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WÜRZBURG
„Zeitungen zustellen wird durch den Mindestlohn attraktiver“
reda
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:37 Uhr

Der Geschäftsführer der Mediengruppe Main-Post, David Brandstätter, spricht im Interview mit der Redaktion über die Auswirkungen des Mindestlohns auf die Zeitungshäuser. Die Main-Post wird trotz einer vom Gesetzgeber vorgesehenen Übergangsregelung den Mindestlohn ab 1.1.2015 allen Zustellerinnen und Zustellern in ihrem Verbreitungsgebiet bezahlen und hofft den Beruf damit attraktiver zu machen.

Frage: Ab 1. Januar nächsten Jahres gilt in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn. Was bedeutet das für die Main-Post?

David Brandstätter: Die Mediengruppe Main-Post wird von diesem Zeitpunkt an alle Zusteller mit 8,50 Euro pro Stunde vergüten. Wir tun dies, obwohl es für Zeitungsboten eine Übergangsregelung bis 2017 gibt. Der Grund für unsere Entscheidung:  Viele Zusteller stellen auch Briefe zu und fallen damit nicht unter diese Ausnahmeregelung.  Deshalb wird die Main-Post von der ersten Minute an den allgemein gültigen Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen.

Ist der Mindestlohn für die Main-Post mit Mehrkosten verbunden?

Brandstätter: Ja. Und dafür gibt es zwei wesentliche Gründe. Während wir in dicht besiedelten, städtischen Gebieten viele Zusteller haben, die bereits heute deutlich über dem Mindestlohn verdienen, wird in vielen kleinen Dörfern und Gemeinden der Mindestlohn nicht erreicht. Denken Sie nur an den Spessart, die Rhön, den Ochsenfurter Gau, den Steigerwald und die Haßberge. Dort sind die Wege oft weit und die Einheiten, also die Anzahl der Häuser und Wohnungen, recht klein. Da entstehen erhebliche Mehrkosten.

Und der zweite Grund für die Kostensteigerung?

Brandstätter: Das ist ein grundlegend neues Modell bei der Abrechnung: Heute werden alle Zusteller auf Stücklohnbasis abgerechnet, in Zukunft muss dies nach Zeitwert geschehen. Das bedeutet konkret, dass wir in allen 2100 Zustellbezirken den genauen Zeitaufwand für die Zustellung ermitteln müssen. Und dann müssen wir täglich 2100 Stundenzettel verarbeiten, weil sich die Zustellmengen von Zeitungen und Briefen täglich ändern. Bei 300 Erscheinungstagen unserer Zeitung sind das alleine im Jahr über 600 000 Stundenzettel. Das ist ein riesiger Verwaltungsaufwand, den wir heute nicht haben.

Ist dieser große Dokumentationsaufwand überhaupt erforderlich?

Brandstätter: Ja, der ist nötig, weil einerseits der Gesetzgeber dies genau so einfordert. Aber es ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern durchaus auch in unserem Interesse, sehr exakt zu arbeiten. Denn wenn jeder Zustellbezirk täglich nur um zehn Minuten falsch abgerechnet würde, hätten wir schon ein Delta von maximal 21 000 Minuten bzw. 350 Stunden am Tag. Das sind knapp 3000 Euro pro Tag, also in einem Jahr mit 300 Zustelltagen über 900 000 Euro.

Das klingt bombastisch. Wie oft haben Sie in den vergangenen Wochen den Mindestlohn schon verflucht?

Brandstätter: Als werteorientiertes Haus stehen wir grundsätzlich zu der Idee hinter dem Mindestlohn: Es geht hier um mehr soziale Gerechtigkeit. Wer einer Vollzeit-Beschäftigung nachgeht, soll davon leben können. Für unsere Zeitungsträger ist die Zustellung jedoch nahezu in allen Fällen ein Zuverdienst. Oft eine Aufbesserung der Rente. Das größte Problem für uns ist aber in erster Linie der extrem hohe Aufwand für die daraus resultierende Umstellung. Dafür hat uns der Gesetzgeber auch sehr wenig Zeit gelassen. Ich glaube nicht, dass eine andere Branche einen derartigen Aufwand betreiben muss.

Wie werden Sie die durch den Mindestlohn verursachten Mehrkosten abfedern?

Brandstätter: Da müssen wir an sehr vielen Schrauben drehen. Natürlich werden wir die Logistik und die Zustelltouren optimieren. Wir werden zudem vielen Zustellern zu mehr Mobilität verhelfen müssen. Das heißt ganz konkret, ihnen Fahrräder, Mopeds und in Einzelfällen sogar Autos zur Verfügung zu stellen. Das kostet natürlich richtig viel Geld.

Werden die zusätzlichen Kosten auch an die Kunden weitergegeben?

Brandstätter: Trotz aller Optimierungsversuche wird es unmöglich sein, die Mehrkosten für die Zustellung sowie für den Mehraufwand in der Verwaltung ohne Kostenweitergabe abzufangen. Unser Ziel ist es aber, an unsere Abonnenten und Anzeigenkunden lediglich 25 Prozent der Mehrkosten weiterzureichen. Ein sehr ehrgeiziges Ziel.

Rechnen Sie dafür mit Verständnis bei den Kunden?

Brandstätter: Für den ganz überwiegenden Teil will ich das mit einem klaren Ja beantworten. 82 Prozent der Bundesbürger haben sich für den Mindestlohn ausgesprochen. Dass dieser aber auch finanziert werden muss, ist den Menschen sicherlich immer klar gewesen. Der Mindestlohn bringt mehr Geld in die privaten Haushaltskassen, was wiederum der Gesamtwirtschaft unseres Landes zugutekommt. Das ist ein Kreislauf, an dem wir als Kunden natürlich auch immer beteiligt sind.

Zu den Profiteuren dieses Kreislaufs gehören auf jeden Fall die Zustellerinnen und Zusteller der Tageszeitung.

Brandstätter: Das stimmt. Der Mindestlohn macht ihre Arbeit attraktiver. Das ist zweifellos die gute Nachricht für unsere verlässlichen Mitarbeiter, die 300 Mal im Jahr bei Wind und Wetter unseren Kunden die Zeitung frei Haus liefern. Der festgelegte Stundenlohn dürfte auch bei der Akquisition neuer Zusteller ein Vorteil sein. Und das wird am Ende unsere hohe Zustellqualität sichern, was natürlich unser höchstes Interesse ist.
 


 
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