Der Verkauf eines Großteils der Trasse der stillgelegten "Steigerwaldbahn" zwischen Sennfeld und Großlangheim hat – wie zu erwarten - im Lager der Bahnbefürworter große Empörung ausgelöst. Am vergangenen Donnerstag hatte die Immobilien-Abteilung der Deutschen Bahn (DB) auf Anfrage dieser Redaktion mitgeteilt, dass der noch nicht entwidmete Streckenabschnittverkauft wurde. Allerdings nannte die DB Immobilien nicht den Namen des Käufers und auch nicht den vereinbarten Kaufpreis.
Inzwischen wurde bekannt, dass es sich beim Käufer um die Firma Meißner Gleisrückbau aus Dörzbach in Baden-Württemberg handelt. Die Firma ist Spezialist bei der Beseitigung nicht mehr gebrauchter Bahnstrecken und hat bereits zahlreiche Trassen in Deutschland und in europäischen Nachbarländern entfernt.
In Gochsheim war die Firma im Jahr 2011 tätig, nachdem der Gemeinderat unter dem damaligen Bürgermeister Wolfgang Widmaier am 10. Mai 2011 beschlossen hatte, den überflüssig gewordenen Industriegleis-Anschluss ins Industriegebiet Nordwest abbauen zu lassen. Schienen, Schwellen und Weichen wurden ausgebaut. Im damaligen Sitzungsprotokoll lässt sich gut das Geschäftsmodell der Firma Meißner Gleisrückbau herauslesen: "Die Arbeiten wären für die Gemeinde kostenlos, die Firma Meißner besteht einzig auf die alleinige Verwertung des Stahls aus den alten Schienen."
Eine andere Baustelle von Meißner war die alte rund 30 Kilometer lange Trasse der "Sinntalbahn" vom hessischen Jossa bis Wildflecken. Die Firma hat dort ebenfalls die Gleise entfernt und aus der Trasse einen Radweg gemacht. Die anliegenden Gemeinden haben das ehemalige Bahngrundstück auf ihren jeweiligen Gemarkungen nach dem Ende der Bauarbeiten dann von Meißner Gleisrückbau abgekauft.
"Pure Provokation"
Verärgert zeigt sich der Grünen-Abgeordnete Paul Knoblach über den von der Deutschen Bahn betriebenen Verkauf der Eisenbahntrasse der "Steigerwaldbahn". „Dieser Vorgang während des laufenden Entscheidungsprozesses über eine mögliche Reaktivierung ist die pure Provokation“, so Knoblach. Und: „Die Weigerung der CSU und ihres Verkehrsministers Hans Reichart, die Freistellung und den Verkauf der Strecke bis zu einer Analyse der vorliegenden Reaktivierungsstudie zurückzustellen, war ein Affront gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in der Region Schweinfurt/Kitzingen.“
Knoblach ermuntert die Unterstützerinnen und Unterstützer der Streckenreaktivierung, weiter am Ball zu bleiben: „Noch ist nichts verloren. Das klare Foul der Bahn ändert nichts an den rechtlichen Privilegien für die noch nicht entwidmete Strecke. Weiter braucht es für die Sanierung und erneute Inbetriebnahme kein neues Planfeststellungsverfahren und weiter ist ein Rückbau der Gleise nicht gestattet. Ich bleibe optimistisch!“
"Unabhängig von der Politik"
Die Kritik an der CSU kann Anja Weisgerber nicht nachvollziehen. Die CSU-Bundestagsabgeordnete aus Schwebheim betont: „Die Entscheidung über den Verkauf der Bahnstrecke wurde von der Deutschen Bahn unabhängig von der Politik getroffen. Als Bundestagsabgeordnete habe ich auf diesen Prozess keinen direkten Einfluss." Es wäre für alle Beteiligten von Vorteil gewesen, wenn man zunächst die Entscheidung über die Entwidmungsanträge abgewartet hätte, bevor mit dem Verkauf neue – wenn auch noch nicht endgültige – Fakten geschaffen werden. "Dafür habe ich mich in persönlichen Gesprächen in Berlin und auch schriftlich eingesetzt."
Weisgerber weist darauf hin, dass an dem verkauften Abschnitt keine Änderungen wie etwa Abrissarbeiten vorgenommen werden, da die Trasse bislang nicht entwidmet ist. Unabhängig vom Verkauf gelte es nun abzuwarten, ob die Strecke entwidmet wird. Sollte dies nicht der Fall sein, müsse eine Potenzialanalyse der Bayerischen Eisenbahn-Gesellschaft erstellt werden, die aufzeigt, ob ein Bedarf für die Bahnstrecke besteht und ob die Realisierung ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. "Diese Analyse ist unverzichtbar für die Fortführung aller weiteren Überlegungen. Für diesen Weg hat sich auch der Kreistag in seinem Beschluss ausgesprochen.“
Förderverein bot selbst mit
Dietmar Parakenings, der Vorsitzende des Fördervereins Steigerwald-Express, schreibt in einer Stellungnahme: "Der Verkauf der Steigerwaldbahn ist ärgerlich, aber er ist nicht das Aus für eine Reaktivierung, sondern vielmehr ein Ansporn, umso vehementer für den Erhalt der Strecke zu kämpfen." Im Landtag sei bei der Anhörung im Petitionsausschuss im Juli noch von einer Verschiebung von Verkauf und Entscheidung zur Widmung bis Oktober die Rede gewesen, deshalb verwundere ein solch schneller Verkauf schon sehr. "Man könnte fast glauben, dass von politischer Seite Druck erzeugt wurde, um die Strecke schnellstens abzustoßen."
Parakenings bestätigt Informationen dieser Redaktion, wonach der Förderverein selbst als Bieter an der Verkaufsausschreibung beteiligt war. "Durch den Verein und der Reaktivierungsidee nahestehende Personen aus der Region wurden für den Kauf private Mittel zur Verfügung gestellt und es konnte ein stattliches Gebot abgegeben und sogar noch mehrfach erhöht werden. Selbst eine vollständige Rückgabe der Strecke an DB Netz zum erneuten Verkauf, oder die angebotene großzügige Nacherhebung von Veräußerungsgewinnen, sollte die Reaktivierung nicht erfolgreich verlaufen, konnte die DB letztendlich nicht überzeugen."
Der Vereinsvorsitzende abschließend: "Wir hoffen, dass Aufgrund der aktuell sehr wichtigen Themen wie Klimawandel und der dringend notwendigen Verkehrswende von Seiten der Politik, wie beschlossen, eine Potenzialanalyse bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft in Auftrag gegeben wird und die Konsequenzen aus dem Ergebnis gezogen werden. Es gibt gute technische Umsetzungskonzepte für eine moderne Bahn, die von der Politik nur aufgegriffen werden müssten."
"Mit Eigentümer in Kontakt treten"
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD), Kreisverband Mainfranken-Rhön, ist sich sicher, dass der Verkauf nicht das Ende der "Steigerwaldbahn" bedeutet. Dazu der stellvertretende Vorsitzende Christian Loos: "Der Verkauf der Steigerwaldbahn mag ärgerlich sein, aber er ist nicht das Aus für eine Reaktivierung, sondern vielmehr ein Ansporn, umso vehementer für den Erhalt der Strecke zu kämpfen." Die Landratsämter Schweinfurt und Kitzingen sollten jetzt versuchen, mit dem neuen Eigentümer in Kontakt zu treten, um zu eruieren, wie eine Reaktivierung weiter möglich ist. "Tatsache ist, dass eine privat betriebene Eisenbahnlinie eine Alternative zum klassischen Betrieb durch DB Netz darstellt." Dies funktioniere zum Beispiel bei der Mainschleifenbahn (Seligenstadt - Astheim) seit Jahren sehr gut.
Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib (Würzburg) kritisiert den Verkauf der Trasse. „Jetzt ist passiert, was nicht hätte passieren dürfen. In einer entscheidenden Phase für die Reaktivierungsbemühungen schafft die Deutsche Bahn andere Fakten und vollzieht den Verkauf der Gleiswege“, so Halbleib. Genauso schlimm findet Halbleib, dass Verkehrsminister Hans Reichart trotz mehrerer Anträge im Landtag und Briefen des Schweinfurter Landrats Florian Töpper und seiner Kitzinger Landratskollegin Tamara Bischof keine Initiative zur Verhinderung des Verkaufs unternommen habe. Nach Halbleibs Überzeugung sollten alle Möglichkeiten zur Reaktivierung von Bahntrassen genutzt werden. "Im Sinne einer nachhaltigen Verkehrspolitik müssen wir doch die erneute Nutzung von stillgelegten Bahnstrecken zumindest offen prüfen, anstatt dagegen Front zu machen“. Zwar sei eine Reaktivierung aufgrund des rechtlichen Status des Teilstücks als nicht entwidmete Gleisstrecke weiter möglich. Allerdings ist der jetzige Verkauf eine schwere Hypothek für einen weiteren Weg, so der SPD-Abgeordnete abschließend.