Einige Monate dauerten die weiteren Ausgrabungen am Martin-Luther-Platz, die in Vorbereitung der Baustelle für das Kulturforum und das neue Stadtmuseum notwendig waren. Schon 2016 wurde vor dem aus dem Jahr 1583 stammenden Alten Gymnasium und dem schon 1559 gebauten Stadtschreiberhaus gegraben sowie vor zwei Jahren vor der Alten Reichsvogtei, die 1576/77 entstand.
Nun nahmen Bau- und Kulturausschuss die Baustelle in Augenschein und ließen sich von Ausgrabungsleiter Oliver Specht und Andreas Büttner vom Landesamt für Bodendenkmalpflege die Ergebnisse erläutern. Wenig verwunderlich, ist Einiges zum Vorschein gekommen, denn gerade in diesem Gebiet inmitten der Stadt rund um das älteste noch erhaltene Gebäude, die Johanniskirche, war zu erwarten, dass sich viele Siedlungsspuren finden.
"Es ist das gesamte Kaleidoskop von der Vorgeschichte über das Mittelalter bis zum Garagenbau der Neuzeit", erklärte Oliver Specht schmunzelnd. In der Tat, schon das Abnehmen der Bodenplatte der alten abgerissenen Garagen, die bis an den Martin-Luther-Platz reichten, brachte sofort die ersten Mauern alter Gebäude zum Vorschein sowie eine beeindruckende Brunnenfassung aus der Barockzeit, als an dieser Stelle wohl eine kleine Gartenanlage war.
Im Bereich des Stadtschreiberhauses war neben mittelalterlichen und schwedenzeitlichen Baubefunden vor allem die Aufdeckung eines Ausschnittes aus dem dicht belegten Friedhof um die Johanniskirche bemerkenswert, doch der endete auch dort. Im Innenhof der Reichsvogtei gab es spätmittelalterliche bis neuzeitliche Bebauungsreste. Zu dem Brunnen passend sind auch Strukturen von Kanalleitungen, der Brunnen selbst war wohl ein so genannter Laufbrunnen und hatte in der Barockzeit eine Art Pavillon als Dach, da er in die Gartenanlage eingebunden war.
Im östlichen Bereich des Innenhofes sieht man Mauern von vor dem 2. Stadtverderben, also der fast vollständigen Zerstörung der protestantischen Reichsstadt, über so genannte Brandhorizonte. "Darunter traten zahlreiche Pfostengruben auf, die auf die Existenz einer hoch- bis spätmittelalterlichen Hofhaltung, im Einzelfall auch auf eine vorgeschichtlich metallzeitliche Besiedlung des Hanges verweisen", heißt es in der Erläuterung der Verwaltung. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um den Vorgängerbau der Alten Reichsvogtei, noch von den Wenkheimern gebaut. Insgesamt gab es nun 330 archäologische Befunde, so Oliver Specht.
Wie es nun weitergeht, erläuterte Andreas Büttner. Grundsätzlich ist es so, dass die Stadt für den Neubau des Kulturforums das genaue Niveau, wie tief man gründet, festlegen muss. Entsprechend müssten vielleicht noch tiefere Schichten erforscht werden. Es wird aber nur eine Dokumentation der Funde angefertigt, der Bauherr kann die Gebäudereste abtragen, die Grabung verschließen und darüber bauen. Wenn der Altbau im hinteren Teil des Areals abgerissen wird, an dessen Stelle der Kulturforums-Neubau kommt, wird auch hier noch eine kurze Sondierungsgrabung stattfinden. Baureferent Ralf Brettin erläutert, dass man bei diesem Bau die Besonderheit hat, dass es eine gemeinsame Mauer mit dem nächsten Nachbarn gibt.
Linken-Stadtrat Sinan Öztürk regte in der Sitzung an, zu prüfen, was es kostet, wenn man noch ein wenig tiefer gräbt und die Funde und Dokumentation nutzt, um im neuen Stadtmuseum gerade den für die Stadtentwicklung wichtigen Martin-Luther-Platz näher zu beschreiben. Außerdem stellte die Linken-Fraktion nach der Sitzung einen Antrag an den OB, den gefundenen Brunnen zu erhalten. Der Brunnen solle "so vollständig wie möglich abgetragen, sachgerecht konserviert und entsprechend geschützt eingelagert werden", so die Linken, die auch fordern, nach Möglichkeit weiter in Richtung Brunnensohle aufzugraben.
Die Verwaltung solle ein Konzept zur Integration des Brunnens ins Kulturforum erstellen, der nach Vorstellung der Linken zum Beispiel mit entsprechender Erklärung im Foyer gezeigt werden könnte, um ihn vor weiteren Witterungseinflüssen zu schützen. Die Linken möchten, auch vor dem Hintergrund der Zerstörung der Innenstadt im Zweiten Weltkrieg, "das archäologische Erbe als Quelle gemeinsamer Erinnerung schützen."