Ob Mauern ein Gedächtnis haben, ob Steine miteinander flüstern, was sie so erlebt haben? Man würde gerne wissen, ob sich das Theatergebäude, an Vorstellungsabenden strahlend heller Solitär in dunkler Nacht am Chateaudun-Park, daran erinnert, wie es war, am 1. Dezember 1966, als die Wichtigen und die, die sich dafür hielten, zur pompösen Eröffnung kamen. Jetzt, da der 50. Geburtstag anstand und in würdigem Rahmen groß gefeiert wurde. Fünf Jahrzehnte Theatergeschichte, da ist ja eine ganze Menge passiert – auf den Brettern, die die Schweinfurter Welt bedeuten, wie um uns herum.
Magie des Theaters
Und irgendwie hatte man das Gefühl, der heutige Intendant Christian Kreppel hat das Licht ein kleines bisschen heller strahlen lassen. In der festen Überzeugung, dass die „unsterbliche Magie des Theaters“ wie er es nennt, in Zeiten wie diesen mit Brexit, Terroranschlägen nicht nur in Paris und Brüssel, sondern in Würzburg oder Ansbach und vor allem dem Erstarken des Rechtspopulismus in Europa und den USA umso kräftiger herausgearbeitet werden muss. Kreppel ist erst der dritte Intendant des Hauses, seit 2006 leitet er die Geschicke in Schweinfurt.
Theater aus Leidenschaft
Ihn wie seine Vorgänger Rüdiger Nenzel und Gründungsdirektor Günther Fuhrmann einte der Gedanke, dass Theater mehr sein müsse und mehr sein könne als bloße Berieselung. Fuhrmann sagte einst, „nur Kulturbewusstsein prägt das Gesicht einer Stadt, niemals die Menge an Geld, das in ihr verdient wird.“ Christian Kreppel hat das erweitert, aus tiefer Überzeugung und als leidenschaftlicher Österreicher, der seine Angst um sein Land ob der rechtspopulistischen Option bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag nur mühsam kaschieren möchte. Ihm war und ist es wie seinen Vorgängern ein Anliegen, einen Spielplan zu gestalten, auf den es ankommt und nicht so sehr einen, der nur ankommt.
Sein leidenschaftliches Plädoyer für Dialogbereitschaft und Meinungsfreiheit wurde von allen goutiert, wie man beim Empfang nach dem <%LINK href="http://www.
mainpost.de/ueberregional/kulturwelt/kultur/Mit-Beethovens-Neunter-gegen-den-Shitstorm;art3809,9435359" text="Festkonzert der Anhaltischen Philharmonie Dessau"%> mit Dirigent Markus Frank sah. Nicht umsonst stand die 9. Symphonie, Ludwig van Beethovens wuchtiger Appell an den Humanismus, vor ausverkauftem Haus auf dem Programm. Für den gut gelaunten Oberbürgermeister Sebastian Remelé war der Festakt eine Freude. Erst am Donnerstagmorgen sei er in Berlin auf dem Heimweg an der deutschen Oper vorbeigefahren, „ich kann ihnen sagen, wir haben unser Theater schön gemacht, hier passen Funktion und Ästhetik perfekt zusammen.“
Für Remelé wie seine Vorgänger in politischer Verantwortung ist das Theater „eine Institution Schweinfurts, ein Theater für alle Generationen.“ Im übrigen schon seit Jahrhunderten. Schon 1572 wurde auf dem Tanzboden des Rathauses am Marktplatz Theater gespielt, der Weg bis ins 21. Jahrhundert ist fast lückenlos belegt.
Als wäre es gestern gewesen
Als Institution betrachtet auch Maria Wichtermann, Witwe des damaligen Oberbürgermeisters Georg Wichtermann, der Planung und Bau des Gebäudes in den 1960er Jahren weitsichtig vorantrieb, das Theater. An die Einweihung vor 50 Jahren erinnert sich die betagte Dame als wäre es gestern gewesen, „es war das Lieblingskind meines Mannes und ein glücklicher Tag für ihn.“ Den Respekt, den sich das Schweinfurter Theater in fünf Jahrzehnten in der Kulturszene erarbeitet hat, konnte man fast mit Händen fühlen. Von wegen, es ist ja nur ein Gastspieltheater.
Ein Stück Heimat
Marcus Rudolf Axt, Intendant der Bamberger Symphoniker, die 2016 ihren 70. Geburtstag feierten, spricht von „Heimat“, wenn er über Schweinfurt redet. Kein Wunder, die Geschichte der Symphoniker ist bekanntlich eng mit der Schweinfurter Industriellen-Familie Schäfer verbunden, ohne deren Mäzenatentum es das Orchester nicht gäbe. Dass Schweinfurt aber nach Bamberg der Spielort ist, den die Domstädter am meisten in ihrer Geschichte bespielten, ist ungewöhnlich.
„Dieses Theater“, so Axt, „ist ein Teil unserer fränkischen Identität.“ Im übrigen Intendanten-übergreifend und auch, weil Theater-Team und Symphoniker-Crew eingespielt sind und die Akustik auf der Bühne und im Zuschauerraum sehr gut ist. Was Axt noch mehr beeindruckt, ist die klare Positionierung pro Toleranz, Menschenwürde, Offenheit. „Für solche Abende wie diesen machen wir diesen Job, ohne kulturelle Verständigung ist das Leben nichts wert.“
Eine Aussage, die der Meininger Intendant Ansgar Haag, ein weiterer wichtiger Partner des Theaters, unterschreibt. „Für uns war Schweinfurt einer der ersten Kontakte in Richtung alte Bundesländer, wir haben in meinem ersten Jahr den Faust hier gemacht. Es war immer eine gute Zusammenarbeit.“ Das hatten sich die Theater-Steine auch schon zugeflüstert.