zurück
Gerolzhofen
Bischof: Gegen negative Weltsicht und den Verlust der Hoffnung
Bei seinem ersten Besuch in Gerolzhofen hat Bischof Franz Jung mit einer autobiografischen Rede rund 250 Zuhörer in seinen Bann gezogen. Er prangerte die "Gereitzheit" an.
Bei seinem ersten Besuch als Bischof trug sich Franz Jung im Museum Johanniskapelle in das Goldene Buch der Stadt Gerolzhofen ein. Mit im Bild (von links) Museumsleiter Klaus Vogt, Bürgermeister Thorsten Wozniak und Pfarrer Stefan Mai.
Foto: Johannes Vogt | Bei seinem ersten Besuch als Bischof trug sich Franz Jung im Museum Johanniskapelle in das Goldene Buch der Stadt Gerolzhofen ein.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:15 Uhr

Bei seinem ersten Besuch in Gerolzhofen ist der Würzburger Bischof Franz Jung in der Johanniskapelle offiziell von der Stadt empfangen worden. Im Anschluss hielt der Oberhirte in der Stadtpfarrkirche einen beeindruckenden Vortrag, bei dem er den Finger in die Wunde dieser Zeit legte.

Der Bischof kam aus Anlass der Sonderausstellung "Ruhe bitte! Die Stille hat das Wort" in die Steigerwaldstadt. Bei einer kurzen Führung durch Beinhaus, Kapelle und die Ausstellungsräume des ehemaligen Mesnerhauses zeigte sich Jung sowohl von der Konzeption des Museums als auch von der stimmigen Symbiose von Bauwerk und gotischen Kunstwerken beeindruckt. In seinem Grußwort sagte er, das Frankenland besteche durch die Vielzahl seiner historischen Gebäude und Kirchen – und durch den spürbaren Stolz der Einheimischen auf diese Bauwerke als Zeugen der eigenen Geschichte.

Ein Ort der Spiritualität

Ehe sich Bischof Jung in das Goldene Buch der Stadt eintrug, betonte Bürgermeister Thorsten Wozniak das sehr gute und offene Miteinander der beiden Kirchen mit der Stadt. Das städtische Museum in der profanierten Johanniskapelle sei ein Ort der kulturellen Begegnung, der Erwachsenenbildung und der Spiritualität, an dem regelmäßig Ausstellungen mit moderner Kunst veranstaltet werden, die sich auch in ihren Begleitprogrammen durchaus kritisch mit Zeitgeist und Religion auseinandersetzen.

Der Vortrag des Bischofs im Rahmen des Begleitprogramms der Sonderausstellung war wegen des erhofften Publikumsinteresses von der Johanniskapelle in die benachbarte Stadtpfarrkirche verlegt worden. Eine weise Entscheidung. Denn als der Bischof nach dem kurzen Festakt im Museum pünktlich den Steigerwalddom betrat, warteten dort rund 250 Zuhörer auf den Gast aus Würzburg – und damit deutlich mehr, als es sich die Organisatoren erhofft hatten. 

Bischof Franz Jung sprach nach dem Empfang im Steigerwalddom vor rund 250 Zuhörern. Im Hintergrund der Männerchor der Stadtpfarrkirche.
Foto: Johannes Vogt | Bischof Franz Jung sprach nach dem Empfang im Steigerwalddom vor rund 250 Zuhörern. Im Hintergrund der Männerchor der Stadtpfarrkirche.

"Ein schönes Zeichen"

Pfarrer Stefan Mai sagte in seiner Begrüßung, er finde es unserer Zeit angemessen und ein schönes Zeichen, dass ein Bischof zu seinem ersten Besuch in der Kleinstadt Gerolzhofen und Pfarreiengemeinschaft St. Franziskus am Steigerwald nicht zu einem besonderen Jubiläum, nicht zu einem großen Pontifikalgottesdienst, sondern zu einem Vortrag in der Fastenzeit kommt. Von Bischof Jung wisse man, so Mai, dass diesem in all den lauten und turbulenten Zeiten das Thema Stille und Kontemplation sehr am Herzen liege. 

Bischof Jung stellte ein Zitat von Franz von Sales über seinen rund 20-minütigen Vortrag: "Du weißt, dass das Gute keinen Lärm macht und der Lärm nichts Gutes hervorbringt." Zahlreiche Bücher, die kürzlich neu auf den Markt gekommen seien, beschäftigen sich mit der Stille. Ganz offensichtlich gebe es ein großes Bedürfnis nach Stille und Entschleunigung in dieser modern-gehetzten Welt, sagte Jung. Nach persönlichen Erfahrungen mit Schweigen und Stille bei den Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem in Köln habe er die Erfahrung gemacht: "Stille macht süchtig." Seitdem habe er die Stille als hohes Gut im Alltag entdeckt und versuche sie auch mitten im digitalen Zeitalter konsequent zu wahren: kein Radio und keine Musik nebenher hören, kein Facebook, kein Snapchat, kein Instagram.

Schweigen als Seelenhygiene

Schweigen sei Seelenhygiene in unserer Zeit, die Bernhard Pörksen mit "Die große Gereiztheit" charakterisiert habe. Ständig würden neue Anreize auf den Menschen einprasseln, ungefilterte und ungeordnete Informationen, Bilder rund um die Uhr. Man vergesse dabei leicht, was einem persönlich wichtig sei. Dies führe häufig zu einer Reizüberflutung, zu einem Zuviel an nicht verarbeiteter und kontextloser Information und letztlich zur Überforderung. Diese "Gereiztheit" spüre man aber auch in der Wut und der Empörung, wenn wieder einmal jemand in den neuen Medien an den digitalen Pranger gestellt werde.

Und diese "Gereiztheit" nehme mitunter auch das Stadium einer Erkrankung an, wenn Menschen im Internet nur noch Hassreden, Hasskommentare, Mobbing und Pöbeleien absondern. Gereitzheit führe zu innerer Leere und Antriebslosigkeit, Geschwätzigkeit und Depression. Zu fehlendem Engagement, Erschlaffung, Hoffnungslosigkeit.

"Die Konsequenzen daraus sind erheblich", sagte der Bischof. Man beschäftige sich nur noch mit der Kommunikation über etwas, statt mit dem Phänomen selbst. "Die Debatten verselbständigen sich." Hinzu komme die zunehmende Banalisierung und Trivialisierung. "Alles wird nur noch lächerlich gemacht und zur Comedy." Autoritäten würden permanent demontiert und entwertet – dies führe zur Verunsicherung und der Frage nach dem, was eigentlich noch zählt oder wer zählt. "Diskussionen werden nur noch in Blasen und in den Echoräumen der Selbstbestätigung geführt."

Fokussierung auf die Empörung

Die dauernde Fokussierung auf den Skandal, auf die Empörung, auf das Misslingen und die Korruption führe zur einer negativen Weltsicht und zum Verlust der Hoffnung, dass es auch gut werden kann. Auch die Akteure in der Politik seien heutzutage nur noch Getriebene. Für sie sei es kaum mehr möglich, in Ruhe nachzudenken und wirklich nachhaltige Konzepte zu verfolgen, deren Ausarbeitung eben Zeit und Geduld und eine umfassende Sicht der Dinge erfordert.

Was könne man dagegen tun? "Schweigen und gesund werden." Man müsse auch einmal der Stille standhalten und sich so sammeln gegen die dauernde Zerstreuung. Die Stille aber sei nicht selbst das Ziel, sondern die Liebe. Ziel sei es, ein in sich ruhender, liebenswürdiger und liebevoller Mensch zu werden. So könne die bewusst in den Tagesablauf eingeplante innere Sammlung eine erfüllte Zeit der Freude werden.

Für die musikalische Umrahmung sorgte die Männerschola der Stadtpfarrkirche unter der Leitung von Kantor Karl-Heinz Sauer.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gerolzhofen
Klaus Vogt
Antriebslosigkeit und Antriebsschwäche
Bischöfe
Digitaltechnik
Facebook
Fastenzeit
Feier
Franz Jung
Karl Heinz
Karl-Heinz Sauer
Stefan Mai
Städte
Thorsten Wozniak
Weltgeschichtliche Epochen
Wunden
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top