
Cornelia "Conny" Arbes steht im Erdgeschoss ihres Wohnhauses in Wülfershausen – in ihrem "Wohl-Füll-Eck". Alles ist neu und glänzt und genau so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Die letzten Wochen waren anstrengend und stressig für sie. Die Nächte kurz. Zuletzt nur ein paar Stunden. Trotzdem strahlt sie – und sie strahlt aus. Zufriedenheit, Vorfreude und Zuversicht. Nach monatelange, aufwendigen Umbauarbeiten hat sie sich den Traum eines eigenen Unverpacktladens erfüllt. Sie meint es ernst und sie zieht es durch. Doch wie kam es dazu?
Ein Urlaubserlebnis mit Folgen
"Ich achte schon seit vielen Jahren darauf, möglichst umweltverträglich einzukaufen. Ich gehe zu den Bauern und Erzeugern in der Region und versuche mein Leben möglichst nachhaltig zu gestalten. Das war und ist für mich selbstverständlich und normal." Im vergangenen Jahr machte sie mit ihrem Mann Rüdiger ein paar Tage Urlaub im Allgäu. Abschalten vom Job als Finanzbuchhalterin, den sie seit über 25 Jahren ausübte. Einfach mal etwas anderes sehen, schlendern und die Zeit genießen. Nicht viel denken.
Beim Urlaubsspaziergang durch die Wangener Paradiesstraße sahen sie den ansprechenden, kleinen Laden "Tante Lose" und schauten einfach mal rein. "Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern. Es war für mich, wie eine neue Welt, die sich mir da eröffnete", sagt Conny.
Ein Laden, der seiner Kundschaft ermöglichen möchte, plastik- und verpackungsfrei einzukaufen. Ab da an sprachen sie im Urlaub über nichts anderes mehr. Auch Zuhause in Wülfershausen arbeitete dieses Erlebnis in Conny und ihrem Mann Rüdiger weiter. Plötzlich sagte er: "Lass uns doch einen Unverpackt-Laden bei uns in Wülfershausen eröffnen." Conny gesteht: "Ich hätte mich nie getraut, diesen verrückten Gedanken auszusprechen. Ab diesem Moment ging die Maschinerie aber bei mir unaufhaltsam los."
Conny plante, recherchierte und informierte sich über andere Unverpacktläden in ganz Deutschland. Diese sind jedoch oftmals in größeren Städten und Einkaufsstraßen, nicht im Wohngebiet eines kleinen Dorfes. Genau das war aber Connys Ansporn und Anspruch. Jetzt erst recht. Jetzt erst richtig.
Raus aus der Komfortzone, rein in den persönlichen Traum
Conny kündigte ihren sicheren Job als Finanzbuchhalterin und begab sich auf neues Terrain. Raus aus der Komfortzone, rein in ihren Traum, der jeden Tag ein Stück mehr wahrwurde. Von der ersten Idee bis zur tatsächlichen Realisierung und dem Beginn der Baumaßnahmen durfte sich Conny Arbes über viel Unterstützung und Zuspruch freuen. Vom Amt für ländliche Entwicklung, von der Gemeinde Wülfershausen, vom Freundeskreis und vom Verein HeimatUnternehmen Bayerische Rhön.

Natürlich gab es auch die Zweifler, die Besserwisser und die Pessimisten, die Conny ihr Projekt ausreden wollten. Ein Satz an der Eröffnungsfeier ihres "Wohl-Füll-Ecks" ist für Connys Vorhaben ziemlich treffend und bezeichnend: "Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam eine, die wusste das nicht und hat's einfach gemacht." Wülfershausens Bürgermeister Wolfgang Seifert sagte in seinem Grußwort, dass es die Aufgabe einer jeden Generation sei, die Erde besser zu verlassen, wie man sie vorgefunden habe.
Beitrag für eine bessere Zukunft
Connys Unverpacktladen soll genau solch ein Beitrag zum Erhalt eines lebenswerten Planeten sein. "Recycling ist gut, Müll vermeiden ist noch besser. Ich will mit meinem Projekt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger umhergehen, sondern den Menschen, die das möchten, zeigen, dass es Alternativen gibt. Beim Konsum, bei Produkten und bei der Art des Einkaufens. Mehr nicht."
Und Connys Konzept sieht so aus: Die Kundinnen und Kunden überlegen sich Zuhause, welche Lebensmittel und Alltagsprodukte fehlen. Sie bringen Ihre Behältnisse und Transportboxen mit nach Wülfershausen, wiegen diese ab und füllen sie wieder auf. So viel wie eben benötigt wird. Für Spontaneinkäufe hat sie auch immer Pfandbehälter vor Ort.

Ein Café direkt am Radweg
Drinnen, im Wohl-Füll-Eck, gibt es nun seit Anfang Juli ein breites Sortiment mit allerhand Grundnahrungsmittel in Bio-Qualität. Der Käse, der Kaffee oder die Mehle kommen nur wenige Kilometer von Wülfershausen entfernt. Dazu bietet Conny noch Hygieneartikel, Putzmittel und alles, was man so im Haushalt benötigt, an. Draußen auf der neu gestalteten Terrasse soll schon bald, direkt am Radweg der Findelmühlstraße, ein kleines Café zum Verweilen entstehen. Es ist Connys kleines Paradies.
Conny ist zuversichtlich und freut sich auf viele Kundinnen und Kunden. "Es geht bei diesem Konzept und diesem Lebensstil nicht darum, sich zu geißeln, sich etwas zu verbieten oder sich vorzunehmen zu 100 Prozent auf Plastik zu verzichten. Das wäre recht desillusionierend und enttäuschend. Es geht darum, sich auf den ungezwungenen Wettkampf mit sich selbst einzulassen. Wo kann ich in meinem Alltag vielleicht noch einen Ticken Plastik- und Einwegverpackungen einsparen?" Conny lächelt. "Das wiederum ist ziemlich einfach."
