zurück
Schwebheim
Briefe an die Redaktion: "Ich bin Waldbesitzer und sehe jeden Tag wie der Wald, auch mein Wald, stirbt"
Dr. Robert Atzmüller
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:12 Uhr

Zum Artikel "Es ist fünf vor zwölf": Was die Branche rund um Holzverarbeitung und Forstwirtschaft in der Region sauer macht, erreichte die Redaktion folgende Zuschrift:

Der Wald wird heute als Allgemeingut verstanden, mit vielfältigen Aufgaben zur Erholung und der Förderung wichtiger Aufgaben des Allgemeinwohls, wie die Stabilisierung von Wasserkreisläufen, die Abmilderung von Temperaturexzessen oder die Reinhaltung der Luft. Daneben wird der Wald mehr und mehr durch die Brille der Nachhaltigkeit gesehen und soll Hoheitsaufgaben erfüllen, wie der langfristige Erhalt der Biodiversität und der Bodenfruchtbarkeit. So hat sich das Bild vom Waldbesitzer stark gewandelt, hinüber zum Waldpfleger. Das ist die Kernbotschaft im Entwurf zum neuen Bundeswaldgesetz, das „dem Grünen“ Cem Özdemir vorschwebt.

Was ist daran falsch zu nennen? Ich bin Waldbesitzer und sehe jeden Tag, wie der Wald, auch mein Wald, stirbt. Die vielen schönen, dicken alten Buchen, denen jetzt die Rinde abplatzt, die von Pilzen aufgefressen werden, die noch im Todeskampf versuchen neues Laub hervorzuzaubern – vergeblich. Aber nicht umsonst. Sie bieten Heimstatt für unzählige Tiere. Die großen Baumleichen spenden Schatten, speichern Wasser und gleichen das Mikroklima aus. Sie zerfallen langsam und ermöglichen Nachkommen ein geschütztes Habitat zum Aufwachsen.

Es siedeln bei mir von selbst andere heimische Arten an, denen es jetzt an diesen Standorten besser gefällt. Langsam zerbricht die alte Welt und sorgt noch in ihrem würdevollen Abtritt für den Umbau meines Waldes zu einer neuen Waldgesellschaft, einer nachhaltigen für eine neue Zeit. Wald als lebendige Gemeinschaft macht das ganz ohne Geld und von sich heraus, denn Wald und die Natur erneuert sich von selbst seit jeher.

Die Schöpfung kämpft an unserer Seite, wenn wir es zulassen. Und sie lässt sich noch lange von uns begleiten, wenn wir auf sie hören, sie walten lassen und versuchen von ihr zu lernen. Das ist die Einsicht, die in dem neuen Bundeswaldgesetz nun endlich Einzug halten soll: Der Wald ist der Ursprung unseres Reichtums und Holz ist eines davon. Zuerst das System Wald gesunden lassen, damit wir seine Früchte, zum Beispiel das Holz, noch lange/wieder ernten können.

„Die sind doch Ideologen, Träumer und verrückte Weltverbesserer, diese grün verseuchten Ökospinner“, möchte ich als Waldbesitzer aus dem Bauch rausbrüllen! Bis mir aber die Worte in meinem dicken, angeschwollenen Halse stecken bleiben. Denn vom Oberstübchen dämmert’s mir schon, dass plattgefahrene offene Forste und viele Rückegassen kein artgerechtes Habitat für zarte Jungpflanzen darstellen, dass wir neben der Chemie unseren „Nützlingen“ im Wald geeignete Räume bieten und überlassen und ihnen ihre Zeit lassen müssen, auch wenn’s uns grad pressiert – oder vor allem eben dann.

Vielleicht sind gerade dort die Ideologen beheimatet, wo kein Widerspruch geduldet werden kann zum jetzt-aber-erst-recht Weiter-so auf der ganzen, großen Fläche und vehement jeden noch so überschaubaren Nationalparkansatz oder wissenschaftlich begleitete Wildnisflächen strikt ablehnen und aufs Schärfste bekämpfen.

Dr. Robert Atzmüller,
97522 Sand am Main

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schwebheim
Cem Özdemir
Forstwirtschaft
Holzverarbeitung
Wald und Waldgebiete
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Stefan Fuchs
    Hr.Dr.Atzmüller, Sie schreiben mir aus der Seele.
    Bin selbst Besitzer einer Streuobstwiese.
    Auch wenn's ein Baum nicht schafft, stehen, oder liegen lassen.
    Neues Leben entsteht, an dem man wieder seine Freude hat.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten