Sonntag war es auf den Tag genau 475 Jahre her, dass zum ersten Mal in der freien Reichsstadt Schweinfurt ein evangelischer Pfarrer predigte. Es war Magister Johannes Sutellius, der am 11. Juni 1542 eine Zeitenwende einläutete, nachdem sich Schweinfurt damals zur Reformation bekannt hatte. Dieses Jubiläum gebührend mit zu feiern, ließ sich der evangelische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde Schweinfurts nicht nehmen.
Der reiche Mann und der arme Lazarus
Wie im Jahr 1542, als Sutellius in seiner ersten Predigt vor den Schweinfurter Evangelikalen über das Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus aus dem Lukas-Evangelium predigte, stellte auch Bedford-Strohm dies in den Mittelpunkt seiner Predigt. Es sei, so der Landesbischof, „genau der richtige Text, um die zentrale Botschaft der Reformation“ in den Mittelpunkt zu stellen, 500 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers an der Schlosskirche zu Wittenberg, der in diesem Jahr ebenso ausführlich begangen wird.
Der Mann der klaren Worte
Bedford-Strohm ist im öffentlichen Diskurs ein Mann klarer Worte. Wider den Rechtspopulismus, für eine Verständigung der Religionen und vor allem für barmherziges Handeln denjenigen gegenüber, die während der so genannten Flüchtlingskrise vor Kriegen und Elend in ihren Heimatländern nach Deutschland flüchteten. Im vergangenen Jahr hatte der Landesbischof den bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Horst Seehofer scharf kritisiert, als dieser das „Ende der Willkommenskultur“ verkündete, nachdem Bayern und der Bund einen Konflikt über schärfere Grenzkontrollen beigelegt hatten. „Wer zu uns kommt, muss menschenwürdig behandelt werden. Das verstehen wir unter Willkommenskultur“, hatte Bedford-Strohm damals in Richtung Seehofer gesagt und insbesondere auf das vielfältige ehrenamtliche Engagement in der Flüchtlingshilfe von zehntausenden evangelischen und katholischen Christen in Deutschland verwiesen.
Nun, in Schweinfurt spielte die bundesdeutsche Politik explizit keine Rolle in Bedford-Strohms Predigt. Das war gar nicht nötig. Wie die tönenden Pauken und erschallenden Trompeten aus dem Eingangschor mit Bachscher Kantate sollte Bedford-Strohms Interpretation des Lazarus-Gleichnis' jedem Politiker egal welcher Couleur in den Ohren klingeln, der seine politischen Forderungen auf dem Rücken der Schwachen austrägt und gleichzeitig christliche Nächstenliebe propagiert.
In dem Gleichnis im Lukas-Evangelium sitzt der Bettler Lazarus in Lumpen und von Geschwüren am ganzen Körper gezeichnet an der Tür des reichen Mannes, der ein opulentes Festmahl mit seinen Freunden zu sich nimmt. Der Bettler bittet nur um heruntergefallene Reste, während sogar die Straßenhunde schon an seinen Geschwüren lecken. Er wird ignoriert, abgewiesen. Später kommt der reiche Mann entgegen seiner Erwartung nicht in den Himmel, sondern in das Reich der Unterwelt, während Lazarus „in Abrahams Schoß“ gebettet, so der Evangelist Lukas, dem Paradies nahe ist.
Die Bitten des reichen Mannes, Lazarus zu schicken und seine Familie warnen zu dürfen, weist Abraham ab: „Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.“
Von der Not der anderen berührt sein
Bedford-Strohm spann den theologischen Faden ins Heute. Gerade in Deutschland leben wir im Vergleich zu vielen anderen Ländern auf der Welt in purem Luxus und dürfen Dinge wie sauberes Trinkwasser, Essen, Kleidung, medizinische Versorgung als Selbstverständlichkeiten voraussetzen. Es gehe nicht um ein schlechtes Gewissen, so der EKD-Ratsvorsitzende, „Wohlstand per se ist nicht schlecht.“ Vielmehr „geht es um Empathie, darum, den Anderen zu sehen, sich von der Not der Anderen anrühren zu lassen.“
Es ist nicht egal, wie wir leben
In Martin Luthers Manifest „Die Freiheit eines Christenmenschen“ ist nicht die Angst vor der Hölle die Triebfeder des christlichen Handelns. Sondern „die Dankbarkeit für das von Gott erfahrene Gute.“ Es sei, so Bedford-Strohm, „eben nicht egal, wie wir leben.“ Es mache durchaus einen Unterschied, ob man als wohlhabender Mensch Empathie für die aufbringt, die nicht so viel Glück im Leben hatten und ihnen die Hand ausstreckt. In der evangelischen Kirchengemeinde Schweinfurts sei dieses barmherzige Handeln allgegenwärtig, lobte Bedford-Strohm und verwies unter anderem auf die Vesperkirche in St. Johannis, das Engagement in der Flüchtlingshilfe oder auch die Energieberatung für sozial Schwache. 475 Jahre Reformation in Schweinfurt seien sicher ein Grund zu feiern, „mögen sie auch Grundlage für einen neuen Aufbruch sein“, so Bedford-Strohm.