Die Bagger sind bereits seit einigen Tagen im Gewerbepark an der A 71 unterwegs. Direkt an der Abfahrt Oerlenbach entsteht ein neues Verteilzentrum für den Versandriesen Amazon. Für den Online-Händler ist das die erste Niederlassung in Unterfranken. Wie das Unternehmen mitteilt, soll das Verteilzentrum voraussichtlich im Sommer 2021 in Betrieb gehen. Nach Baubeginn wird aber auch die Kritik aus Gewerkschaftskreisen lauter.
15-mal so groß wie der Schweinfurter Marktplatz
Wie berichtet, wird Amazon Pächter. Ausgebaut wird das Gelände von Investoren und anderen Firmen. Projeksteuerer ist die Complemus Real Estate GmbH aus Aachen. Er gibt die Größe des Grundstücks in der Projektbeschreibung auf seiner Homepage mit 61 000 Quadratmetern an. Zum Vergleich: In dieses Areal würde der Schweinfurter Marktplatz 15-mal hineinpassen.
Das Gelände gehört zum interkommunalen Gewerbepark der Gemeinden Oerlenbach und Poppenhausen. Poppenhausens Bürgermeister Ludwig Nätscher (CSU) berichtet, dass Amazon auf die Kommunen zugekommen sei. „Das Unternehmen verfeinert seine Logistik“, sagt er. Nätscher ist derzeit turnusmäßig Vorsitzender des Zweckverbandes, der den Gewerbepark verwaltet. 120 Mitarbeiter sollen nach Angaben von Amazon regulär in dem Verteilzentrum arbeiten, dazu kommen 300 Kurierfahrer. In Spitzenzeiten, wie dem Weihnachtsgeschäft, werde mehr Personal benötigt. Nach Nätschers Informationen will das Unternehmen dann bis zu 180 Mitarbeiter im Verteilzentrum und bis zu 500 Kurierfahrer einsetzen.
Jobs Hauptgrund für Zustimmung
„Hier werden eine Menge Arbeitsplätze geschaffen. Das war für uns der Hauptbeweggrund, dem zuzustimmen“, sagt Nätscher. Das sei auch für die Region in einer Zeit wichtig, in der Arbeitsplätze bei den Automobilzulieferern in Schweinfurt bedroht seien. Abgesehen von 20 Jobs im Management liegen die Amazon-Arbeitsplätze überwiegend im Niedriglohnsektor. Hier hakt Frank Firsching, DGB-Geschäftsführer für Unterfranken, ein, auch wenn er es grundsätzlich positiv sieht, dass Arbeitsplätze entstehen. Am Freitag hat er einen offenen Brief an Nätscher geschrieben.
DGB: Sozialstaat gleicht Armutslöhne aus
Er reibt sich an Nätschers Aussage vor dem Gemeinderat, auf Nachfrage habe das Unternehmen versichert, den Mindestlohn "auf den Cent genau" einzuhalten. Also auch keinen Cent mehr zahlen wolle, schlussfolgert Firsching. Dies scheine den Gemeinderat zu beruhigen. Ihn nicht, schreibt Firsching. Bei einem Mindestlohn von 9,50 Euro in der Stunde mache dies etwa einen Bruttolohn von 1567 Euro aus. Für eine Familie zu wenig; sollte der Partner oder die Partnerin nichts dazuverdienen, müsste die Familie mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken. So gleiche der Sozialstaat "Armutslöhne des Konzerns Amazon aus, der im letzten Jahr einen Gewinn von 3,3 Milliarden Dollar ausgewiesen hat".
Negativ sind die Erfahrungen der Gewerkschaften mit dem Handelsriesen. Das US-Unternehmen halte wenig von Mitarbeitermitbestimmung, äußerte Firsching gegenüber dieser Redaktion, und sperre sich gegen die Gründung von Betriebsräten. Beschäftigte und Gewerkschafter kämpften regelmäßig für eine Bezahlung nach Tarif. "Das ist bisher noch nicht gelungen. Amazon sperrt sich gegen Tarifverträge", sagt Firsching. In Unterfranken haben die Gewerkschaften noch keine Erfahrungen mit Amazon. Aufgabe müsse es auch hier sein, bessere Bedingungen für die Belegschaft durchzusetzen.
Hoffen auf "Magnetwirkung"
Steuereinnahmen werden die Kommunen in geringem Maß haben, das sei nicht vergleichbar zu produzierendem Gewerbe, räumt der Bürgermeister von Poppenhausen ein. Er sieht den Vorteil eher darin, dass Amazon „eine Magnetfunktion haben wird“. Anknüpfend an den Amazon-Neubau interessiere sich schon jetzt ein weiterer Investor dafür, einen 7000 Quadratmeter großen Bürokomplex zu errichten. „Wir sind froh, dass Amazon kommt“, sagt Nätscher. Der Politiker hofft darauf, dass es mit dem Verteilzentrum gelingen wird, ein Fastfood-Restaurant in dem Gewerbepark anzusiedeln.
Im steigenden Verkehrsaufkommen sieht der Bürgermeister keine Probleme. Der Lieferverkehr verlaufe antizyklisch. Das heißt: Die Pakete werden nachts angeliefert. Morgens, nachdem der Berufsverkehr durchgerollt ist, beginne die Zustellung. Die Investitionssumme nennen weder Amazon noch Nätscher. Um das Areal zu erschließen, sind noch Arbeiten mit Kosten von 600 000 Euro nötig.
Bürgermeister erwartet keine Lärmbelästigung
„Das ist schön für die Gemeinde. Die Ansiedlung von Arbeitsplätzen war unser Ziel“, sagt Oerlenbachs Bürgermeister Nico Rogge (CSU). Die Ansiedlung sei ein Mehrwert für die Umgebung. Der Betrieb und der Verkehr werde Oerlenbach nicht beeinträchtigen, dafür liege das Gewerbegebiet zu sehr außerhalb.
Das Kurier-Express-Paket Dienstleistungszentrum Schweinfurt, so der volle Name, ist mit 7400 Quadratmetern Fläche geplant. Den Hauptteil macht eine acht Meter hohe Halle aus. „Die Halle wird stützenfrei mit einer Überspannung von 60 Metern realisiert“, so Projektsteuerer Complemus. Dazu kommen Büro- und Sozialräume. Des Weiteren sind Stellplätze für 102 Pkw sowie 398 Kleinbusse vorgesehen. Von der deutschen Amazon-Pressestelle heißt es auf Nachfrage, dass in Oerlenbach Pakete von anderen Logistik- und Sortierzentren ankommen, die von „lokalen Lieferpartnern“ an die Kunden zugestellt werden. Der Konzern reagiere auf die wachsende Kundennachfrage.
Genau diese Politik wird bei uns auch mittlerweile umgesetzt.
Prost Deutschland!
Ach ja, und da war ja auch mal was vom Flächenfrass.
Wieder ein Stück Franken flöten.
Unglaublich wie naiv und kurzsichtig diese Bürgermeister sind.
Na ja, vieleicht siedelt sich ja noch ein Burger King an.
Den beiden Gemeinden kann man es nur wünschen.