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Schweinfurt
"Alles muss auf den Prüfstand": Wo und was die evangelische Kirche einsparen will
Rückläufige Mitgliederzahlen und Steuereinnahmen sowie höhere Kosten treffen auch die evangelischen Gemeinden. Zusammenschluss zur Pfarrei Schweinfurt.
Auch die evangelische Kirche muss über die Zukunft ihrer Immobilien nachdenken. Aktuell ist das Evangelische Gemeindehaus an die Stadt Schweinfurt vermietet, als Spielstätte für das Theater, das saniert werden muss.
Foto: Josef Lamber | Auch die evangelische Kirche muss über die Zukunft ihrer Immobilien nachdenken. Aktuell ist das Evangelische Gemeindehaus an die Stadt Schweinfurt vermietet, als Spielstätte für das Theater, das saniert werden muss.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 15.07.2024 17:53 Uhr

Den Kirchen sterben die Menschen weg, immer weniger kommen nach. Viele treten auch aus, aus den unterschiedlichsten Gründen. Viele lassen ihre Kinder nicht mehr taufen. Die Kirchen leiden auch wegen der allgemeinen demografischen Entwicklung unter schwindenden Einnahmen. Was nicht ohne Konsequenzen bleiben kann.

"Alles muss auf den Prüfstand", sagt der evangelische Dekan Oliver Bruckmann in seinem Büro am Martin-Luther-Platz vor einer beeindruckenden Bücherwand. Dazu ein Blick auf die Zahlen. Traten im Jahr 2006 noch 161 Menschen im Dekanat aus, sind es heute knapp 80. Monatlich!

Die Landeskirche streicht Pfarrstellen zusammen. Im Dekanat wurden vier Pfarrstellen gestrichen. Das sind zehn Prozent. Die vorhandenen Immobilien werden zur Last. Da geht es den Protestanten wie den Katholiken.

'In fünf Jahren wird es keine Pfarrhäuser mehr geben', prognostiziert Dekan Oliver Bruckmann.
Foto: "Alles Heiko Kuschel | "In fünf Jahren wird es keine Pfarrhäuser mehr geben", prognostiziert Dekan Oliver Bruckmann.

Nur noch ein Pfarrbüro am Martin-Luther-Platz

Bruckmann ist seit 2006 Dekan in Schweinfurt und in Gesellschaft und Kultur gut vernetzt. Er redet nichts schön. Sechs der acht Schweinfurter Kirchengemeinden haben sich zu einer Pfarrei zusammengeschlossen. Lediglich die Kreuzkirche in Oberndorf und die Auferstehungskirche am Bergl bleiben allein. Pfarrei bedeutet, es gibt nur noch ein Pfarrbüro: am Martin-Luther-Platz an der Johannis-Kirche. Es wird von Diakon Norbert Holzheid geleitet. Das entlastet die Pfarrer von Verwaltungsaufgaben, die bislang mit 20 Prozent ihrer Arbeitszeit veranschlagt wurden.

10.300 evangelische Christen gehören zur neuen Pfarrei. Bruckmann weiß jedoch: "Wir werden deutlich weniger." Seit Jahren sehe man, dass es weniger Taufen und viel mehr Beerdigungen gibt. "Wir Pfarrer stehen öfter auf dem Friedhof als am Taufbecken." Der Zuzug vor allem von Russlanddeutschen ist vorbei. Die Wegzugbilanz für Schweinfurt ist negativ.

Neu auch: Die Kasualitäten, also Taufen, Eheschließungen und Begräbnisse, sind nicht mehr der einzelnen Kirchengemeinde zugeordnet, sondern werden unter den verbleibenden Pfarrern nach Plan verteilt. Wobei Bruckmann durchaus Raum für besondere Wünsche verspricht. So sind die Pfarrer zwar dem neuen Pfarramt zugeordnet, behalten aber den Schwerpunkt in den bisherigen Gemeinden beziehungsweise Sprengeln.

Dass der Veränderungsprozess mit Emotionen verbunden war, gilt als selbstverständlich. Mit regionalen Konferenzen habe man die Kirchenvorstände mit einbezogen.

Zu wenig Pfarrer und Pfarrerinnen rücken nach

Die Reduzierung der Pfarrstellen ist jedoch nicht allein den rückläufigen Einnahmen geschuldet. Der Beruf des Pfarrers hat deutlich an Attraktivität verloren. So gehen im nächsten Jahr in Bayern 100 Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand, lediglich 25 neue rücken nach.

Thema Immobilien. "Der Kirche fressen sie die Haare vom Kopf", sagt der Dekan. Über die Trennung von Kirchen rede man "noch" nicht". Pfarrhäuser stünden aber zur Disposition. Aus zwei Gründen: der Sanierungsaufwand ist in vielen Fällen groß und jüngere Pfarrer wollen sich eigenständig eine Wohnung suchen. Einzelne Gemeinde wie Bad Kissingen haben bereits ihre Pfarrhäuser abgestoßen. "In fünf Jahren wird es keine Pfarrhäuser mehr geben", prognostiziert Bruckmann.

Noch schwieriger ist die Situation bei den Gemeindezentren. Viele sind überdimensioniert, viele auch sanierungsbedürftig. Die Landeskirche sieht für 100 Gemeindemitglieder fünf Quadratmeter Fläche vor. Das wird heute, so Bruckmann, meist weit übertroffen. Für das nächste Jahr stehen für das gesamte Dekanat mit seinen 27 Kirchengemeinden und 30 Gemeindezentren lediglich 92.000 Euro für die dringendsten Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zur Verfügung. Nur: wie soll man die knappen Mittel sinnvoll einsetzen?

Jugendarbeit neu organisiert

All dies ein Schreckensszenario? Der 63-jährige Dekan will jedoch lieber nach vorne blicken. Spricht von der Jugendarbeit. Die wurde probeweise in diesem Jahr neu organisiert. Die Konfirmanden konnten über Kirchengemeindegrenzen ihre Kurse frei wählen. Zu unterschiedlichen vier Terminen. "Das hat sich bewährt", sagt Bruckmann. Überhaupt wird die Arbeit für junge Leute neu organisiert. Christuskirche und St. Lukas haben jeweils eine Pfarrerstelle verloren. Eine davon wird ersetzt. Gemeindeübergreifend mit einem Pfarrer, der sich schwerpunktmäßig mit der jüngeren Generation beschäftigt.

Neue Wege geht die Pfarrei im nächsten Jahr auch bei Hochzeiten und Taufen. Zu Tauffesten kann jeder kommen, taufen lassen, ohne die unbedingt mit einem großen Fest zu verbinden. Das müsse nicht in einer Kirche sein. In der Natur. Vielleicht am Baggersee.

Ähnlich sieht Bruckmann auch die Hochzeiten. An anderen Orten habe es sich oft gezeigt, dass Paare, die schon länger "zivil" getraut sind, den Segen der Kirche abholen.

 
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Kommentare
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  • Inge Weigand-Roll
    Der Artikel enthält die Aussage, dass die Kreuzkirche in Oberndorf „allein“ bleiben würde. Das stimmt so nicht. Die Kreuzkirche Oberndorf gehört mit Bergrheinfeld und Werneck zu einer gemeinsamen Pfarrei.
    https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/das-evang-luth-dekanat-schweinfurt-stellt-sich-neu-auf
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