Welches Missverständnis schuld war, dass Referent Dr. Elmar Hochholzer die Wipfelder Jubiläumsfeierlichkeiten als abgeblasen betrachtet hatte, wird wohl nicht herauszufinden sein. Auch nicht, was aus der Originalschrift aus dem Jahr 918 geworden ist, die die Ersterwähnung bezeugen würde. Die ist nämlich verschollen, eine Abschrift existiert aber in der Schwarzacher Chronik aus dem Jahr 1590. Fake news also? Fakt ist, das Jubiläum wird heuer gefeiert, beruhigte Bürgermeister Tobias Blesch die Gemüter.
Im voll besetzten Literaturhaus ging Hochholzer in seinem Vortrag zum Auftakt der Jubiläumsfeierlichkeiten auf die allerersten Anfänge zurück, als wohl schon um 700 ein paar Gehöfte in Wipfeld standen, in Weiveld, Wippinfeld, Wruveld, Wipveld oder wie auch immer. Die Schreibweisen veränderten sich durch die Zeiten. Nach Hochholzers Recherchen wäre die erste gültige historische Nennung im Jahr 1141 gewesen.
Der Weinbau allein reichte lange nicht zum Leben
Wip verweist althochdeutsch auf das Peitschen, also auf die Hochgerichtsbarkeit, die Wipfeld wohl im Hochmittelalter besaß. Der Name „veld“ komme aus dem 7./8.Jahrhundert, so Hochholzer. Ab der Mitte des 12. Jahrhunderts habe sich der Klerus gegenüber den konkurrierenden Adligen die Rechte auf Raum und Menschen zu sichern versucht. Orte am Fluss waren begehrte Objekte. „Das Fährgeld war eine gute Einnahmequelle“. Auch der Weinbau war lukrativ – für die Obrigkeit. Es gab eine Verbrauchssteuer auf Bier und Wein. Der Weinbau allein habe nie zum Leben gereicht, so Hochholzer, erst ab dem 20. Jahrhundert sei dies möglich.
Henneberger und Würzburger hätten sich um Wipfeld gestritten, das aber schließlich „bis 1803 ein hochstiftiges Örtchen“ gewesen sei. Und wie es da zugegangen sein muss bei Streitigkeiten! Das Volk musste folgen, arbeiten, in die Kirche gehen und mit seinem Herrn in die Kriege ziehen. Das kirchliche Leben zog sich bis in den kleinsten privaten Winkel. Der Pfarrer kam und verlas die amtlichen Mitteilungen, Kirchgang war Pflicht, aber auch Schutzraum für die Dorfgemeinschaft. „Ein Ausschluss aus der Dorfgemeinschaft hieß auch gleichzeitig Ausschluss aus dem Paradies.“
Das wilde Leben der Pfarrer
Schon nach der ersten Jahrtausendwende habe der bürokratische Staat begonnen, so Hochholzer, Anordnungen seien in wahrer Detailversessenheit beschrieben worden, im Jahr 1141 seien die Gebiete rechts- und linksmainisch von Würzburg aus voneinander getrennt worden. Die Kirche habe alle Lebensbereiche bis ins 20. Jahrhundert hinein geprägt.
Und dennoch hat es in allen Phasen der Geschichte Widerstand gegeben, wenn die Obrigkeit oder der Klerus zu verkommen geworden waren. „24 von 29 Pfarrern haben in eheähnlichen Verhältnissen gelebt, Trunksucht und Schlägereien von Pfarrern waren bekannt“ so Hochholzer.
Conrad Celtis – ein Wipfelder
Das alte Weltbild geriet im 15. Jahrhundert ins Wanken, das habe man vielleicht nicht gleich, aber sicher auch in Wipfeld vernommen. Amerika wurde entdeckt, die Erde war keine Scheibe mehr. Und aus Wipfeld kam eine der wichtigsten Persönlichkeiten des damals beginnenden Humanismus, Conrad Celtis. Dass er nie Wipfeld als seinen Geburtsort nannte, weist vielleicht darauf hin, wie schwer es war, sich aus dem engen, strengen kirchlichen Dorfleben zu befreien.
Geschichte zwischen Wein, Main und Kultur
Martin Luther kam mit einem anderen Konzept von Kirche und wieder war Krieg und Gewalt Begleitung der Veränderungen. Im Jahr 1576 sei nur noch die Hälfte der Wipfelder katholisch gewesen, so Hochholzer. Aber dann kam Echter und griff mit eiserner Hand durch. Es wurden Kirchen neu gebaut, es wurden Beichtstühle gebaut, die in den Kirchenraum hinein offen waren, wer nicht zum Beichten ging, dem wurden Hab und Gut genommen. Es wurden Frauen gefoltert und verbrannt, Juden verfolgt, es dürfte allgemein ein Klima der Angst und der Einschüchterung geherrscht haben. Standhaften Protestanten blieb da nur die Auswanderung. Im Jahr 1710 war Wipfeld wieder ganz katholisch.
Das Dorf der Dichter und Denker
Und auch die Epoche der Aufklärung, die im 18. Jahrhundert begann, brachte einen großen Wipfelder hervor, Eulogius Schneider. „Erst jetzt kann man Wipfeld als das Dorf der Dichter und Denker bezeichnen“, so Hochholzer. Mit Nikolaus Müller, Schultheiß des Dorfes, dürfte sich das freiere Denken, die Weltoffenheit und Fortschrittlichkeit in Wipfeld verankert haben. So prägt die Geschichte das Leben bis ins Kleinste hinein. Und zeigt, dass alles, was sich als elitär und überlegen bezeichnet, schnell stürzen kann.