Zu Beginn der Neunzigerjahre konnten noch 90 Prozent der Grundschüler sicher schwimmen, zitiert die SPD Rhön-Grabfeld die Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Heute seien es nur noch 40 Prozent der Kinder. Das wolle man ändern. Die Fraktion beantragt deshalb ein kommunales Förderprogramm, um die Schwimmfähigkeit von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Der Kreistag beschäftigt sich diesen Dienstag mit dem Thema.
Anlass für diese Redaktion, die Situation im Landkreis Rhön-Grabfeld unter die Lupe zu nehmen: Wie gut schwimmen Rhön-Grabfelds Kinder? Mangelt es bereits heute an Schwimmstätten im Landkreis? Und ist Schwimmunterricht in der Grundschule überhaupt noch die Regel?
Susanne Jessat, Fachberaterin Sport für die Grundschulen im Landkreis und selbst Lehrerin an der Malbach-Grundschule Mellrichstadt, bestätigt den Trend: "Vor zehn Jahren konnten circa Dreiviertel der Kinder bei ihrer Einschulung schwimmen, heute ist es nur noch die Hälfte der Kinder", sagt sie auf Anfrage. Dabei sind die öffentlichen Schwimmkurse, beispielsweise im Triamare oder im Sportbad Mellrichstadt, starkt nachgefragt, wie die Betreiber auf Anfrage dieser Redaktion erklären.
Planschen statt Schwimmen lernen
Prinzipiell haben Jessat und Schulamtsleiter Klaus Jörg beobachtet, dass viele Erlebnisbäder heute aufs Badeerlebnis, nicht aufs Schwimmenlernen ausgelegt sind. Familien gingen seltener und wenn häufig "nur" zum Planschen ins Schwimmbad. Trotz allem: Der Großteil der Eltern befürworte den Schwimmunterricht, aber der private Elan, beispielsweise in der Freizeit mit den Kindern Übungen zu intensivieren, lasse tendenziell nach, beobachtet Jessat.
"Alarmierend", findet die Sportbeauftragte diese rückläufige Entwicklung der Schwimmfähigkeit bei den Schulanfängern. Denn: "Nichtschwimmen ist lebensgefährlich", Jessat wird es deshalb nicht müde, sich für den Schwimmunterricht in der Grundschule einzusetzen.
Dass dennoch nicht jede Rhön-Grabfelder Schule Schwimmunterricht anbieten kann, dafür haben sowohl Jessat als auch Rhön-Grabfelds Schulamtsleiter Klaus Jörg Verständnis. "Schwimmen ist normalerweise Pflichtunterricht", stellt Jörg klar, "aber ich kann kein Schwimmen unterrichten, wenn ich kein Schwimmbad habe."
Schwimmunterricht in 78 Prozent der Rhön-Grabfelder Grundschulen
Circa 78 Prozent der Grundschulen in Rhön-Grabfeld erteilen Schwimmunterricht, informiert Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung von Unterfranken. Damit liegt Rhön-Grabfeld knapp unter dem Unterfrankenschnitt (82 Prozent).
Schwimmunterricht findet in allen Jahrgangsstufen, vorwiegend aber in drei und vier statt, konkretisiert Jessat. Fünf Schwimmbad-Standorte werden laut Hardenacke genutzt: das Sportbad Mellrichstadt, das Erlebnisbad Triamare in Bad Neustadt, das Schulschwimmbad am Gymnasium in Bad Königshofen sowie die Hallenbäder in Ostheim und Bischofsheim-Haselbach.
Fünf Schwimmstätten in Rhön-Grabfeld
"Jedes einzelne Bad in Rhön-Grabfeld ist wichtig für den Sportunterricht", betont Sportbeauftragte Jessat. Dennoch gebe es Bäder, die sich besser eignen als andere. Optimal ist in ihren Augen das Sportbad in Mellrichstadt, da es vormittags komplett für die Schulen reserviert sei. Aufgrund der günstigen Bedingungen kann die Grundschule Mellrichstadt von der zweiten bis in die vierte Klasse durchgehend allen Schülern Schwimmunterricht anbieten. Schon heute graut es ihr vor dem Tag, an dem das Mellrichstädter Bad renoviert werden muss. "Dann gibt es keine Ausweichmöglichkeiten." Die Kapazitäten in allen anderen Bädern sind ausgeschöpft.
Prinzipiell, findet sie, seien Erlebnisbäder wie das Triamare allein wegen des Publikumsbetriebs während des Unterrichts (eine Bahn Freizeitschwimmer, zwei Bahnen Schule eins, zwei Bahnen Schule zwei) nur bedingt geeignet. Ostheim und Bad Königshofen wiederum haben kein 25-Meter-Becken. Bundesjugendspiele können dort nicht abgehalten, Abzeichen nur schwer abgenommen werden.
Warum einzelne Grundschulen nicht zum Schwimmen gehen
Das Hallenbad in Haselbach kann wegen der Tiefe des Beckens frühestens ab der vierten Klasse genutzt werden, so handhabt es beispielsweise die Kreuzberggrundschule Bischofsheim. Viertklässer dort haben in der Regel sechs Doppelstunden Schwimmunterricht, so Schulleiter Rüdiger Bader auf Anfrage.
Schulleiterin Doris Weidenhammer von der Valentin-Rathgeber-Grundschule Oberelsbach wiederum hat sich gegen Grundschul-Schwimmen in Haselbach entschieden: "Weil das Wasser dort auch einem kleinen Fünftklässer noch Oberkante Unterlippe steht", erklärt sie. Schwimmunterricht gibt es für die Oberelsbacher keinen, "weil ich kein Schwimmbad mit Niedrigwasser in fahrbarer Entfernung habe", so Weidenhammer.
Die Schulen, die keinen Schwimmunterricht erteilen, "liegen leider weit ab von nutzbaren Schwimmbädern", erklärt auch Jessat. Keinen Schwimmunterricht gibt es in Rhön-Grabfeld beispielsweise in Sandberg und Fladungen. Bis 2016 waren die Sandberger Grundschüler im Wildfleckener Schwimmbad unterrichtet worden. Dann schloss das Bad. "Derzeit suchen wir nach neuen Möglichkeiten und einer geeigneten Schwimmstätte", erklärt Schulleiterin Jutta Spee auf Anfrage. Auch Fladungen bietet keinen Schwimmunterricht an. "Es rentiert sich nicht nach Ostheim zu fahren", so Schulleiterin Sabine Thanisch.
An geeigneten Schwimmlehrern mangelt es in Rhön-Grabfeld offensichtlich nicht. 94 Sportlehrer gibt es laut Regierungs-Pressesprecher Hardenacke in Rhön-Grabfeld im Grundschulbereich. Mindestens die Hälfte sei qualifiziert Schwimmunterricht zu erteilen. "Die Kollegen machen das Beste aus den manchmal schwierigen Verhältnissen", betont auch Jessat. Allerdings seien die Anzahl der Lehrerstunden für einen gut differenzierten Unterricht oft zu gering.
Wann das Modell "Schwimmfix" ein Erfolg ist
Toll findet Jessat das von der Regierung von Unterfranken initiierte Modell "Schwimmfix", bei dem bis zu sechs Schüler in einer Kleingruppe über einen gewissen Zeitraum intensivst unterrichtet werden. In 25 Prozent der Grundschulen in Rhön-Grabfeld werde das Konzept angewendet, so Hardenacke. "Allerdings macht das nur Sinn, wenn dafür auch zusätzliche Lehrerstunden zur Verfügung gestellt werden und dies nicht auf Kosten des normalen Schwimmunterrichts geht", so Jessat.
Wie viel Prozent der Rhön-Grabfelder Grundschüler am Ende der vierten Klasse tatsächlich schwimmen können, dazu kann Hardenacke keine Zahlen vorlegen. Es gebe keine entsprechenden Erfolgskontrollen. "In Mellrichstadt sind es bestimmt 98 bis 99 Prozent", schätzt Jessat. Allerdings seien die Bedingungen dort eben ideal.
Danke, Mainpost, für die Recherche.