"Es kann nicht genug Gespräche geben mit Menschen", davon ist Philosoph und Autor Wilhelm Schmid (Berlin) überzeugt. "Aussprechen tut unendlich gut." Nur: alle wollen reden, kaum einer zuhören, sagt er. Wer in Schweinfurt jemanden zum Zuhören braucht, kann in den Gesprächsladen in der Manggasse 22 gehen. Und das seit 20 Jahren.
Schmid kennt nicht nur den Wert von Gesprächen, er weiß auch, dass, wer anderen helfen will, mit sich selbst im Reinen sein muss. Oder, wie er es bei der Feier zum 20-jährigen Bestehen des Gesprächsladens in der proppenvollen Rathausdiele formuliert: Man muss mit sich selbst befreundet sein.
33 376 Kontakte in 20 Jahren
Bevor Wilhelm Schmid ebenso humorvoll wie packend über das Thema Selbstfreundschaft spricht, stellt das Team den Gesprächsladen vor. In Zahlen: 33 376 Kontakte in den 20 Jahren, davon 20 476 seelsorgerische Gespräche in besonderen Not-und Krisensituationen. 44 Bilderausstellungen, 18 Gesprächskreise für trauernde Menschen. 46 ehrenamliche Mitarbeiter haben an die 20 000 Stunden geleistet.
Von Gastfreundschaft bis Perspektivenwechsel
Was ist der Gesprächsladen? Das zeigt das Team Buchstabe für Buchstabe in einer witzigen Gemeinschaftsaktion auf. G steht für Gastfreundschaft, aber auch für Gedanken und Gefühle, die hier einen Raum finden. E steht für Erfahrungen und Erlebnisse, die die Besucher mitbringen, für Entscheidungshilfen, für Empathie und Einfühlsamkeit. Das S steht für den Stuhl, für den Platz der jemandem angeboten wird. P bezeichnet den Perspektivenwechsel, den ein Gespräch anbahnen kann. R symbolisiert die Rahmenbedingungen: Leiter Robert Bundschuh arbeitet zur Zeit mit 14 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Das Gesprächsangebot ist anonym, vertraulich und kostenfrei. Ä steht für Änderungsbereitschaft, aber auch für Ärger, den jemand ablädt.
Es kann Mut erfordern, in den Gesprächsladen zu gehen. C steht für Courage, aber auch für die Chancen, die aus einem gelingenden Gespräch erwachsen. Das H beinhaltet das Herzblut, mit dem die Mitarbeiter bei der Sache sind. Aber auch Hilfe und Hoffnung, Humor und Heiterkeit. Das zweite S weist auf den Gesprächsladen als Service-Stelle hin, die Auskünfte gibt, über Selbsthilfegruppen zum Beispiel. Lösungen kann man hier finden, sagt das L. A markiert das unbürokratische, unvoreingenommene Angebot. D verweist darauf, dass manche Wege, die gemeinsam gegangen werden müssen, dornig sind. Oft ist Durchatmen, Durchstarten erforderlich. Wichtig ist aber auch die Dankbarkeit der Mitarbeiter für den Vertrauensvorschuss, den sie von den Besuchern bekommen.
E, wie Effizienz, wie erkennt man das? Wenn jemand aufrecht, ermutigt, getröstet, mit neuen Ideen aus dem Gespräch herausgeht. Nähe, Neuanfang, Neutralität, das ist dem Team zu N eingefallen. Aber es gibt viel Applaus für den Hinweis, es stehe auch für die netten Mitarbeiter im Gesprächsladen.
Lob für die ehrenamtlichen Mitarbeiter
Für die Ehrenamtlichen gibt es ein dickes Lob von OB Sebastian Remelé. Vielen mangele es an Zeit, sagt er. Anderen Zeit zu schenken, sei in unserer überreizten Welt extrem wichtig. Auch Robert Bundschuh bedankt sich herzlich bei seinem Team. Gabi Schwab gibt das zurück, nennt ihn den Fels in der Brandung, einen Motivator und Ideengeber.
"Selbstfreundschaft: Wie das Leben leichter wird", damit setzt sich Wilhelm Schmid auseinander. Schmid ist einer dieser Redner, die Menschen sofort in ihren Bann ziehen. Das liegt an den kleinen Auflockerungen durch Humor und dem einen oder anderen Ehe-/Beziehungswitz. Schmid entwickelt aber ebenso spannend wie schlüssig, warum man mit sich selbst befreundet sein soll. Und nicht dem Trendbegriff Selbstliebe verhaftet sein sollte.
Selbstfreundschaft als Grundlage
Ein gutes Verhältnis zu sich selbst sei die Grundlage für alles, auch für Nächstenliebe. Das ermögliche es, mit anderen gute Beziehungen zu führen. Liebe neigt zu Euphorie, zum Idealisieren. Freundschaft nicht. Wie kommt man dazu, mit sich selbst befreundet zu sein? Durch Selbst-Aufmerksamkeit. "Wir müssen fürsorglich mit uns selbst sein." Aber auch durch Selbst-Empathie: "Dann können wir anderen gegenüber auch stärker empathisch sein."
Wer sind wir? Wie finden wir uns? Schmid listet sieben Punkte auf, die helfen, dies zu klären.
- Was sind meine wichtigsten Beziehungen?
- Was sind meine wichtigsten Erfahrungen?
- Wohin will ich? Welchen Weg will ich gehen? Wofür bin ich da? Die Definition des Wohin, Wofür, Wozu im persönlichen Leben.
- Welche Werte sind für mein Leben wichtig? An welchen Werten will ich mein Verhalten orientieren?
- Welche Gewohnheiten will ich pflegen?
- Definition der Ängste und Verletzungen. Statt sich endlos daran abzuarbeiten, könne man diese Erfahrungen in sich integrieren.
- Was ist das Schöne in meinem Leben?
Das Schöne ist eine Quelle, die uns immer zur Verfügung steht, sagt Schmid. Man muss nur für sich festgelegt haben, was es ist. Was ist der Sinn der Selbstfreundschaft? Nicht der, sich um sich selbst zu drehen. Sondern Kraft zu schöpfen, innere Konflikte zu klären. Und für andere da zu sein. So wie die Menschen im Gesprächsladen, für Schmid "eine tolle Einrichtung."
Der Gesprächsladen arbeitet im Auftrag der Katholischen Stadtkirche Schweinfurt. Kontakt: Tel.: (09721)207955, Mail: info@gespraechsladen-schweinfurt.de. Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Mittwoch 10 bis 14 Uhr, Donnerstag, Freitag 14 bis 18 Uhr.