Im Abgasskandal hat das Landgericht Schweinfurt einem unterfränkischen Autokäufer ein Urteil präsentiert, von dem andere unter den 2,4 Millionen betroffenen VW-Kunden nur träumen können: Der Händler soll seinen Seat Alhambra zurücknehmen. Jürgen T. soll den Kaufpreis, rund 28.000 Euro zurückbekommen. Er soll nur für die siebenjährige Nutzung und über 100.000 gefahrene Kilometer eine Nutzungsentschädigung von 9600 Euro zahlen. Der Autohersteller Seat gehört zur Volkswagen AG.
Zulassung erlischt
Doch der Konzern geht in Berufung – mit schwerwiegenden Folgen für den Kunden: Weil T. die von VW vorgeschlagene Nachrüstung des Motors ablehnt, erlischt die Zulassung. Die Konsequenz: Trotz seines – nicht rechtskräftigen – Urteils will das Landratsamt Rhön-Grabfeld den Seat Ende September still legen.
Schadenersatz grundsätzlich möglich
Denn eines tut dem Wolfsburger Autobauer weh: Das Gericht in Schweinfurt hat mit deutlichen Formulierungen festgestellt, dass der Volkswagen-Konzern seinem getäuschten Kunden gegenüber grundsätzlich zum Schadenersatz verpflichtet ist. Das könnte – wenn es auch in der nächsten Instanz am Oberlandesgericht Bamberg hält – den Konzern viel Geld kosten. Er musste schon bisher 27 Milliarden zur Bewältigung des Abgasskandals aufbringen.
Viele Streitfälle an Gerichten
Ausgestanden ist der Abgasskandal noch lange nicht: An Zivilgerichten fordern Anleger und Autokäufer wie T. weitere Milliarden Euro Schadenersatz. Allein am Landgericht Würzburg sind derzeit nach Auskunft von Richter Rainer Volkert 123 Klagen gegen VW und zehn weitere gegen die Audi AG am Laufen, in Schweinfurt laut Pressesprecherin Melanie Roth 78, in Aschaffenburg laut Pressesprecher Simon Schultheiß 110 Klagen – jeweils noch nicht eingerechnet die Fälle, in denen Kunden nur gegen die Händler vor Gericht gehen. Schon der Streitwert des derzeit bundesweit beachteten Musterverfahrens am Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) liegt bei mehr als neun Milliarden Euro.
„Wo bleibt denn da die Gerechtigkeit, wenn mein Auto jetzt stillgelegt wird?“ fragt T. erzürnt. „VW schickt die für die Manipulation Verantwortlichen an der Konzernspitze mit Millionenabfindungen nach Hause – und wir streiten letztlich um 9000 Euro? Wenn VW die Millionen dazu verwenden würde, die Kunden zufrieden zu stellen, würde man dem Konzern auch abnehmen, dass er sich ehrlich um Aufarbeitung des Abgas-Skandals bemüht.“
Klagefrist läuft Ende des Jahres aus
Für die deutschen VW-Kunden läuft die Frist für Klagen zum Jahresende ab. Zugleich ermitteln die Staatsanwaltschaften in Braunschweig, Stuttgart und München gegen aktuelle und ehemalige Mitarbeiter von VW, Audi und Porsche. Zu den Beschuldigten gehören Ex-Volkswagen Chef Martin Winterkorn und die amtierenden VW-Vorstands- und Aufsichtsratschefs Herbert Diess und Hans Dieter Pötsch. Der beurlaubte Audi-Chef Rupert Stadler ist seit Mitte Juni in Untersuchungshaft.
Nicht geeignet für grüne Plakette
Der Kunde aus Unterfranken hatte seinen fast neuen Seat Alhambra 2.0 TDI bei einem Händler in Ostheim 2011 gekauft. „Bei meiner Kaufentscheidung spielte es schon eine entscheidende Rolle, ein umweltfreundliches Auto der Schadstoffklasse 5 zu kaufen, mit dem ich auch in Städte fahren kann, die nur Fahrzeuge mit der grünen Umweltplakette hereinlassen“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion.
Als 2015 der Abgasskandal bekannt wurde, erfuhr er: Die Angaben in Broschüren und Preislisten zu seinem Wagen waren falsch, der Ausstoß von Stickoxiden weit höher als zugesagt. „Die Angaben des Herstellers zur Umweltverträglichkeit waren eine schlichte Lüge“, sagt T.. Auch die Angaben zum Kraftstoffverbrauch und Kohlendioxid-Ausstoß seien falsch.
Keine Garantie für die Nachbesserung
Zwar könnte der Kunde nun sein Fahrzeug nachbessern lassen. Das schlug ihm sein Händler 2016 auch vor. Doch das lehnt der Autobesitzer ab, weil er Experten glaubt, die sagen: Eine mängelfreie Nachbesserung des Wagens sei dadurch nicht möglich. Zu befürchten seien höhere Spritwerte, geringere Leistung, kürzere Lebenszeit des Motors und häufigerer Wechsel von Verschleißteilen. Und weil VW eine Garantie für die Nachbesserung ablehne, könne er den Wagen nur mit erheblichen Abschlägen weiterverkaufen.
Das Landgericht Schweinfurt hielt die Klage gegen den Händler und den VW-Konzern für „zulässig und überwiegend begründet,“ heißt es in der Entscheidung. „Soweit die Beklagten der Auffassung sind, dass es sich bei der verbauten Software um keine „Abschaltvorrichtung“ handelt, ist dies offensichtlich unzutreffend.“ Dabei berief sich die Richterin auf zwölf entsprechende Entscheidungen an anderen Gerichten, darunter drei an Oberlandesgerichten, die zugunsten der VW-Kunden entschieden hatten.
Gericht: „Nachbesserung unzumutbar“
Der „keineswegs nur ins Blaue geäußerte Mängelverdacht reicht aus, um dem Kläger die Nachbesserung unzumutbar zu machen,“ betont das Gericht. „Es genügt nicht, einen Mängel abzustellen, wenn dafür ein anderer Mangel entsteht.“ Die Schweinfurter Richterin wurde in ihrem 41 Seiten starken Urteil deutlich: Es verstoße „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn ein Hersteller eine Software einsetzt, die die Einhaltung der gesetzlichen Umweltstandards bewusst ,vorspielt‘, um damit einem dem gesellschaftlichen Zeitgeist der Umweltverträglichkeit entsprechendes Fahrzeug zu vermarkten.“ Dies und die Schädigung von Millionen von Kunden und Menschen an Gesundheit und Vermögen gebe „dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit und lässt sich nicht abtun mit dem Hinweis, es handle sich „nur“ um einen Gesetzesverstoß.“
Fristverlängerung bis Jahresende
Der Fall geht nun beim Oberlandesgericht Bamberg in die zweite Instanz. Ein Termin steht noch nicht fest. Eines gibt T. aber Hoffnung: Das Landratsamt in Bad Neustadt zeigte sich bürgerfreundlich: Die Zulassungsstelle hatte zwar vom Kraftfahrtbundesamt die Information bekommen, dass er seinen Wagen nachrüsten soll, wenn er vermeiden will, dass das Auto stillgelegt wird. Doch angesichts des schwebenden Verfahrens vor Gericht hat ihm die Zulassungsstelle jetzt erst einmal bis Jahresende Frist gegeben, den Fall zu klären. Man habe von dem Urteil gerade erst durch einen Anruf erfahren, prüfe diese Fälle mit Augenmaß und entscheide dann nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, erklärte ein Sprecher der Zulassungsstelle – in diesem Fall zugunsten des Autobesitzers.
Wenn ich dann noch höre, was beim nahenden "Dieselgipfel" angeblich so alles rauskommen und beschlossen werden soll, ist dies aus meiner Sicht einfach nur noch der Wahnsinn! Lobbyarbeit steht wohl über allem?
Was ich aber richtig und wichtig finde, dass in der Presse über die entsprechenden Urteile fleißig berichtet wird!
Da wird betrogen und gelogen, dass sich sprichwörtlich die Balken biegen. Hier zeigt sich deutlich, wie man im Konzern denkt!
Man zahlt Milliarden an Strafen und hat ebenso Auslagen in Milliardenhöhe.
Der Kunde wird einfach sitzen gelassen und bekommt mit viel Glück wenigstens noch hämische Worte.
Und trotz Milliardenverlust hat Volkswagen noch immer genug Geld übrig.
Wie geht das? Ganz einfach! Das geht, weil der Kunde die Phrase Preis-Leistungsverhältnis nicht kennt und die völlig überhöhten Fahrzeugpreise anstandslos bezahlt. Dafür bekommt er dann Schummelsoftware, unausgereifte und maßlos überkompliziert gebaute Technik und zahlt die Entwicklungskosten für völlig an der Praxis vorbeientwickelte Fahrzeuge (die der Normalsterbliche sich nicht einmal leisten kann).
Zugegeben, hier im Haushalt fährt auch ein Volkswagen. Baujahr 1994. Und der läuft und läuft und läuft...
Betrueger darf man nicht unterstuetzen.
Ich habe meine Kundennummer im Konzern loeschen lassen und ein Werbeverbot an meine Adresse erwirkt. Kommt da was, gibts eine Abmahnung. Der Anwalt freut sich jetzt schon.
Ich diskutierte das mit einem Bekannten, der bei VW arbeitet.
Was der unter der Hand erzaehlt, ohne Worte.
Da VW fuer systemrelevant gehalten wird, koennen die derart arrogant mit dem Steuerzahler umgehen
Lauter Drecks...e
Sonst gebe ich Ihnen recht!!
Das ganze ist ein unerträgliches Schmierentheater. Nach dem Betrugsskandal hat unser VDA Minister Dobrindt vermeldet, Hardwarenachrüstung wäre zu teuer (bei VW schätzte man 2 Mrd, nichtmal 20% des letztjahrigen Gwinns!) und dauert zu lange (geschätzt 2 Jahre).
Jetzt sind 3 Jahre seit dem Skandal vergangen und ausser ein paar nutzlosen Softwareupdates ist NICHTS passiert! Für mich der nächste Skandal!! EIn Land in Geißelhaft der Konzerne. Wie auch im Hambacher Forst, aber das ist ein anderes Thema.
Schlimmer noch als das Schummeln beim Test: Das Thermofenster bei ALLEN Dieseln. Keine Abgasreinigung bei Aussentemperaturen unter 16C "um den Motor zu schonen", völlig legal.
Der Verbraucher hätte es in der Hand, wenn er denn wollte: Keine Diesel mehr kaufen. Das wäre aktive Beihilfe zum Betrug. Die Autoindustrie mag systemrelevant sein, Diesel allein ist es nicht.