Da draußen arbeiten jede Menge Helden: Pflegekräfte und Sanitäter, Erzieher und Lehrer, Feuerwehrleute und Polizisten. Kleine Heldentaten vollbringen regelmäßig auch die 130 Zustellerinnen und Zusteller des Main-ZustellService der Mediengruppe Main-Post in den Altlandkreisen Bad Neustadt und Mellrichstadt. Ihnen ist's zu verdanken, dass in 182 Bezirken Zeitungen und Briefe auch unter widrigsten Umständen in der Regel zuverlässig ihre Adressaten erreichen.
Für Jannis Büttner aus Unterweißenbrunn ist die Arbeit als Zusteller eine Art Traumjob: "Ich habe meine Ruhe und bin einfach mit mir selbst unterwegs." Der 25-Jährige arbeitet seit fünf Jahren als gelernte Fachkraft für Kurier-Express und Postdienstleistungen, vor einem Jahr wechselte er zur Mediengruppe Main-Post. Als Springer trägt er derzeit die Bezirke Schönau, Bischofsheim und Frankenheim aus.
Frankenheim, schmunzelt er, sei für ihn die größte Herausforderung: "Am höchsten gelegen, am meisten Schnee, aber wenig geräumt und gestreut." Zu kämpfen machen ihm zugeschobene Einfahrten, Dachlawinen und nicht geräumte Straßen, auf denen er keinen Halt findet: "Kürzlich bin ich trotz Spikes zu Fuß komplett einen Berg hinuntergerutscht."
Warum manchmal auch die größten Helden an den Umständen scheitern
Was ihm die Arbeit in der Vorweihnachtszeit außerdem erschwert: "Tatsächlich kämpfe ich ganz oft mit Deko vor dem Briefkasten, weil der einfach zugestellt wird", erzählt Büttner im Depot der Main-Post in Bad Neustadt, wo er gegen 1 Uhr nachts die aktuellen Zeitungen und Briefe abholt. "Stimmt!", bestätigen die anderen Zustellerinnen und Zusteller, "Deko ist die Hölle!"
Ob er sich selbst als Alltags-Held sieht? "Manchmal können auch die größten Helden mit ihrem Privatauto leider nicht zur Arbeit kommen", zuckt er mit den Schultern. So passiert vor wenigen Tagen in den frühen Morgenstunden des 5. Dezember, als er das Depot Bad Neustadt von Unterweißenbrunn aus nicht erreichte. "Ich hab's versucht, aber kam auf der Bundesstraße 279 ins Schleudern."
Wenn die Zeitung nicht kommt: So können Abonnenten trotzdem lesen
Jannis Büttner war nicht der einzige Zusteller, der am Tag vor Nikolaus an der Witterung scheiterte. 17 Gebiete im Landkreis Rhön-Grabfeld konnten an jenem Morgen nicht getragen werden. "Haben Zeitungs-Abonnenten ihre Mailadresse hinterlegt, wird ihnen automatisch an solch einem Tag das E-Paper freigeschaltet. In diesem Fall wurde außerdem am Folgetag die Zeitung zusammen mit der aktuellen Ausgabe nachgeliefert", erklärt Birgit Gerbig, Gebietsleiterin Rhön-Grabfeld im Main-ZustellService.
Was Zustellern das Leben deutlich erleichtert
Büttners Wunsch: Würden die Leute, bevor sie zu Bett gehen, noch einmal Salz streuen, könnte das manche Situation entschärfen. Was das Leben eines Zustellers außerdem erleichtere: Eine Zeitungsrolle vorne am Grundstücksbeginn und nicht ein Briefkasten hinter dem Haus auf einem unbeleuchteten Grundstück.
"Nicht jeder Ort hat einen eigenen Zusteller", stellt Büttners Kollege Ralf Göpfert klar, der nicht nur Herschfeld, Unterebersbach und Brendlorenzen trägt, sondern auch oft in anderen Bezirken aushilft. Gerade für Springer, die mitunter nachts von jetzt auf gleich mit einem neuen Gebiet beglückt werden, seien gut sichtbare Hausnummern und ordentlich beschriftete Klingeln das A und O, weil sie wertvolle Zeit sparen. Hier ein Loch in der Treppe, da ein fehlender Handlauf – vernünftig abgesicherte Gefahrenstellen seien unverzichtbar, aber leider nicht immer an der Tagesordnung, ergänzt Gebietsleiterin Birgit Gerbig. Zusteller Helmut Steinmüller würde sich wünschen, dass Anwohner Stolperfallen – Kinderspielsachen, Fahrräder, Gartengeräte – abends aufräumen.
Die schlimmste Begegnung: Was Jannis Büttner in Bad Neustadt widerfuhr
Auch das Thema Beleuchtung macht Helmut Steinmüller zu schaffen, der 56-Jährige trägt neben Neuhaus und Mühlbach auch in Salz aus. In Salz werde aus Energiespargründen und im Hinblick auf Natur- und Umweltschutz seit 2022 die Dorfbeleuchtung von Mitternacht bis 5 Uhr komplett abgeschaltet: "Da kannst du zehnmal ein Mann sein, aber es ist nicht schön, nachts in der Dunkelheit zu laufen."
Erfährt man, was Büttner jüngst auf einer Zustell-Tour auf dem Bad Neustädter Marktplatz widerfahren sein soll, kann man nachvollziehen, was Steinmüller meint: "Da wurde ich von einem betrunkenen Menschen in die Hand gebissen", erzählt der 25-Jährige von seiner bislang "schlimmsten Begegnung" als Zusteller.
Von einem Menschen? "Das haben im Krankenhaus und beim Hausarzt auch alle gefragt", Büttner zeigt seine Hand, auf der verblasst eine Zahnreihe zu sehen ist: "Ist, Gott sei Dank, gut abgeheilt." Auf Anfrage bestätigt die Bad Neustädter Polizei laufende Ermittlungen in dem Fall.
Der Liebe und der Zustellung wegen von Schleswig-Holstein in die Rhön
Leute zu finden, die bei Wind und Wetter zuverlässig nachts von Haus zu Haus laufen, werde immer schwieriger, Gebietsleiterin Birgit Gerbig hält stets die Augen offen, nach potenziellen Mitarbeitern, die auf Mini-Job-Basis oder in Teil- und Vollzeit austragen möchten. Den Verdienst findet Gerbig nicht unattraktiv: "Mit Mindestlohn und Nachtzuschlag ist die Bezahlung angemessen", sagt sie. "Lusche oder Faulenzer darf man aber nicht sein", stellt Helmut Steinmüller klar.
Für Jannis Büttner überwiegen klar die Vorzüge. Faszinierend findet er beim Austragen die Einblicke in die Tierwelt, die Möglichkeit, in Stille beobachten zu können. "Füchse, Rehe und Hirsche wagen sich morgens bis in die Vorgärten. Das ist sehr schön, außer sie laufen einem ins Auto"
Nicht nur, dass er selbst glücklich als Zusteller ist. Im Sommer hat Büttner sogar seine Freundin Patricia Wulf zum Zustellen missioniert. Zuvor hatte die 25-Jährige als Store-Managerin im Outlet-Center Neumünster in Schleswig-Holstein gearbeitet. Irgendwann hatte sie genug vom Chef im Nacken und dem Team auf den Schultern, von einer Fernbeziehung sowieso. Also kam sie in die Rhön und trägt aktuell als Springerin die Bezirke Schönau, Wegfurt und Unterweißenbrunn. "Das macht total Spaß. Ich konnte noch nie so frei und selbstentscheidend arbeiten."