keine Informationen gebe. Für sie drängt sich der Eindruck auf: "Das Vorhaben soll heimlich, still und leise und ohne Gegenwind durchgedrückt werden", sagt Fabian Drescher.

Er und seine Mitstreiter fordern eine Informationsveranstaltung, um die Anwohner mitzunehmen. Als Vorbild für eine bessere Informationspolitik dient ihnen das Vorranggebiet WK 19 zwischen Pusselsheim, Grettstadt und Theres.

Rund 40 Bürgerinnen und Bürger aus Gerolzhofen, Frankenwinheim, Lülsfeld und Schallfeld trafen sich Anfang August zu einem ersten Informationsaustausch in Gerolzhofen.
Foto: Jana Herbig | Rund 40 Bürgerinnen und Bürger aus Gerolzhofen, Frankenwinheim, Lülsfeld und Schallfeld trafen sich Anfang August zu einem ersten Informationsaustausch in Gerolzhofen.

Wozniak und die Bürgermeister von Frankenwinheim und Lülsfeld, auf deren Grund das WK 61 liegt und wo vier bis zu 266 Meter hohe Windräder entstehen sollen, äußern sich auf Anfrage. Es sei ein "schwieriges Thema", so fasst es Herbert Fröhlich (Frankenwinheim) zusammen.

Sie teilen übereinstimmend mit, dass ihnen keine konkreten Informationen darüber vorlägen, was der Investor genau plant. Weshalb es auch keinen Sinn mache, eine Veranstaltung auszurichten, so Wozniak. "Über was könnte ich referieren?"

In Lülsfeld ist das Thema laut Thomas Heinrichs in Bürgerversammlungen angesprochen worden. Im Internet habe er bekannte Informationen veröffentlicht. Auch in Frankenwinheim hat man das so gehandhabt. 

Gemeinde soll sich nicht in Privatangelegenheiten einmischen

Alle bedauern das Scheitern eines Flächenpoolings, bei dem die Kommunen mehr Mitsprache gehabt hätten. "Wir wollten gemeinsam mit den Eigentümern den Weg beschreiten. Dann hätten wir mehrere Projektierer ansprechen können, die vielleicht weniger Anlagen gebaut hätten", so Heinrichs. Er habe damals das Gefühl erhalten, dass die Gemeinde sich nicht in "Privatangelegenheiten" einmischen solle.

Dass die Eigentümer nicht auf die Gemeinden zugegangen sind, berichtet auch Fröhlich. Für ihn lag das Scheitern eines Windparks unter kommunaler Führung einzig am Geld. "Ja, logisch", antwortet er auf eine entsprechende Frage.

"Ich habe versucht, mich einzumischen", teilt Bürgermeister Wozniak dazu mit, stellt aber resigniert fest: "Zu einem gewissen Zeitpunkt war ich nicht mehr erwünscht." Er sei dann nicht mehr zu den Veranstaltungen des Investors eingeladen worden.

Bürgerprotest gegen Windpark-Pläne bei Gerolzhofen: 'Vorhaben soll heimlich durchgedrückt werden'

Er, wie auch die anderen Bürgermeister, kann die Sorgen der Bürger verstehen, obwohl er nicht gegen Windkraft ist. Das betonen alle Gesprächspartner, denen aber das Vorgehen des Investors aufstößt. Von diesem ist Wozniak "enttäuscht". Es sei bedenklich, nur auf Gewinnmaximierung aus zu sein, ohne den sozialen Frieden im Blick zu haben.

Die Stadt werde alles versuchen, dass das Vorhaben "nicht ohne Rücksicht auf Verluste verwirklicht wird". Konkret geht es um Nützelbach III. Im Genehmigungsverfahren würde er Bedenken anmelden, wenn die Anlagen zu nahe an die Bebauung heranrückten und es Belästigungen für die Bürger gebe. Die nächste Windkraftanlage (WEA) ist ihm zufolge 800 Meter entfernt.

Die Protestgruppe verweist auf den im Regionalplan vorgegebenen Abstand von 1000 Metern zu einem zentralen Ort, der Gerolzhofen ist. Im Gegensatz zu Frankenwinheim und Lülsfeld, wo nur 800 Meter eingehalten werden müssen, bekommen solche Orte einen Puffer hinzu.

Bürger kündigen juristische Prüfung an

Die 200 Meter sollen laut Regierung von Unterfranken helfen, bereits auf Planungsebene "erkennbare Konflikte mit der Windkraftnutzung erst gar nicht entstehen zu lassen". Orten wie Gerolzhofen würde dieser Puffer eingeräumt, damit sie nicht Wohngebiete ausweisen, die in bestehende Windgebiete hineinwirken. Diese Abstände seien für die Standortortsuche von WEA relevant, Beeinträchtigungen würden jedoch durch Gutachten einzelfallbezogen geprüft.

Der Holzpfosten im Feld markiert den geplanten Standort eines Windrads im Windkraft-Vorbehaltsgebiet WK 61. Im Hintergrund des Bildes, das im Mai entstand, ist das Baugebiet Am Nützelbach II in Gerolzhofen zu sehen.
Foto: Michael Mößlein (Archivbild) | Der Holzpfosten im Feld markiert den geplanten Standort eines Windrads im Windkraft-Vorbehaltsgebiet WK 61. Im Hintergrund des Bildes, das im Mai entstand, ist das Baugebiet Am Nützelbach II in Gerolzhofen zu sehen.

Womöglich schon Anfang 2025 könnte das WK 61 zum Vorranggebiet erklärt werden, in dem der Ausbau ebenfalls ohne Bauleitplanung erfolgen kann. Dies werde im Zuge der Überarbeitung des Regionalplans geprüft, so die Regierung.

ABO Energy äußert sich auf Anfrage nicht zu exakten Abständen, nur dergestalt, dass "die vorgeschriebenen Abstände eingehalten" werden. Einen Genehmigungsantrag hat der Investor noch nicht gestellt; er hofft, diesen bis Jahresende einzureichen. Es fehlten wichtige Gutachten, so die Begründung.

Das Unternehmen informiert, dass man sich "nahezu sämtliche Flächen" gesichert habe. Eine Informationsveranstaltung sei geplant, heißt es weiter. Zeitpunkt? "Wenn wir den Antrag eingereicht haben." Ein Termin wird nicht genannt. Eine Verpflichtung dazu besteht nicht. Das teilt das Landratsamt als Genehmigungsbehörde mit.

Darauf warten will die Protestgruppe nicht. Sie kündigt eine juristische Prüfung an. Man habe einen Anwalt kontaktiert, der sich auf die Verhinderung von Windrädern spezialisiert habe. Dabei gehe es nicht um eine Klage, sondern nur darum, die Genehmigung zu verhindern.

Zeitgleich möchte sich die Bürgerinitiative Frankenwinheim nach zehn Jahren Pause reaktivieren. Das kündigt Charly Ankenbrand an. Damals gab es Unterschriftenaktionen gegen einen Windpark, den die Gemeinde dann ablehnte, was heute so nicht mehr möglich wäre.

 
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  • Erich Spiegel
    Wenn Deutschland gegenüber anderen Ländern wie z.b. China kokurrenzfähig bleiben möchte, dürfen Bürgerproteste notwendige Maßnahmen wie z.b. Bau von Windrädern nicht unnötig hinauszögern. Dafür sind beschleunigte Verwaltungsverfahren und entsprechende Gesetze notwendig. Man kann nicht warten bis auch der letzte Bedenkenträger einverstanden ist. Wenn Projekte mehrheitlich von den Bürgern abgelehnt werden, auch gut. Aber es sollten zügig Entscheidungen getroffen werden. Jahrelange Gerichtsverfahren durch alle Instanzen sind ein Witz und führen dazu, dass der Staat immer mehr handlungsunfähig wird.
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  • Erich Spiegel
    Erschreckend wie langsam Deutschland bei Infrastruktur Projekten ist (Stromtrassen, Windräder, etc.) ist. Schuld daran sind auch die unzähligen Bürgerproteste. Egal um was es geht, irgend jemand ist immer dagegen. Ein Blick über den Tellerrand ins Ausland lässt einen wegen der Hampelei im eigenen Land ratlos zurück. In China wurden für den Bau des 3-Schluchten Staudamms 1,8 Mio. Bürger umgesiedelt. Ja, der Bau war ungerecht, vielleicht unmenschlich, mit Sicherheit undemokratisch. Als Ergebnis aber haben chinesische Firmen günstige Energiekosten. Neben weiteren Faktoren führt das dazu, dass westliche Firmen preislich gegen die chinesische Konkurrenz keine Chance haben. Das Ergebnis sieht man am bundesweitem Abbau von Arbeitsplätzen in der Industrie, auch in Schweinfurt. Auch Platzhirsche wie amazon, Otto, Lidl, Aldi, etc. spüren die chinesische Konkurrenz wie Temu, Aliexpress, etc. Die unterbieten die Preise noch mal um die Hälfte.
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  • Erich Spiegel
    Manche sind nicht bereit auch nur den kleinsten Nachteil zu akzeptieren. Wer beim Anblick eines Windrades" traumatisiert" ist, dem empfehle ich einen längeren Aufenthalt in einem Land der dritten Welt, wo ständig das Stromnetz zusammenbricht und wo dann gar nichts mehr geht. Kein Einkaufen möglich, weil die Kassen und Drehtüren nicht funktionieren. Das Wasser ist abgestellt, kein Internet, Telefon, etc. Nach der Rückkehr wird er kuriert sein. Der Anblick eines Windrades wird ihm ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Er wird sehr froh sein in einem Land mit funktionierender Stromversorgung zu leben.
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  • Gerhard Zwierlein
    traurig ist, dass man mit Schlagschatten plant. Also die direkte negative Beeinflussung durchs Wohnzimmerfenster in Kauf nimmt. Da will man doch nicht wohnen!
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  • Erich Spiegel
    Ärgerlich ist, dass das Flächenpooling nicht funktioniert hat. So hätten mehr Bürger etwas von den Windrädern und nicht ein paar wenige. Die Gemeinden hätten auch mehr Mitspracherecht. Anscheindend wollte sich ABO Wind nicht von Gemeinden drein reden lassen. Die Grundstückseigentümer wurden vermutlich mit viel Geld "überzeugt". Hoffentlich profitieren die betroffenen Bürger wenigstens indirekt von den Windrädern z.b. über Gewerbesteuer Einnahmen der Gemeinden. Grundsätzlich sollte sich jeder im Klaren sein, dass der Strom nicht in der Steckdose erzeugt wird, sondern es neben Photovoltaik und Gas auch Windkraft braucht. Diese Windräder müssen irgendwo stehen. Telefonieren, Strom für den Haushalt und in den Urlaub fliegen möchten auch die Quertreiber und Verhinderer, die gegen alles sind. Einen Telefonmast, ein Windrad oder einen Flughafen vor der Tür möchten sie aber nicht. Wenn jeder das St. Florians Prinzip anwendet führt das ins Chaos.
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