Seit 150 Jahren gibt es das Rote Kreuz in Schweinfurt. Beeindruckend, wenn man sich klar macht, dass das Rote Kreuz erst 1863 gegründet wurde. Auslöser war eine blutige Schlacht. Henri Dunant, der Vater des Roten Kreuzes, war am 24. Juni 1859 Zeuge der Kämpfe bei Solferino geworden, in der Franzosen und Österreicher gegeneinander kämpften. Es gab so gut wie keine Hilfe für die Verwundeten. Diese schrecklichen Bilder müssen Dunant verfolgt haben. Das Rote Kreuz ist heute eine Hilfsorganisation und ein Wohlfahrtsverband. Sein Ursprung liegt im Krieg, im Willen Verwundeten zu helfen, egal, auf welcher Seite sie kämpfen.
Neue Mitarbeiter bekommen Dunant-Buch
Neue Mitarbeiter, die Bufdis (Leute, die den Bundesfreiwilligendienst leisten), die in Schweinfurt anfangen, bekommen von Kreisgeschäftsführer Thomas Lindörfer Dunants Buch "Erinnerung an Solferino" in die Hand gedrückt. "Damit sie wissen, wo wir herkommen", sagt Lindörfer. Zusammen mit Vorsitzendem Hartmut Bräuer und Ehrenkreisbereitschaftsleiter Friedel Tellert gibt er einen Überblick über die Geschichte des Roten Kreuzes in Schweinfurt.
Dieses Video wurde zum 150. Geburtstag gedreht.
Statt Grußworten vor geladenen Gästen sozusagen. Denn coronabedingt gibt es erstmal keine große Jubiläums-Veranstaltung. "Hoffentlich können wir nächstes Jahr feiern", meinen die drei. Was es aber gibt: einen Newsletter für die Mitglieder und "virtuelle Feiern", wie Lindörfer sagt. In den sozialen Netzwerken will man die Mitarbeiter und ihr Engagement würdigen und auch Lust auf Mitarbeit machen. Zum Beispiel mit einem Image-Film, der die Facetten der Angebote im Kreisverband Schweinfurt zeigt.
Das Video zeigt, wie Henry Dunant vor rund 150 Jahren bei der Schlacht von Solferino den Grundstein für das Rote Kreuz legte.
Eine Gründungsurkunde gibt's übrigens nicht. Aber einen Artikel aus dem Schweinfurter Tagblatt vom 23. Februar 1871. Der Zweigverein des Bayerischen Frauenvereins in Schweinfurt gibt dort "einen kurzen Bericht über seine im Jahr 1870 entfaltete Thätigkeit." Aus diesem Frauenverein, gegründet zur Pflege erkrankter und verwundeter Krieger, hat sich das Rote Kreuz entwickelt.
"Die Damen der höheren Gesellschaft haben 1870 in Schweinfurt den Zweigverein des Bayerischen Frauenvereins zur Pflege kranker und verwundeter Krieger gegründet", schreibt Hartmut Bräuer im Newsletter.
Verbandsmaterial auf Vorrat eingelagert
1870/71 herrschte Krieg zwischen Frankreich und Deutschland. Verwundete brauchten Hilfe. Die Frauen sammelten Spenden, schickten Verbandsmaterial nach Frankreich. Außerdem wurde Verbandsmaterial eingelagert, um für einen neuen Krieg gerüstet zu sein. Kriege gehörten damals zur Realität. 1891 erklärte sich der Frauenverein in der Lage, 20 Tage nach einer Mobilmachung in Schweinfurt ein Lazarett für 40 Verwundete vorhalten zu können. Die Turngemeinde gründete ein Sanitätskorps, um die Verwundeten in die Lazarette im Städtischen Krankenhaus und in Werneck zu bringen. 1889 wurde der Turner-Sanitätszug gegründet, der Vorläufer der Sanitätskolonne, erzählt Tellert.
Anderen Menschen helfen: Das ist nicht nur Arbeit, meint Hartmut Bräuer. Mit 25 Jahren ist er in das Rote Kreuz eingetreten. Wie es Henri Dunant geschafft hat, die Menschen für seine Idee zu begeistern, fasziniert ihn. "Menschen zu helfen ist ein Kraftgeber", ist er überzeugt.
"Das rote Kreuz ist unschlagbar als Zeichen", sagt Lindörfer. Damit verbinde man Sicherheit, Hilfe, Geborgenheit, Rücksichtnahme, schließt sich Bräuer an. Für ihn ist das Rote Kreuz eines der augenfälligsten Symbole. Dieses Symbol vereint im Kreisverband viele Menschen: 7800 Fördermitglieder, 2200 Ehrenamtliche, 200 hauptamtliche Mitarbeiter. Viele von ihnen haben das Rote Kreuz sozusagen im Blut, sind Familienmitgliedern in die Organisation gefolgt. Wie Friedel Tellert und Thomas Lindörfer, zum Beispiel. Heute wie früher gibt es auch Paare, die sich beim Roten Kreuz kennengelernt haben. Gemeinsam arbeiten, schweißt halt zusammen, meint Tellert.
Die Steine aus der zerbombten Zentrale wurden wieder verwendet
Friedel Tellert ist so etwas wie das wandelnde Geschichtsbuch des Kreisverbandes. 1952 ist er in die Schillerschule eingeschult worden, auf dem Hof standen die ersten Rot-Kreuz-Autos. Da war sogar noch ein Holzvergaser dabei. "Ich habe von Anfang an alles mitgekriegt." Er kann sich noch gut erinnern, wie nach dem Krieg auf dem Gelände in der Gorch-Fock-Straße gebaut wurde. Die Steine für die Garage stammten aus dem zusammengebombten Rotkreuz-Haus in der Landwehrstraße.
Tellert kann mit Begeisterung erzählen. Über die Autos, die technischen Neuerungen, die Menschen, denen er begegnet ist. "Wir waren einer der ersten Kreisverbände, die mit Funk gearbeitet haben." Die Federführung hatte übrigens sein späterer Schwiegervater Willy Hering. Ganz am Anfang der Schweinfurter Rot-Kreuz-Geschichte waren übrigens Trompeter für die Alarmierung zuständig. Auch so eine nette Anekdote. 1970 kam dann der erste Rettungswagen. Tellert sieht noch den Defibrillator vor sich: "Der war so schwer wie zwei Autobatterien."
Hartmut Bräuer, Thomas Lindörfer und Friedel Tellert sind stolz auf die 150 Jahre Geschichte und auf die Männer und Frauen, die sich für andere einsetzen. Und für Humanität im Sinn von Henri Dunant. Krieg hat eine Rolle bei der Gründung des Roten Kreuzes gespielt. Krieg hat immer wieder den Einsatz des Roten Kreuzes erfordert. Friedel Tellert erinnert daran, dass wir hier seit 1945 in Frieden leben. "75 Jahre Frieden, das hat früher kaum jemand erlebt."
Viel geändert hat sich in diesen 150 Jahren. Politisch, technisch, medizinisch. Menschen in Not zu helfen bleibt im Mittelpunkt, sagt Lindörfer. Neue Aspekte sind hinzugekommen: Hausnotruf, Patienten-/Behindertenfahrdienst, Menüservice, Blutspendedienst, Rettungsdienst, Wasserwacht, Katastrophenschutz, die Rotkreuz-Läden, Jugendrotkreuz, Breitenausbildung, Migrationsberatung, Suchdienst, die Bereitschaften, oder das Herzenswunsch-Hospizmobil.