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SCHWEINFURT
Blue Moon: Ein Liederabend wäre besser gewesen
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:28 Uhr

Vom Publikum gefeiert, aber als Inszenierung zugleich durchwachsen, geht das? Leider ja. „Blue Moon“, die Hommage auf die Jazz-Ikone Billie Holiday, hatte Schweinfurts Theaterchef Christian Kreppel zur Eröffnung der 51. Spielzeit gewählt. Dem Publikum gefiel's, es gab stehend dargebrachte Ovationen. Wegen Sängerin Sona McDonald und einer spielfreudigen Live-Band – doch das war schon alles, was an diesem Abend feierwürdig war.

Liederabend statt Musical-Versuch
Man kann es drehen und wenden wie man will, es bleibt die Frage: Warum eine musikalische Hommage? Warum nicht nur ein gepflegter Liederabend? Gute Band, gute Sängerin, alles wäre gut gewesen.

Thorsten Fischer und Herbert Schäfer haben 2015 zum 100. Geburtstag der Sängerin in Wien ihre Koproduktion zwischen dem Theater in der Josefstadt und dem Renaissance-Theater Berlin uraufgeführt. Billie Holidays exzessive Vita ist fast eine Blaupause für spätere skandalumwitterte Rock-Stars, allerdings aus traurigeren Umständen heraus. Ihre Liebe zum Jazz, ihre Flucht in die Musik, ihre Hingabe mit Haut und Haaren an das Singen kann man nur verstehen, wenn man ihr unvorstellbares Leid mit einbezieht.

Sie wurde 1915 in Philadelphia als Eleanor Harris geboren, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, wurde mit zehn von ihrem Onkel vergewaltigt, arbeitete mit 13 zusammen mit ihrer Mutter als Hure in einem Bordell in New York City, wurde in einem Jazzclub in Harlem entdeckt und machte dann Karriere, für eine farbige Sängerin in den 1930er und 40er Jahren unvorstellbar. Doch sie ruinierte sich – mit Schnaps, Whiskey, harten Drogen und brutalen Männern.

Was soll der Erzähler?

Die Demütigungen in einer vor allem in den US-Südstaaten von Rassenhass geprägten Gesellschaft haben sich tief in ihre Persönlichkeit eingegraben, spiegeln sich in ihren Songs. Und genau da ist der Haken der Inszenierung: Warum wurde ein Erzähler erfunden, der zwischen den Liedern mehr oder weniger melodramatisch Holidays Vita erzählt?

„Ohne Gefühl kommst du nicht weiter, egal was du machst“, soll Billie Holiday mal gesagt haben. Das Gefühl für das, was den Jazz der 30er Jahre ausmacht und wieso er die Musik der unterdrückten Farbigen ist, wird durch den gewählten Rahmen schlicht zerstört. Zumal Fischer und Schäfer nur zu gerne Klischees erliegen, sowohl bei Bühnengestaltung als auch den Texten, die der arme Nikolaus Okonkwo als Erzähler da von sich geben muss.

Der dramaturgische Nutzen der N-Wort-Tirade gleich zu Beginn des Stückes erschließt sich wie manch andere Szene jedenfalls nicht wirklich.

Die dramaturgischen Mängel der Inszenierung haben zur Folge, dass man sich freut, wenn endlich gesungen wird. Pianist Christian Frank, Herbert Berger (Saxofon und Klarinette), Schlagzeuger Klaus Pérez-Salado und Bassist Andy Mayerl lassen Sona McDonald Raum. Die Königsdisziplin für singende Schauspielerinnen eines gewissen Alters und vor allem Formats ist es, Diven mit Alkohol- und Suchtproblemen und kaputtem Liebesleben zu spielen.

Sona McDonald Idealbesetzung

McDonald, die für ihre Holiday-Interpretation den österreichischen Theaterpreis Nestroy bekam, ist ideal, weil sie der Versuchung widersteht, wie Billie Holiday singen zu wollen. Sie singt wie Sona McDonald und ist deshalb dieser Herausforderung gewachsen, auch wenn das Charakteristikum alter Holiday-Aufnahmen, auf denen man ihr Leiden fast mit Händen greifen kann, fehlt.

Geboten werden Klassiker wie „The Man I Love“, „Summertime“, „Night and Day“ oder „Blue Moon“. Das Titelstück ist die einzige Idee, die wirklich funktioniert: Direkt nach der Inszenierung von Billie Holidays Tod wünscht man dieser Ikone nach so einem leiderfüllten Leben, dass sie in den Himmel kam und dort als Erstes „Blue Moon“ gesungen hat.

Weitere Vorstellungen: Do., 28., Fr., 29., und Sa., 30. September, 19.30 Uhr.
Karten: Tel. (0 97 21) 51 49 55

 
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