Es geht ein Stück eine Wiese bei Obereuerheim hoch. Rechts thront sichtbar die Autobahnbrücke der A 70. In der Nähe grasen ein paar neugierige Ziegen. Ziel ist ein knorriger Birnbaum. Viele Jahrzehnte alt. Für Birgit Reinhart ist es der ideale Ort, um über ihre Kandidatur für das Bürgermeisteramt in Grettstadt zu sprechen. Am 18. September möchte sie für die Wählergemeinschaft Nachfolgerin des scheidenden Rathauschefs Ewald Vögler werden.
Warum der Birnbaum? Er verkörpert für Reinhart irgendwie als Sinnbild für die Menschen der Gemeinde: stark, stur und voller Lebenswillen - auch wenn der Sturm mal kräftig bläst. Auch der Birnbaum hat schon harte Zeiten durchgemacht: Stahlseile sichern die Äste der Krone. Der Ton sei ruppiger geworden, hat sie analysiert. Was nicht nur an der Pandemie und der daraus erwachsenen Gereiztheit der Zeitgenossinnen und Zeitgenossen liege.
Auch im Zusammenleben der vier Grettstädter Ortsteile liege noch Verbesserungspotenzial. Sie scheut sich auch nicht, das Wort Neid zu benutzen: "Wir müssen doch z'ammhalten." Symbolisch hat sie einen Aufkleber entwickelt, mit den vier Dorfansichten als Herzen, die zusammen ein Kleeblatt ergeben.
In ihrem Wahlprospekt liest sich das so: "Wir benötigen einen gemeinsamen Neuanfang durch aufeinander zugehen, vergeben und versöhnen ... Ehrlichkeit, Würde und Respekt im Umgang miteinander müssen wieder selbstverständlich werden." Für Reinhart sind solche Ansprüche wichtige ethische Pfeiler. Im Gespräch vergleicht sie die Dörfer mit Kindern: "Man muss ihnen geben, was sie brauchen." Bei den Babys braucht's die Windel, bei den Jugendlichen vielleicht die Hausaufgabenbetreuung.
Drehen an den kleinen Stellschrauben
Deswegen kommt im Gespräch oft das Wort "Zuhören" vor. Dies sei Voraussetzung, um das Bürgermeisteramt wirksam auszuführen. Kanal, Schule, Kindergartenneubau – das seien wichtige Projekte, aber eben Pflichtaufgaben. Vielmehr seien es die kleinen Stellschrauben, an denen man drehen müsse, um sich an den Lebenswelten der Menschen zu orientieren. Das ist für Birgit Reinhart dann nicht die Fliesenfarbe im Neubau, sondern die Frage, wie Öffnungszeiten gestaltet werden. Oder Kleinigkeiten bei der Friedhofsgestaltung: wo man Blumenschmuck ablegen darf und wo nicht. Deshalb sei das Zuhören so wichtig.
Klare Vorstellungen von den Sachthemen hat Birgit Reinhart, die seit 2020 im Gemeinderat sitzt: Die wichtigste Frage ist für sie, wie unabhängig Grettstadt bei der Energieversorgung werden kann. Ihr schwebt eine Biogasanlage vor, um Gas selbst ins Netz einzuspeisen. Und Privatleute, die Initiative ergreifen, brauchten Unterstützung. Die Gemeinde dürfe nicht auf Förderrichtlinien warten, sondern müsse selbst aktiv werden, wenn es notwendig ist. Reinhart nennt ein Beispiel: Der Bau der Photovoltaikanlage auf dem Bauhof verzögert sich. Für Reinhart ist das nicht akzeptabel: "Da müssen wir Gas geben."
Reinhart sieht die Zeit für reif
Schon vor Jahren sei sie angesprochen worden, ob sie denn nicht antreten wolle, beschreibt Birgit Reinhart den Werdegang ihrer Kandidatur. Erst sei sie unschlüssig gewesen, dann habe sie sich an den Gedanken mehr und mehr gewöhnt. Im Blick auf andere Gemeinden hat sie festgestellt, dass nicht alle Amtsinhaber aus der Verwaltung stammen. Und auch den Zeitpunkt hält sie für passend: Die Nachfolge des Landwirtschaftsbetriebs, den sie mit ihrem Mann führt, ist für die nächste Generation geregelt: "Da kann man sich auch anderen Dingen öffnen", sagt sie lächelnd.
Und im Birnbaum hat sie sich symbolisch auch selbst gesehen: Am Stamm befindet sich ein kleines Schild, das das Gehölz als Naturdenkmal ausweist. Ursprünglich gehört es da natürlich nicht hin. Doch inzwischen hat sich der Baum dieses Täfelchens bemächtigt und die Rinde ist so kräftig darübergestüplt, das man es wohl nicht wieder entfernen kann. Der gebürtigen Krefelderin gefällt das Bild: Auch sie ist längst festverwurzelter Bestandteil in ihrer neuen Heimat Untereuerheim und Grettstadt.
Frau Birgit Reinhart