
Es ist ein bedrucktes Blatt Papier, nicht mehr – und doch ein deutliches Signal, das fast 40 frühere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Landkreis Schweinfurt von sich geben. Sie selbst betiteln den miteinander abgestimmten und über Parteigrenzen hinweg verabschiedeten offenen Brief als "Brandbrief". Ihr an die Menschen im Land gerichteter Appell lautet: "Helft mit, dass unser Stadt- und Dorffrieden nicht von den Rechtsextremisten zerstört wird."
Treffpunkt für letzte redaktionelle Arbeiten am offenen Brief ist bei Emil Heinemann, dem Altbürgermeister von Sennfeld. Seine Großmutter, erzählt der Gastgeber, habe während der Kriegszeit nachts im Dorf handgeschriebene Zettel verteilt. Auf diese Weise brachte sie Wahrheiten, die niemand offen aussprechen durfte, unter ihre Mitmenschen, berichtet Heinemann. "Hätten die Nazis sie erwischt, wäre sie dafür ins KZ gekommen", sagt der einstige Lokalpolitiker.
Er sieht sich deshalb aufgefordert, zusammen mit anderen aktiv zu werden. Denn heute sei dies ungefährlich, sagt Heinemann. In unserem demokratischen Land müsse niemand um sein Leben fürchten, wenn er Meinungen kundtue und sich gegen diejenigen wehre, die eben jene Demokratie zerstören möchten.
Geheimtreffen von Rechtsextremen als Auslöser
Auslöser dafür, sich öffentlich zu äußern, war das im Januar bekannt gewordene Treffen von AfD-Politikern und weiterer rechtsradikaler Kräfte in Potsdam zwei Monate zuvor. Dabei wurde, wie das Medienhaus Correctiv recherchiert hat, unter anderem über Remigration von Millionen von Menschen mit ausländischen Wurzeln gesprochen. Heinemann und andere frühere Bürgermeister beschäftigten sich daraufhin mit dem Parteiprogramm der AfD, das "grausam zu lesen ist", wie Heinemann feststellt.
Der kurzfristig von Evamaria Bräuer, der Frau des Altbürgermeisters von Gerolzhofen, Hartmut Bräuer, verfasste offene Brief ging an alle erreichbaren 45 ehemalige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreis Schweinfurt. 39 meldeten sich zurück, und alle stimmten dem Inhalt zu, berichtet Michael Geck aus Sulzheim, der Vorsitzende des Stammtischs der früheren Bürgermeister, über den die Aktion läuft.
Inhaltlich stellen sich die einstigen Lokalpolitiker auf die Seite Hunderttausender, die seit Wochen gegen Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit auf die Straße gehen. "Deutschland braucht keine Alternative, die die Geister der Vergangenheit beschwört", heißt es in dem Brief mit klarer Adresse Richtung AfD.
Gemeinden sollen für alle eine Heimat sein
Gefährdet sehen die ehemaligen Bürgermeister das in dem seit 1949 existierenden Rechtsstaat gewachsene friedliche Zusammenleben in den Gemeinden. Dieses erlaube "allen eine umfassende persönliche Entwicklung ohne Bevormundung und Gängelung". Auf der verlässlichen Grundlage der Demokratie sei es gelungen, Gemeinden und Städte wachsen und gedeihen zu lassen. "Die Menschen fühlen sich unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Hautfarbe und Nationalität in unserer fränkischen Heimat wohl", schreiben die früheren Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.

Mit Abscheu, so heißt es weiter, würden sich die Verfasser dagegen wenden, "wie mit der Not von Menschen, wie mit völkischem Rassenwahn und wie mit offener Polemik die Axt an die Grundlagen unseres friedlichen Gemeindelebens gelegt wird und so unsere freiheitliche Demokratie zerstört werden soll". Um Neid und Hass Einhalt zu gebieten, müssten deshalb "die Lügner, Verschwörer und Demokratie-Umstürzler" bei jeder Gelegenheit entlarvt werden – ob in Vereinen, auf der Arbeit, am Stammtisch oder im Freundeskreis.
Im Brief verschmelzen Ideen aus mehreren Köpfen
Zur Kerntruppe, die den Brandbrief angestoßen und eigene Ideen beigesteuert hat, zählen Emil Heinemann, dessen Frau Sigrid, Hartmut Bräuer, Michael Geck, Hans Fischer, der frühere Bürgermeister von Schwebheim, mit seiner Frau Martha, Gerhard Eck aus Donnersdorf und Ruth Hanna Gube aus Geldersheim. Daneben wirkten Gustav Tietze und, als Vertreter der Kirchen, Monsignore Matthias Türk mit.
Der offene Brief soll durch Mitwirken der amtierenden Bürgermeister über die Amtsblätter der Gemeinden möglichst alle Menschen im Landkreis Schweinfurt erreichen. Dass es damit allein nicht getan ist, wissen die Verantwortlichen. Doch in Zeiten, in denen die AfD laut Prognosen kurz davor steht, in Regierungsverantwortung zu gelangen, müsste jede noch so kleine Chance, diese Partei zu bremsen, genutzt werden, meint Hartmut Bräuer. Es gehe darum, den Menschen im Land immer wieder mögliche Auswirkungen einer rechtsextrem gefärbten Regierung aufzuzeigen und auf deren Mitläuferinnen und Mitläufer einzuwirken.
Gerhard Eck schlägt vor, vor der Europawahl am 9. Juni das AfD-Wahlprogramm "abzuklopfen". Dann könnten sie als ehemalige Bürgermeister erneut überparteilich mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit treten.
im Brandbrief lese ich folgende Passage: „Entlarven wir deshalb die Lügner, Verschwörer und Demokratie Umstürzler bei jeder Gelegenheit. Ob in Vereinen, auf der Arbeit, beim Stammtisch oder auch manchmal im Freundeskreis…“. Da läuft es doch einem kalt den Rücken herunter. Ähnliche Aufforderung zu Verleumdung und Meldung anderer und zur Hetze auf Mitbürger finde ich auch in Julius Streichers „Stürmer“ oder in anderen Nazi-Blättern. Wollen die Alt-Bürgermeister das? Oder sollten sie nicht besser mit Andersdenkenden fair umgehen und über abweichende Einstellungen diskutieren?
Das ist eine Behauptung, die man so nicht stehen lassen kann. Ämter und Behörden machen den Menschen das Leben schwer, Vorurteile und Klischees sind - auch und insbesondere im bayerischen Rechtsstaat - weit verbreitet. Menschen werden nicht erst seit dem Aufkommen der AfD ausgegrenzt.....diese ist nur eine Folge der Entwicklung, die die CSU geschaffen hat, deren Funktionäre sich anhaltend als die "Härtesten" inszenieren, wenn es darum geht, GEGEN Menschen vorzugehen.
Man kapiert offenbar nicht, wohin das führt oder es ist diesen "Machern" egal.
Zu diesem "Brandbrief" insgesamt: das sind Selbstverständlichkeiten! Es ist bedauerlich, dass man dies überhaupt (wieder) klarstellen muss.
Ihr letzter Satz impliziert, dass Sie mehr oder weniger der Ansicht sind, "der Rechtsstaat" sei sakrosankt, mache keine Fehler und Kritik an dort Handelnden sei "Majestätsbeleidigung" und mit der Meinungsfreiheit nicht vereinbar. Das ist eben so und ist letztlich auch egal....
Dennoch empfehle ich Ihnen einmal als Lektüre den Artikel "Es gilt: die Schuldvermutung" von Hans Holzhaider, Süddeutsche Zeitung, ganz aktuell 01.03.2024.
Man kann in Bayern sogar 13 Jahre inhaftiert werden ohne selbst einen Fehler zu machen.
"Die Menschen fühlen sich unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Hautfarbe und Nationalität in unserer fränkischen Heimat wohl"
Wer sich kritisiert fühlt, wird dies wohl zurecht tun.
Doch alle in einem Sack und draufhauen!
Ich zitiere:
„Das ist eine Behauptung, die man so nicht stehen lassen kann. Ämter und Behörden machen den Menschen das Leben schwer, Vorurteile und Klischees sind - auch und insbesondere im bayerischen Rechtsstaat - weit verbreitet. Menschen werden nicht erst seit dem Aufkommen der AfD ausgegrenzt.....diese ist nur eine Folge der Entwicklung, die die CSU geschaffen hat, deren Funktionäre sich anhaltend als die "Härtesten" inszenieren, wenn es darum geht, GEGEN Menschen vorzugehen.
Man kapiert offenbar nicht, wohin das führt oder es ist diesen "Machern" egal.“
"Martin Deeg (ID: 7a603f) - vor 14 Stunden
Ich wurde noch nie als "Nazi" beschimpft.
Das scheint dann doch ein sehr spezifisches "Problem" zu sein."
Wer wie ich in einem Unrechtstaat mit Willkür und ohne demokratische Freiheit aufwachsen musste, kann den Unterschied zu unserem Rechtstaat und zur Demokratie gut einschätzen. Zwischen Kritik und dem Angriff auf die Rechtsordnung kann man dann auch unterscheiden.
Wurden familiäre Bindungen zerstört, um Sie zu maßregeln?
Hat man versucht Sie zu pathologisieren, um Sie sozial zu vernichten und dauerhaft wegzusperren?
Dafür braucht es keinen „Unrechtsstaat“ wie die DDR, so etwas geht auch mit den Mitteln des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates.
Gerade um diese Rechtsordnung in der Bundesrepublik zu verteidigen, muss man darauf hinweisen und ist aufzuklären, wenn diese durch die dort Handelnden und Verantwortungsträger missbraucht oder überspannt wird, um persönliche, parteipolitische oder ideologische Interessen durchzusetzen.
Sie haben Möglichkeiten, Urteile juristisch anzufechten, es gibt Möglichkeiten, Fehlurteile publik zu machen.
Vielleicht werden ja im Rechtstaat nicht alle Urteile grundlos gesprochen?
Ich würde sogar behaupten, dass dies auch für einen Unrechtsstaat gilt.
Sie müssen nicht aus Prinzip widersprechen.
Und ja, es gab in Bayern bereits u.a. Wohnungsdurchsuchungen wegen eines Facebook-Likes (!), es braucht also mitunter nicht einmal einen Post.
Und: die Beobachtung durch den Verfassungsschutz aufgrund eines Facebook-Likes (!) war auch schon Thema im Petitionsausschuss des Bayerischen Landtages, das Az. suche ich jetzt nicht raus....
"Wir schaffen das" rief einst eine deutsche Bundeskanzlerin, ohne über die Folgen nachzudenken, und setzte den Anfang für die Spaltung der Menschen in Deutschland und in Europa. Dann kam Corona und ein Bankkaufmann (Spahn) und ein Journalist (Söder) sperrten unsere Kinder weg, während die "Alten" draußen flanierten.
Und warum das alles? Weil sie es (siehe Vorbildung der Politiker) nicht besser wußten.
Wäre ja auch vielleicht nicht so schlimm gewesen. Aber kaum meldeten sich die zu Wort, die es auch nicht besser wußten, wurden sie als Querdenker und Nazis beschimpft. Dies ist bis heute gängige Praxis - hast Du kein Argument, beschimpfst Du den anderen pauschal als "Nazi".
Logisch, dass dadurch die "Rechten" objektiv zunehmen.
Doch anstatt sich mit den Sorgen der Menschen, und auch der Rechten, auseinander zu setzen, rottet man sich zusammen, um Menschen mit anderer Meinung auszugrenzen oder gar zu kriminalisieren.
Kommt mir irgendwie bekannt vor......
Das scheint dann doch ein sehr spezifisches "Problem" zu sein.