Deal or no Deal, harter Brexit oder doch noch eine Einigung? Das Endlos-Drama rund um den EU-Austritt der Briten zieht sich hin, wird immer wieder um für unmöglich gehaltene Wendungen bereichert – Ausgang nach wie vor ungewiss. Im britischen Unterhaus ändern sich beinahe stündlich die Bedingungen.
Wie auch immer der EU-Abschied des Vereinigten Königsreiches am Ende des Tages aussehen wird, beim Hauptzollamt in Schweinfurt sieht man sich gut auf alle Eventualitäten vorbereitet. "Mit Deal, also Austrittsabkommen, wäre alles einfacher, weil man dann bis Ende 2020 eine Übergangsphase hätte, in der die Briten in der Zollunion bleiben und in der man Details regeln könnte", so Franziska Schubert, stellvertretende Leiterin des Hauptzollamtes in der Brückenstraße.
Zu regeln gäbe es auch mit Austrittsabkommen einiges, denn niemand hat Erfahrungen damit, worauf man sich im Detail alles Einstellen muss, wenn ein wichtiger Handelspartner wie Großbritannien die EU verlässt. Der entscheidende Unterschied aber wäre, dass in der Übergangsphase keine Zollabgaben erhoben würden und Güter aus dem Königreich (UK) weiter als EU-Waren gelten. Zeit also um an den Feinheiten des Austrittsabkommens zu feilen.
Ein Austrittsabkommen brächte allen Beteiligten mehr Zeit
"Der Austritt mit Deal brächte den Vorteil, dass man Zeit gewinnt, um sich zu sortieren", so Kati Kregel, die am Hauptzollamt in Schweinfurt für das Fachgebiet Zölle "Grenzüberschreitender Warenverkehr" zuständig ist. Bis zum Abschluss und zum Inkrafttreten des Austrittsabkommens Ende nächsten Jahres hätten die Mittelständler und Handwerksbetriebe der Region mehr Zeit, sich auf verändernde Handelsbedingungen mit dem UK einzustellen. Und tatsächlich gibt es in der Region vom Kleinbetrieb bis hin zur Großindustrie reichlich Handelsbeziehungen zu den britischen Nachbarn, auch "wenn wir in der Region deutlich mehr nach England exportieren, als wir im Gegenzug importieren", so Franziska Schubert.
Der "worst case", also der schlimmste Fall, wäre bekanntlich der sogenannte harte Brexit, der dann immer wahrscheinlicher wird, wenn es Theresa May, falls sie sich überhaupt im Amt halten kann, in dieser Woche, aber spätestens bis zum 12. April, nicht gelingt, im britischen Parlament eine Mehrheit für das Austrittsabkommen zu begeistern oder sonst einen tragfähigen "Plan B" aus dem Hut zu zaubern. "Dann wäre Großbritannien zolltechnisch gesehen von heute auf morgen ein Drittland wie zum Beispiel der Senegal", so Tanja Manger, Pressesprecherin am Hauptzollamt in Schweinfurt.
Alle Waren die aus dem Königreich kommen oder dort hin geliefert werden, unterlägen dann ab sofort der Zollabfertigung. Das heißt in der Praxis: Handelsgüter müssen beim Zoll angemeldet und ordentlich ausgeführt werden. Der Empfänger muss erklären, um welche Güter es sich handelt und wofür sie gebraucht werden und sie dann in sein Land einführen. Das bedeutet nicht nur enormen bürokratischen Mehraufwand und intensivierte Kontrollen, sondern kann auch zu Zollabgaben führen, die es so bisher nicht gab.
Größere Unternehmen sind meist besser vorbereitet
Für größere Betriebe und Mittelständler, die schon mit Drittländern Handelsbeziehungen pflegen ist das aber kein so großes Problem,ist sich Franziska Schubert sicher. Die würden dann eben Großbritannien den Drittländern, mit denen sie bereits wirtschaftliche Verbindungen haben, China ist auch ein solches, hinzufügen. Die nötige Software, zum Beispiel für die Anmeldung der Waren beim Zoll, und das personelle Know-How, sei zumeist in solchen Betrieben meist schon vorhanden.
Schwieriger könnte es für kleinere Betriebe werden, die bisher noch wenig zolltechnische Erfahrungen im Umgang mit Drittländern haben und die sozusagen von heute auf morgen das UK in diese für sie neue Schublade einsortieren müssten. Bei Betrieben aller Größenordnungen gibt es aber auch Überlegungen die darauf abzielen, die benötigten Güter, wie zum Beispiel Maschinenteile, aus Ländern mit weniger Handelshürden zu beziehen. Auch dies ist keine gute Nachricht für die britische Wirtschaft.
Auf den "worst case" vorbereitet
Beim Hauptzollamt in Schweinfurt blickt man dem Szenario eines harten Brexit relativ gelassen entgegen. Firmen, die nicht wissen was in diesem Fall auf sie zukommt, biete man gerne Hilfestellung an und man hat auch schon im Rahmen von Informationsveranstaltungen der IHK Betriebe unterstützt. Personell und organisatorisch hat man sich ohnehin sicherheitshalber auf den "worst case" eingestellt und weiß, dass dieser mit mehr Aufwand an Zeit und Personal verbunden wäre.
Knüppeldick käme es mit dem harten Brexit in erster Linie für die Briten selber, denn "die hätten dann über Nacht 27 Drittländer". "Die Engländer müssen dann selbst herausfinden, wie sie ihre Ausfuhr gestalten", so Tanja Manger. Eine Möglichkeit wäre, die Handelsbedingungen, wie sie vor dem Beitritt des UK zur EU bestanden, zu reaktivieren. Wie dies alles in eine Welt globalen Handels passen soll ist mit vielen Fragezeichen versehen.
Viele Herkunftsländer – ein Produkt
Fragezeichen gibt es ohnehin genug, und der Teufel steckt auch beim Brexit im Detail. Viele Handelsgüter stammen nicht aus einem Land, sondern sind ein Sammelsurium unterschiedlichster Herkünfte. Franziska Schubert wählt als Beispiel einen simplen Verbandskasten, wie er in den Autos zu finden ist. Durchaus denkbar, dass die Mullbinden aus Deutschland, das Pflaster aus Frankreich und die Schere aus England stammt. Dieser konstruierte Fall zeigt, wie schnell man ein Konsumgut mit "Drittland-Anteil" hat, mit allen damit verbundenen Handelshemmnissen. Im Zusammenhang mit dem Brexit könnte sich ohnehin – von der irischen Butter bis zum schottischen Whisky – noch so manche Frage auftun.
Kati Kregel rät allen Betrieben, auch wenn sie wie die meisten noch auf ein geregeltes Abkommen hoffen, sich schon einmal vorsorglich ihre Geschäfts- und Lieferwege genau anzuschauen und sich bei Fragen mit dem Hauptzollamt in der Brückenstraße in Verbindung zu setzen. "Inhaltlich sind wir gut vorbereitet, personell bedeutet der Brexit mit Sicherheit zunächst mehr Arbeit", fasst Franziska Schubert zusammen. Einig sind sich alle in der Einschätzung, dass man mit jedem Ausgang recht gut umgehen können wird. "Hauptsache es ist bald vorbei", resümiert Kati Kregel, denn in der Einschätzung sind sich Briten, Deutsche, der Rest der EU und auch der Zoll völlig einig "Das Drama muss ein Ende haben".
Die immerhin aber ist grenzenlos, im Gegensatz zur immer wieder hervorgehobenen "Globalisierung". Die wird es ebensowenig geben wie ein einheitliches Europa.