
Dass ein Antrag zu den Haushaltsberatungen bei der Stadtverwaltung als „erfrischend, steile Idee“ bezeichnet wird, erlebt man auch nicht alle Tage. Schlussendlich hatte Baureferent Ralf Brettin eine ganze Menge schlüssiger Argumente, warum der Antrag der Linken, ein Straßenbahnsystem in Schweinfurt zu prüfen, in die falsche Richtung zielt. Schmunzeln musste er aber doch, als er ihn auf dem Tisch hatte.
Linken-Fraktionschef Frank Firsching sprach selbst von einer „steilen Idee“, als er den Antrag vorstellte. Es gehe auch nicht darum, in vier bis fünf Jahren eine neue Straßenbahn zu haben, sondern darum, eine Diskussion anzustoßen, wie man den öffentlichen Personennahverkehr in 20, 30 Jahren sieht, welche Möglichkeiten er eröffnet und ob es vielleicht nicht doch sinnvoll wäre, über Straßenbahnsysteme im Verbund mit den Landkreisgemeinden nachzudenken.
Zu teuer und zu große Eingriffe
Ralf Brettin erinnerte daran, wofür Straßenbahnen eingesetzt werden. Sie sind das Mittel der Wahl, wenn Busse in einer Stadt das Fahrgastaufkommen nicht mehr aufnehmen können, eine U-Bahn aber noch zu groß ist. Straßenbahnen seien dann von Vorteil, wenn sie auf eigenen Schienen unabhängig vom Straßenverkehr fahren, wie in weiten Teilen Würzburgs. „Dann sind sie deutlich schneller, es braucht aber wegen der Zweigleisigkeit auch sehr viel Platz“, so der Baureferent.
Firsching hatte darauf hingewiesen, dass zum Beispiel Regensburg darüber nachdenkt, ein Straßenbahnsystem zu etablieren. Die Stadt mit ihren tausenden Studenten und der Großindustrie könne man aber nicht mit Schweinfurt vergleichen, so Brettin. Eine komplett neue Infrastruktur schaffen zu müssen, sei in Schweinfurt viel zu teuer, dazu kommt der Platzbedarf für die Schienen und die Frage, ob die stromführenden Oberleitungen nicht gerade in der Innenstadt als störend empfunden würden.
Als die Pferde die Züge zogen
Grundsätzlich hatte CSU-Rat Klaus Rehberger mit seiner Bemerkung, „der Zug ist abgefahren“, die Mehrheit des Gremiums hinter sich. Er öffnete aber eine Tür, mit der Frank Firsching und seine Fraktion gut leben können: Die Verwaltung erklärte sich bereit, statt der geforderten 150 000 Euro für die Planung einer Straßenbahn, 80 000 Euro für die Entwicklung eines ÖPNV-Konzeptes einzustellen, das in vielerlei Hinsicht wichtig ist – für den Mainfränkischen Verkehrsverbund, aber auch bei der Frage, wie es mittelfristig mit dem Bahnhofsvorplatz weitergehen soll.
Klaus Rehberger erinnerte im übrigen an einen interessanten historischen Aspekt: die Schweinfurter Pferdebahn. Auf der von Peter Hofmann ehrenamtlich betriebenen Internetseite www.schweinfurtfuehrer.de findet sich hierzu ein historisches Schatzkästlein mit vielen Bildern. In der Tat war es so, dass zwischen 1895 und 1921 in Schweinfurt eine Straßenbahn verkehrte. Es war die bayernweit erste kommunale Straßenbahn. Auf den Gleisen durch die Stadt fuhren 30-mal am Tag von Pferden gezogene Personenwagen. Die Gaststätte „Zur Straßenbahn“ in der Rückertstraße erinnert heute noch an diese Geschichte.
Die Straßenbahn als Besucher-Hit
Peter Hofmann schreibt, die „Einführung dieser Straßenbahn war der absolute Hit im Schweinfurt Endes des 19. Jahrhunderts, und man begab sich anfangs extra vom Umland in die Stadt, um diese revolutionäre Neuerung in Anspruch zu nehmen.“
Die Trasse führte vom Bahnhof durch die Hauptbahnhofstraße, den Steinweg (heute Schultesstraße), die Spitalstraße, den Marktplatz bis in die Rückertstraße. Endstation war in der Nähe der ehemaligen „Gaststätte zur Straßenbahn“, die Trasse endete am Gaswerk außerhalb der Stadtbefestigung in der Nähe des damals schon nicht mehr existenten Mühltores. Da, so Peter Hofmann, waren eine Wagenhalle mit zwei Gleisen und der Pferdestall mit sechs Boxen.
Eröffnet wurde der Bahnverkehr am 5. Mai 1895. In der Krisenzeit der 1920er-Jahre nach dem Ersten Weltkrieg war am 31. Januar 1921 endgültig Schluss. Ab 11. Februar 1925 verkehrte statt der Straßenbahn ein privater Omnibusverkehr, seit 1. Juli 1927 in städtischer Regie, heute von den Stadtwerken betrieben.


