"Wisst ihr, woher das Wort Kreißsaal kommt?", fragt Hebamme Silke Schiwon, als sie uns die Entbindungsstation zeigt. Wir wissen's nicht. Aber wir werden es uns merken. "Kreißsaal kommt von kreischen", sagt sie. Genauer gesagt leitet es sich aus dem mittelhochdeutschen Wort kreißen/krizen ab. Es bedeutet schreien, stöhnen, speziell Wehen haben. Das hat schon mal geholfen, das Eis zu brechen, sich näher zu kommen. Hebammen scheinen auch so etwas zu können.
Silke Schiwon ist seit 30 Jahren Hebamme. Wie viele Kinder sie schon zur Welt gebracht hat? "Irgendwann hört man zu zählen auf", sagt sie. "Aber es waren eine ganze Menge. Das wird ein Dorf sein." 1700 Kinder werden wahrscheinlich 2020 zur Welt kommen.
Hebamme scheint mehr als nur ein Beruf zu sein. Das merkt man schnell, wenn man sich mit Silke Schiwon und ihren Kolleginnen Christine Ewers, Sybille Lenz und Lisa Himmler vom Hebammen-Team Leo-Störche unterhält, die an diesem Tag im Spät-und Nachtdienst sind. Hebammen haben schließlich eine große Verantwortung. "Eine Geburt ist kein Spaziergang. Das tut weh", sagt Schiwon.
Ihre Aufgabe ist es nicht nur, dafür zu sorgen, das medizinisch alles klappt, Mutter und Kind alles gut überstehen. Es geht auch darum, Angst zu nehmen, Mut zu machen, trotz der Schmerzen dafür zu sorgen, dass die Atmosphäre in den verschiedenen Räumen angenehm ist. Farben sorgen für Gemütlichkeit, auf dem Rand der Badewanne steht eine kleine Enten-Familie. Die Wanne dient meist zum Entspannen, auch Wassergeburten sind möglich.
An den Wänden der Station hängen Baby-Fotos, Dank-Botschaften von Eltern. Und Sprüche wie: Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel." Drei Kreißsäle gibt es. Mit den unterschiedlichsten Möglichkeiten, ein Kind zu gebären: auf dem Gebärhocker, in der Gebärwanne, auf dem Kreißbett (Seitenlage, sitzend, oder im Vierfüßlerstand). "Alles ist sehr individuell, das ist schön."
Die Hebammen kümmern sich aber nicht nur um Mutter und Kind, sondern auch um den Vater. Er sollte wie ein Motivator sein, sagt Schiwon. "Weiter so, Du machst das gut", das zu hören, hilft den Frauen.
Der Herzton- und der Wehenschreiber funktionieren jetzt über Funk. Die Mutter ist nicht mehr über Kabel mit dem Gerät verbunden, sie kann sich freier bewegen, herumlaufen. Extrem wichtig ist es in den letzten Jahren auch geworden, Kind und Mutter sofort zusammenzubringen, die Untersuchungen, das Wiegen später zu machen, sofern alles gut gelaufen ist. Das Baby darf direkt nach der Geburt zur Mama und ist dann erst mal längere Zeit bei der Mama zum Kuscheln. "Bonding ist extrem wichtig", erklärt Silke Schiwon.
Der Moment, ein Neugeborenes zu halten, ist nicht nur für die Eltern magisch. "Ein tolles Erlebnis", sagt Silke Schiwon. "Wenn die Geburt zu Ende ist, das Kind geboren ist, ist das der Lohn der Arbeit." Wie aufs Stichwort kommt ihre Kollegin Sybille Lenz strahlend aus einem der Kreißsäle: Gerade hat sie einem Kind auf die Welt geholfen. Alle freuen sich mit. "Ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen", sagt Hebamme Lisa Himmler. "Das ist ein Beruf, der einen fesselt."
Im Kreißsaal sind rund um die Uhr mehrere Hebammen, Assistenzärzte, Oberärzte, Anästhesie und Kinderklinik-Team anwesend. Im Leopoldina, einem Level-1-Haus, werden Frühgeborene und Risikoschwangere behandelt, aber auch völlig unkomplizierte Geburten gemeistert.
24 Stunden im Leopoldina-Krankenhaus: Im Rahmen einer Serie stellten wir das Krankenhaus vor, in dem 24 Stunden an den unterschiedlichsten Orten und Bereichen Betrieb ist. Von A wie Apotheke bis Z wie Zentrale Notaufnahme. Dabei geht es auch an Orte, die Patienten und Besucher nicht sehen. Alle Teile der Serie finden Sie unter : www.mainpost.de/24+Stunden+Leopoldina./