Unscheinbarer geht's kaum: Mitten im Wald in der Nähe des Steigerwald-Zentrums in Handthal klaffen zwei Löcher im Boden. Der Grundriss ist rechteckig. Die Löcher sind etwa eineinhalb Meter lang, einen halben Meter breit und rund zwei Meter tief. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben sie am Dienstag mit Hilfe eines Baggers gegraben. Am Abend desselben Tages sollten die Löcher bereits wieder zugeschüttet sein.
Was hinter dem nicht unerheblichen Aufwand steckt, verrät Lucas Alcamo. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Hydrologie und Flussgebietsmanagement an der TUM, den Professor Markus Disse leitet. Der junge Wissenschaftler hält eine verkabelte, nicht einmal Handteller große Sonde in der Hand. Um diese Sonden dreht sich das jetzt im Steigerwald gestartete Forschungsprojekt.
Die Sonden messen über eingebaute Sensoren die umgebende Bodenfeuchte. Dank der beiden Löcher im Waldboden können die insgesamt drei angereisten Mitarbeiter der TUM pro Loch jeweils zehn bis elf Sonden in unterschiedlicher Tiefe einbringen. Hierzu graben sie in eine Seitenwand des Loches zusätzlich – im Abstand von vertikal 20 Zentimetern – kurze, schmale Gänge, in die sie die Sonden passgenau platzieren. So befinden sich diese in möglichst ungestörten Bodenschichten.
Ausmaß der Trockenheit bedroht Bäume
Als Leiter des Versuchs spricht Alcamo von einem "bislang einzigartigen" Projekt, das die TUM zusammen mit der Universität Augsburg als Projektpartner hier durchführt. Eingebunden sind weiter das Steigerwald-Zentrum sowie das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen. Was sie alle an- und umtreibt ist die mit den Hitzesommern 2018 und 2019 einhergehende Trockenheit in den Waldböden, die bis heute anhält. In Nordbayern hat diese aus Sicht der Wissenschaftler ein Ausmaß erreicht, das die Vitalität der Wälder bedroht.
Das Forschungsprojekt bei Handthal ist zunächst auf ein Jahr ausgelegt. Es kostet laut Versuchsleiter Alcamo eine Summe im niedrigen sechsstelligen Bereich, die das Landesamt für Umwelt übernimmt. Das Projekt soll gemeinsam mit hochauflösenden Aufnahmen des Versuchsgeländes entscheidende Daten liefern für ein System, das dazu beiträgt, Dürreperioden in Unterfranken vorherzusagen und zu bewältigen.
Die Bodensonden werden alle 15 Minuten die Feuchtigkeit in den unterschiedlichen Bodenschichten messen. Die Ergebnisse laufen per Fernübertragung in München ein und werden dort ausgewertet. Auf diesem Weg möchten die Forscher herausfinden, ob und wie mikrotopografische Geländemodulationen den Feuchtigkeitsgehalt im Boden positiv beeinflussen können, erläutert Alcamo.
Wie lässt sich Niederschlagswasser zurückhalten?
Allgemeinverständlich übersetzt heißt das: Die Wissenschaftler möchten wissen, ob kleine Veränderungen im Wald dazu beitragen, die Bodenfeuchtigkeit zu steigern. Es geht beispielsweise um die Frage, was die Schaffung von Bodensenken, der künstlich verminderte Abfluss von Gräben oder Anpassungen im Wegebau, also Maßnahmen, die den Abfluss von Niederschlägen verzögern, bringt. Diese sogenannten Kleinrückhalte im Wald, so die Annahme der Wissenschaftler, könnten eine entscheidende Rolle spielen bei der Speicherung von Wasser und der Anreicherung der Bodenfeuchte. Die Wälder könnten damit maßgeblich gestärkt werden, um sie widerstandsfähiger gegenüber Dürren zu machen. Und, nebenbei bemerkt, auch der Hochwasserschutz könnte davon profitieren.
Falls sich die Annahmen bewahrheiten sollte, käme dies einem Paradigmenwechsel gleich. Bislang wurde vielerorts – nicht nur im Wald, sondern auch in der Flur und auf bebauten Flächen – Wert darauf gelegt, Niederschlagswasser möglichst schnell abfließen zu lassen, unter anderem durch Drainagen und Gräben. Künftig, meint Benjamin Schulz, Fachbereichsleiter für Wasserversorgung, Grundwasser und Bodenschutz am Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen, komme es wohl darauf an, Wasser möglichst lange in der Fläche zu halten, damit es an Ort und Stelle versickern kann und dem lokalen Wasserhaushalt zugute kommt.
Die beiden Versuchsstandorte sind so gewählt, dass eine Messstelle auf der Kuppe eines Hangs liegt, wo Oberflächenwasser ungehindert abfließt. Die zweite liegt in einer beidseitig von einer Böschung umgebenen Furche, also in einem Bereich, wo bereits ein gewisser natürlicher Wasserrückhalt vorhanden ist. Die örtlichen Unterschiede lassen einen Vergleich zu, wo mehr Feuchtigkeit im Boden steckt.
Für eine Erholung des Grundwassers braucht es Jahre
Dass die aktuelle Lage im Untergrund verheerend ist, zeigt sich beim Blick in die beiden ausgehobenen Löcher. An beiden Standorten sind von der Oberfläche her betrachtet die ersten rund 40 Zentimeter durchfeuchtet – ein Ergebnis des vergleichsweise niederschlagsreichen Jahres 2021. Doch die darunter liegenden Schichten sind knochentrocken. Erst weit unten tritt wieder Feuchtigkeit auf, oberhalb einer natürlichen Stauschicht aus tonhaltiger Erde. "Die Grundwasserstände sinken seit Jahren", bestätigt Schulz vom Wasserwirtschaftsamt. Mit Blick auf die Niederschlagswerte in der Region spricht er von Bedingungen, die mit denen im mediterranen Nordjordanien vergleichbar seien. Um das Grundwasser aufzufüllen, wären mehrere aufeinander folgende feuchte Periode nötig – ein regenreiches Jahr allein rettet nichts.
Insoweit hofft auch er auf wissenschaftliche Ergebnisse aus dem Steigerwald, die es ermöglichen, am Computer Modelle zu entwickeln, wie ein Gelände effizient so umgestaltet werden kann, dass dort die Bodenfeuchtigkeit steigt. Dazu soll auch ein zweites Ziel des Forschungsprojekts beitragen. Die Projektpartner in Augsburg arbeiten nämlich daran, für die Region Franken Daten zu liefern, die eine saisonale, drei Monate vorausblickende Wettervorhersage ermöglichen.
Auch an den beiden Messstellen im Steigerwald bei Handthal steht jeweils eine kleine Klimastation, die zum Beispiel Niederschlagsmengen und Luftfeuchtigkeit festhält. Zwei junge Mitarbeiter des Steigerwald-Zentrums, die dort ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr absolvieren, werden einmal wöchentlich den Regenmesser kontrollieren. Ansonsten arbeiten die Messstellen autark.