Ist Deutschland ein Nichtschwimmerland? Zumindest ist es auf einem guten Weg, eines zu werden: Denn 59 Prozent der Zehnjährigen sind laut einer aktuellen Forsa-Umfrage keine sicheren Schwimmer. Dies gab der Vizepräsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Achim Haag, am Dienstag in Hannover bekannt: „Die Schwimmfähigkeit der Kinder im Grundschulalter ist weiterhin ungenügend.“ Welche Folgen das haben kann, zeigt ein trauriger Fall in München: Ende Mai sprang ein 15-jähriges Mädchen in den Eisbach im Englischen Garten und ertrank. Das Mädchen war Nichtschwimmerin.
Kaum tödliche Badeunfälle in Unterfranken
Jährlich sterben bundesweit Hunderte Menschen beim Baden. Spitzenreiter im Jahr 2016 ist Bayern – 91 Menschen ertranken vergangenes Jahr im Freistaat. Zum Vergleich: 76 Menschen starben in Nordrhein-Westfalen beim Baden, im Saarland nur zwei. In Unterfranken ist die Zahl der polizeilich registrierten tödlichen Badeunfälle gering: 2016 gab es lediglich einen tödlichen Badeunfall, 2015 sogar keinen einzigen, teilte Polizeisprecher Michael Zimmer dieser Redaktion auf Anfrage mit.
„Als sicherer Schwimmer gilt, wer die Disziplinen des Jugendschwimmabzeichens in Bronze sicher beherrscht“, so Achim Haag. Das Seepferdchen reiche nicht aus, da es nicht als Schwimmabzeichen gelte. Im Durchschnitt besäßen nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen ein Jugendschwimmabzeichen. 77 Prozent der Grundschüler haben laut Umfrage das Seepferdchen absolviert.
Schwimmunterricht wird vernachlässigt
„In der Grundschule ist die Schwimmausbildung offenbar aus der Mode gekommen, und geht die Entwicklung so weiter, gibt es die dort bald gar nicht mehr“, sagt Haag. Dies sei ein Grund für die Entwicklung. Außerdem brächten immer weniger Eltern ihren Kindern das Schwimmen bei. Der DLRG-Vizepräsident steht mit dieser Ansicht nicht alleine da. „Der Schwimmunterricht wird in den Schulen vernachlässigt“, findet auch der Stefan Lurz, Bundesstrainer für Freiwasserschwimmen und Chefcoach im Würzburger Wolfgang-Adami-Bad. Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen würden immer mehr Schwimmbäder geschlossen, so Lurz. Zwischen 2005 und 2014 wurden laut Angaben des Deutschen Sportlehrerverbandes (DSLV) Bayern im Freistaat 43 öffentliche Schwimmbäder geschlossen.
Dabei müssen Grundschulen in Bayern den Schwimmunterricht gewährleisten. „Das steht im Lehrplan und ist verpflichtend“, sagt Barbara Roth, Präsidentin des DSLV-Bayern. „Die Schulen müssen Maßnahmen ergreifen, damit die Kinder am Ende schwimmen können.“ Soweit die Theorie. Die Praxis zeigt: An vielen Schulen findet gar kein Schwimmunterricht mehr statt. Denn es mangelt längst nicht nur an Schwimmbädern – auch die Zahl qualifizierter Lehrkräfte, die Schwimmunterricht erteilen dürfen, ist längst nicht ausreichend. Für Barbara Roth ist das ein großes Ärgernis. Konsequenzen müssen die Schulen derzeit nicht fürchten. „Schwimmunterricht hat einfach nicht mehr so einen großen Stellenwert“, sagt die Expertin.
"Viele Lehrer haben Angst"
Ein weiteres Problem sei die Größe der Schulklassen. „Die Gruppen bestehen aus bis zu 30 Schülern, viele davon sind Nichtschwimmer“, sagt Roth. Für eine einzige Lehrkraft sei das kaum zumutbar. „Viele Lehrer haben Angst, dass sie die Sicherheit nicht gewährleisten können.“
Die Folge: Viele Lehrer stiegen lieber auf andere, weniger risikoreiche Sportarten um, so Stefan Lurz. Der Schwimmtrainer appelliert indes auch an die Eltern, ihren Kindern das Schwimmen beizubringen. „Wir haben ständig mit Wasser zu tun, fahren auch im Urlaub am liebsten an Badesehen oder ans Meer. Schwimmen ist wichtig. Denn je besser man schwimmen kann, desto geringer sind die Risiken.“ Mit Informationen von DPA