Es sind immer die Täter, die nach einem Verbrechen das meiste Interesse auf sich ziehen. Was hat sie zu der Tat getrieben? Was ist ihr Hintergrund, ihre Persönlichkeit, ihre Geschichte? An die Not und das Leid der Opfer denkt kaum einer.
Für Polizei und Justiz sind Opfer von Gewalttaten in erster Linie als Zeugen wichtig, damit die Täter ermittelt und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden können. Ansprechpartner für Menschen, die misshandelt, sexuell missbraucht, vergewaltigt, überfallen, beraubt oder bedroht wurden, ist die Opferschutzorganisation Weißer Ring. Die Außenstelle Rhön-Grabfeld hat nun einen neuen Beauftragten: Manfred Steigerwald aus Niederlauer. Zusammen mit Stefania und Michael Zastrow und Christiane Kagarah betreut er künftig Verbrechensopfer.
Steigerwald hat das Ehrenamt von Manfred Krugübernommen, der bei der Bundespolizei in Oerlenbach arbeitet und beruflich so stark eingebunden ist, dass er das Amt in neue Hände geben wollte.
Beruflicher Hintergrund
Beauftragte des Weißen Rings sind häufig Polizisten, die die Not der Opfer tagtäglich erleben. Manfred Steigerwald hat einen ganz anderen beruflichen Hintergrund. Er war Geschäftsführer der Caritas Schulen gGmbH und somit zuständig für die 24 unterfränkischen Berufsbildenden Schulen und Förderschulen des Caritasverbandes der Diözese Würzburg. Kurz nach seiner Verabschiedung in den Ruhestand wurde er an seine alte Wirkungsstätte in Würzburg zurückgeholt. Ein Posten in der Personal- und Finanzabteilung war vakant. Steigerwald übernahm die Aufgabe, bis ein Nachfolger gefunden war.
Seine Entscheidung, sich nun im Weißen Ring zu engagieren, begründet der fast 70-Jährige ganz pragmatisch: „Die Situation war da, es wurde jemand gebraucht und es hat mich interessiert.“ Rasen mähen und sich um Haus und Hof kümmern, das füllt ihn nicht aus. Seine Frau trägt die Entscheidung mit.
Sie verstehen sich als Lotsen
Steigerwald und sein Team verstehen sich als Helfer für Geschädigte von Straftaten und als Lotsen, die ihre Klienten dorthin verweisen, wo sie Hilfe erhalten können. Es geht darum, die Notlage von Menschen zu lindern“, sagt Steigerwald und zählt auf, wie konkret geholfen werden kann. Als Beauftragter des Weißen Rings kann er Gutscheine für eine anwaltliche Erstberatung, psychotraumatologische Ersthilfe oder für eine medizinische Untersuchung nach einem Sexualdelikt vergeben. Unterstützung mit Bargeld ist in Ausnahmefällen auch möglich. Beispielsweise wenn ein Mensch um sein komplettes Geld geprellt wurde und Bares für Lebensmittel braucht.
Darüber hinaus bieten die „Lotsen“ menschlichen Beistand und Betreuung nach der Straftat, sie begleiten sie zu Terminen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, sie bieten Hilfestellung beim Umgang mit weiteren Behörden und vermitteln Hilfsangebote weiterer Organisationen.
Finanzielle Unterstützung
Unter ganz bestimmten Voraussetzungen übernimmt der Weiße Ring auch Anwaltskosten, beispielsweise um Opferschutzrechte in einem Strafverfahren zu wahren, oder zur Durchsetzung sozialrechtlicher Ansprüche. Darüber entscheidet allerdings nicht der Beauftragte vor Ort, sondern die Weiße-Ring-Zentrale in Mainz.
Das wichtigste Element der Opferarbeit des Weißen Rings ist die immaterielle Hilfe. Seine ehrenamtlichen Mitarbeiter sind oft die ersten Menschen, mit denen die Betroffenen über ihre Probleme sprechen können. „Schon ein Telefongespräch, ein Besuch am Krankenbett, die Hilfestellung im Umgang mit den Behörden – einfach das Gefühl, als Opfer nicht vergessen zu sein, kann den Betroffenen wieder Mut und neue Hoffnung geben“, heißt es in einer Mitteilung der Organisation.
Distanz wahren
Manfred Steigerwald weiß, dass er in seinem Ehrenamt in menschliche Abgründe blicken wird, die er lieber nie gesehen hätte. Und er weiß auch, dass er mit Verhalten konfrontiert werden wird, das an Boshaftigkeit, Tücke und Grausamkeit kaum zu überbieten ist. „Bei all dem Leid, das einem begegnet, muss man professionell bleiben, sagt er. Dabei hilft, dass er sich mit den Leuten in seinem Team austauschen kann. Und vielleicht hilft auch ein Spaziergang im Wald. Denn seinem Hobby, der Jagd, will er auch weiterhin frönen.
Manfred Steigerwald und sein Team sind telefonisch erreichbar unter: (01 51) 55 16 48 38. Eventuell anschließende Beratungsgespräche finden im Caritashaus Edith Stein in Bad Neustadt statt.