
Die Nachricht vom Sturz Assads kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Für viele Syrerinnen und Syrern ist es ein Wendepunkt in ihrem Leben. Und ein Moment, der tiefe Emotionen ausgelöst hat. Erst Schock und Ungläubigkeit, dann Hoffnung und auch Angst. Auch in Unterfranken hoffen Menschen aus Syrien auf Frieden und Freiheit in ihrem Heimatland - und sorgen sich zugleich um das Schicksal der Tausende, die in Assads Gefängnissen verschwunden sind.
Hier berichten acht Syrerinnen und Syrer aus Schweinfurt, wie sie die Nachricht vom Sturz aufgenommen haben und welche Gefühle sie bewegen.
1. Adnan Ajam Oghli (36), Elektroingenieur: "Es ist ein Gefühl, wie neu geboren zu werden"

"Als mein siebenjähriger Sohn ins Zimmer rannte und schrie 'Papa, Papa, das Assad-Regime ist gestürzt', glaubte ich ihm nicht und dachte, er träume. Schließlich war es fünf Uhr morgens. Aber das Schreien ging weiter. Ich ging mit ihm ins Wohnzimmer und da sah ich meine Frau auf dem Boden weinen. "Assad Regime ist gestürzt" stand in Rot auf dem Bildschirm. Ich habe nichts mehr gefühlt oder verstanden, ich war nur wie zementiert vor dem Fernseher. Nach ein, zwei Minuten saß ich auch auf dem Boden und habe geweint. Es ist ein Gefühl, wie neu geboren zu werden. Ich kann es nicht in Worte fassen."
2. Maisa Atasi (32), Softwareingenieurin: "Das Weinen hat mir in dieser Nacht sehr geholfen"

"Ich verbrachte die Nacht mit meiner Mutter vor dem Fernseher, bis sie nach Mitternacht müde wurde und einschlief. Ich konnte nicht schlafen, ich ahnte es, ich fühlte es, oder vielleicht wollte ich es, endlich als Mensch in meinem Heimatland leben zu dürfen. Als die Nachricht bestätigt wurde, empfand ich eine Mischung aus Freude und Trauer, Angst und Hoffnung. Ich konnte meine Gefühle nicht mehr einordnen. Das Weinen hat mir in dieser Nacht sehr geholfen, meine Gefühle zu regulieren".
3. Jamaledden Baschazaki (31), Zweiradmechaniker: "Ich saß im Bett und begann mich zu kneifen"

"Ich schlief, als mein Handy klingelte, mein Freund aus Syrien rief mich an und sagte: Assad ist geflohen, wir sind frei. Ehrlich gesagt dachte ich, ich träume, weil ich das schon einmal geträumt habe. Ich saß im Bett und begann mich zu kneifen, um herauszufinden, ob ich träume oder wach bin und etwas spüre. Das klingt vielleicht komisch, aber es war wirklich so. Ich habe fünf Minuten gebraucht, um zu merken, dass ich nicht schlafe. Die Freude, die ich in diesem Moment empfand, ist unbeschreiblich."
4. Duha Mirjan (50), Lehrerin: "Mir wurde kalt und ich hatte Gänsehaut"

"Als mein Sohn mich weckte und sagte, 'Mama wach auf, das Assad-Regime ist gestürzt', spürte ich meinen Körper nicht mehr, ich zitterte. Mir wurde kalt und ich hatte Gänsehaut. Ich wollte fliegen vor Freude, ich wollte weinen, ich wollte alles machen, ich wusste nicht mehr, was ich wollte. Mit dem Sturz des Assad-Regimes ist eine Mauer zwischen mir und der Freiheit gefallen. Es ist das schönste Gefühl der Welt, frei leben zu können".
5. Raed Aljomah (23), Logistiker: "Ich dachte, das sei eine Falle des Geheimdienstes"

"Um drei Uhr morgens rief mich mein Onkel aus Damaskus an und erzählte mir, dass das Assad-Regime gestürzt sei. Ich dachte, das sei eine Falle des Geheimdienstes, damit ich etwas 'Falsches' sage und meine Familie dafür bestraft wird. Ich legte sofort auf, aber er rief wieder an und ich konnte es wieder nicht glauben, bis ich die Nachricht im Internet und im Fernsehen sah. Ich weinte vor Freude und fühlte mich stolz, weil ich jetzt eine Heimat habe und nicht mehr nur der Flüchtling ohne Heimat bin."
6. Ahmad Almohamad (42), Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde: "Ich hatte Bilder im Kopf"

"Am 8. Dezember wachte ich um vier Uhr in der Früh auf und konnte einfach nicht mehr schlafen. Einfach so, grundlos. Ich habe die Meldung über mein Handy erhalten. Ich war überglücklich. Gleichzeitig war es, als würde mein Leben vor meinem inneren Auge ablaufen. Ich hatte Bilder im Kopf von meinen Freunden auf der Straße, von Gesprächen mit meinen Eltern, ganz viele Erinnerungen. Wie wird das Leben jetzt sein, wenn ich dort hingehe? Das Gefühl, frei zu sein, ist sehr schön."
7. Mohamad Douba (30), Konstruktionsmechaniker: "Stundenlang saß ich auf dem Boden und weinte"

"In dieser Nacht habe ich nicht geschlafen, ich habe nur die Nachrichten im Auge behalten. Als die Nachrichten kamen und ich sie las, konnte ich nichts anderes tun, als zu weinen: Die Folter, die ich im Gefängnis erlebt habe, die Flucht und alles, was ich und das syrische Volk in den vergangenen Jahren erlebt haben, sind nun vorbei. Stundenlang saß ich auf dem Boden und weinte. Erschöpft sind wir am Ziel angekommen, aber wir haben es geschafft, jetzt können wir in Freiheit leben. Es gibt nichts Schöneres."
8. Mohammad Fadi Alallouch (51), Angestellter: "Ich habe wie verrückt geschrien"

"Ein Freund von mir wohnt in der Straße, wo auch eine Residenz von Assad ist. Er hat mich angerufen und gesagt, Assad ist geflohen, hier gibt es gar kein Militär mehr und sein Haus ist offen, jeder kann rein. Ich bin einfach nachts alleine auf die Straße in Schweinfurt gegangen und habe wie verrückt geschrien, um meinen syrischen Nachbarn zu wecken und ihm die Nachricht zu überbringen. Danach habe ich nur noch geweint und geweint. Elf Jahre lang durfte ich meine Eltern, meine Freunde nicht sehen. Viel zu lange habe ich auf diese Nachricht gewartet. Endlich kann ich als Mensch in Würde in meinem Heimatland leben."