Hochwasserkatastrophen wie im Ahrtal oder Dürrejahre in der Landwirtschaft verdeutlichen den Klimawandel. Und sie weisen auf die seit den 1960er-Jahren veränderten, nämlich ausgeräumten Agrarlandschaften hin, die nicht mehr in der Lage sind, für einen Wasserkreislauf und –speicher zu sorgen. Hier gegenzusteuern ist Inhalt der Agroforstwirtschaft, aber auch der Initiative "boden:ständig". Beides stellte die Öko-Modellregion Oberes Werntal in einer Online-Veranstaltung vor.
Dass das Thema "Hochwasserschutz ist Dürreschutz ist Bodenschutz" brisant ist, bewies schon die Zahl von 200 Teilnehmern. Landwirte, Verantwortliche aus Politik und Behörden, aber auch andere wollten wissen, was konkret machbar ist, um Wasser in der Fläche zu halten, um Bodenerosion oder Bodentrockenheit zu verhindern. Als "Wege in eine klimagerechte Landwirtschaft" stellte Diplom-Forstwirt und Agroforst-Planer Philipp Gerhardt überzeugend Agroforstwirtschaft und Keyline-Design vor.
Das System der Baumfeldwirtschaft
Der Begriff Agroforst klingt zwar nach Wald, ist aber ein altbekanntes System: das der Baumfeldwirtschaft. Die Äcker, Wiesen und Weiden werden auf der gleichen Fläche kombiniert mit Streifen von Bäumen und Gehölzen. Bekanntes Beispiel: Streuobstwiesen. Zwischen den Gehölzstreifen werden Feldfrüchte angebaut, dort könnten auch Kühe grasen oder Hühner laufen. Statt Apfelbäumen zur Obstgewinnung könnten Landwirte mit Nussbäumen, Esskastanien oder schnellwachsenden Pappeln als Energiehölzer zusätzliche Standbeine finden.
Dieses alte Bewirtschaftungssystem verschwand aus der Agrarlandschaft, als die Landwirtschaft durch den zunehmenden Maschineneinsatz intensiviert und rationalisiert wurde. Agroforstsysteme heute sind aber an die Technik und die Produktionsweise der Landwirtschaft angepasst, zeigte Gerhardt.
Diese "lichte Wald-Weide-Landschaft" mit hoher Photosyntheseleistung hat unzählige Vorteile: Im Schutz der Bäume verbessert sich das Mikroklima auf dem Feld, Wasser auf der Fläche verdunstet weniger schnell. Die Gehölze sorgen für Kühlung und Verdunstung, Wasser steigt auf, es kommt zur Wolkenbildung und Regen.
Die Fläche wird besser vor Erosion geschützt
Durch die Gehölze erhält die Landschaft Struktur, der Wind wird gebremst, die Fläche ist besser vor Erosion geschützt. Hinzu kommt, dass Laub und Wurzeln der Bäume zu einer vermehrten Humusbildung beitragen. In deren Holz werden gleichzeitig beachtliche Mengen an Kohlenstoff gebunden. Zudem sind die Gehölzstreifen zusätzliche Lebensräume und fördern die Artenvielfalt.
Für die Landwirte ist das System durchaus gewinnbringend, so Gerhardt: Der ökonomische Gesamtertrag auf so einer Agroforst-Fläche beläuft sich nach seinen Erfahrungen auf das Zwei- bis Dreifache eines einschichtigen Ackerbausystems.
Im bestehenden Fördersystem der Landwirtschaft sei Agroforst gut umsetzbar, meinte er auf Nachfrage der Teilnehmer: Über Förderung von Dauerkulturstreifen und Ackerkultur. Leider sei eine staatliche Agroforst-Förderung aktuell "lächerlich gering". "Die Naturschutzverbände haben es zerrissen", meinte Gerhardt. Dabei gehe es nicht um Naturschutz, auch nicht um Bio, sondern um die Landbewirtschaftung. "Wir müssen mit dem System in die Fläche kommen", appellierte er angesichts des rasanten Klimawandels.
Es ist ein Wassermanagementsystem zum Be- und Entwässern".
Als weitere Möglichkeit oder Kombination, um Wasser zielgerichtet zu verteilen, erläuterte er das Keyline Design. Dabei wird ein hängiger Acker leicht quer mit Abflussgraben und/oder Gehölzstruktur geschnitten. Gezielt werde dabei auf die spezifische Geländekontur eingegangen und ein Muster entworfen, das auch zu bewirtschaften sei. Durch die Ablenkung des Wassers dorthin, wo es für die Landwirtschaft wichtig ist, werde Bodenerosion vermieden. "Es ist ein Wassermanagementsystem zum Be- und Entwässern".
Darauf zielt auch die Initiative "boden:ständig" des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums ab, erläuterte die Projektleiterin für Unterfranken, Martina Kamm-Hörner vom Amt für Ländliche Entwicklung (ALE). Um Abschwemmungen von Ackerboden bei Starkniederschlägen zu verhindern, soll ein dezentraler Rückhalt in der Fläche erreicht werden. Dazu sollen Landwirte und Kommunen bei der Suche nach Lösungen unterstützt und beraten werden, auch hinsichtlich möglicher Förderung.
Eine Kette kleiner Maßnahmen mit überschaubaren Kosten und Aufwand soll dabei greifen: Sei es für die Bodenverbesserung – und wasserspeicherung eine spezielle Zwischenfruchtmischung anzubauen, sei es eine Rückhaldemulde anzulegen, seien es Puffersysteme, Sedimentationsbecken oder Hecken.
Im Vergleich beider Möglichkeiten hielt ÖMR-Managerin Anja Scheurich fest: Bei Agroforst gehe es eher um größeres Denken. "Wir müssen früher ansetzen, mit einer Strukturveränderung", sagte Philipp Gebhardt. Agroforst hätte seiner Ansicht nach das Ahrtal-Hochwasser verhindern können.
Weitere Informationen: www.baumfeldwirtschaft.de und www.boden-staendig.eu
Mut machen sollte die Tatsache, dass in vielen Ländern deren klimatische Gegebenheiten wesentlich schlechter sind Landwirtschaft erfolgreich möglich ist. Ein Ansinnen wäre es auch die teils vorhandene Überproduktion im Agarsektor hierzulande in den Griff zu bekommen! Allein daran sieht man was produktionstechnisch mittlerweile möglich ist! So lange aber hohe Subventionen fließen ist der Elan daran etwas zu ändern gering.
Heute denkt man nur noch vordergründig an den Zweck und hat noch(!) keine Ahnung wie katastrophal sich ein synthetisiertes, liebloses Landschaftbild (Landwirtschaft, Energie, Mobilfunk, etc.) auf das menschliche Empfinden auswirkt.
Selbst das abseits der beiden Oberzentren ländliche Mainfranken hat sich in den letzten Jahrzehnten durch unzählige (öfters gutgemeinte) Nadelstiche negativ verändert und seinen Charme weithin verloren - ist nicht mehr meine Welt.