Förster schlagen Holz bei Vollmond, manche Hobbygärtner ernten genau dann ihr Obst – warum also nicht auch Wein in einer Nacht lesen, wenn die Kraft des Mondes auf die Erde angeblich ihre größte Wirkung entwickelt? Garnik Harunyan hat sich von der damit verbundenen Nachtarbeit in seinem Weinberg nicht abschrecken lassen und mit Hilfe seiner Familie und von Freunden vergangene Woche am Mittwoch und Donnerstag, 20. und 21. Oktober, spätabends und bei stürmischem Wetter in seinem Weinberg in der Nähe der Vollburg Trauben per Hand von den Reben geschnitten.
Für den 27-Jährigen ist das Arbeiten nach dem Mondkalender kein Hokuspokus. Er hat sich, wie er im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt, intensiv mit dem Thema beschäftigt. Er hat viel im Internet zur Ernte bei Vollmond recherchiert und sich nach Erfahrungen erkundigt, die badische Winzer damit gemacht haben. Von einem dortigen Winzer hat er erfahren: Wein, dessen Trauben bei Vollmond gelesen wurden, haben mehr Aromen als Wein, der aus "normal" geernteten Trauben entsteht.
Bei Vollmond ist der Energiefluss am höchsten
Dies deckt sich durchaus mit Aussagen von Gärtnern, die den Einfluss, den neben Sonne, Wind und Wasser eben auch der Mond auf das Pflanzenwachstum hat, nutzen, um den besten Zeitpunkt für Saat und Ernte zu bestimmen. Sie glauben daran, dass in der zunehmenden Mondphase der Energiefluss in den Pflanzen steigt und seinen Höhepunkt bei Vollmond erreicht. Die Früchte – im Weinberg die Trauben – haben dann das intensivste Aroma. So die dahinter steckende Logik.
Winzer Harunyan wollte das in diesem Jahr selbst ausprobieren. Er sieht sich durchaus der traditionellen Weinbautradition verbunden, ist aber dennoch gerne bereit, zu experimentieren. Ihm gehe es immer darum, den Geschmack und die Qualität seines Weines weiterzuentwickeln, wie er sagt.
Der gebürtige Armenier ist vor acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland gekommen und stammt ursprünglich aus Bergkarabach, einer Region im Kaukasus mit einer über 6000 Jahre alten Weinbautradition, um die sich Armenien und Aserbaidschan seit vielen Jahren streiten und immer wieder Krieg gegeneinander geführt haben. Als Harunyan im Jahr 2013 zunächst nach Nürnberg und dann nach Würzburg kam, sprach er kein Wort Deutsch. Nach einem Praktikum bei einem Winzer am Main absolvierte der junge Mann eine Ausbildung bei der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim, die er im Sommer 2019 erfolgreich beendet hat. "In Veitshöchheim haben wir während der Ausbildung auch sehr viele Versuche unternommen", sagt er. Vielleicht rührt seine Freude daran, neue Wege zu beschreiten, auch daher.
Weingut befindet sich im Aufbau
Heute arbeitet der 27-Jährige an drei Tagen in der Woche beim Weingut von Manfred Baumann in Handthal. Den Rest der Zeit ist er mit seinen eigenen Weinbergen beschäftigt. Zwischenzeitlich hat er zwei Hektar Weinberge gepachtet, die er bewirtschaftet. In Prüßberg, im Spitalgrund 2, ist er soeben dabei, sein eigenes kleines Weingut aufzubauen, wie er berichtet. Dort wohnt er mittlerweile auch, nachdem er zuvor mit seiner Familie in Würzburg gelebt hatte. Seine Weine vermarktet er unter dem Label "Aroma Aura".
Die bei Vollmond geernteten Trauben sind nach Angaben des Winzers am folgenden Tag gepresst worden und bereits gekeltert. Harunyan erwartet sich davon einen "interessanten Wein mit einem sehr ausdrucksstarken Geschmack". Doch während dieser in Ruhe reifen muss und seine Kunden noch etliche Monate auf den 2021er Vollmond-Wein warten müssen, verkauft der fränkische Winzer mit armenischen Wurzeln bei sich am Hof aktuell einen anderen speziellen "Aroma-Aura"-Wein des vorherigen Jahrgangs. Vor einem Jahr hatte er nämlich neben den klassischen Rebsortenweinen aus Silvaner und Domina einen Naturwein hergestellt, der ohne Reinzuchthefe vergoren wird und der ohne Zugabe von Sulfaten und unfiltriert abgefüllt wurde.
