Volkswagen-Chef Martin Winterkorn stehen ungemütliche Tage ins Haus. Der Abgas-Skandal in den USA bedroht den Autokonzern zur Unzeit. Es drohen Strafen in Milliardenhöhe, vor allem aber ein enormer Ansehensverlust. Dabei sind die USA ohnehin eine unerfreuliche Baustelle für Winterkorn, dessen Vertrag kürzlich nach dem Sieg im Machtkampf mit Ferdinand Piëch verlängert worden war.
Nach dem unansehnlichen Ringen an der Konzernspitze wollte Winterkorn zum Auftakt der Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt endlich Aufbruchsstimmung verbreiten. Doch am Freitag beendete die US-Umweltbehörde EPA jäh den Traum von der Rückkehr zur Normalität. Die Behörde wirft dem Autobauer vor, die Ermittlung von Abgaswerten seiner Diesel-Fahrzeuge manipuliert zu haben. VW habe eine spezielle Software eingesetzt, um die Messung des Schadstoffausstoßes zu manipulieren, teilte die EPA am Freitag in Washington mit. Das ermögliche, das Abgas-Kontrollsystem nur bei offiziellen Emissionstests zu aktivieren – und damit bessere Messwerte zu liefern, als sie im Alltag erreicht würden.
Fast eine halbe Million Autos sind betroffen, im schlimmsten Fall drohen Zahlungen von mehr als 18 Milliarden Dollar. Für den Konzern könnten sich die massiven Anschuldigungen zu einem ziemlich teuren Alptraum auswachsen. Und der könnte dem Ansehen der deutschen Vorzeigeindustrie insgesamt erhebliche Dellen zufügen.
„Die Geschehnisse haben für uns im Vorstand und für mich ganz persönlich höchste Priorität“, teilte Winterkorn am Sonntag in Wolfsburg mit. Auch Winterkorn verspricht, wie seine Presseabteilung zuvor, eine umfassende Kooperation mit den US-Behörden. „Der Vorstand der Volkswagen AG nimmt die festgestellten Verstöße sehr ernst. Ich persönlich bedauere zutiefst, dass wir das Vertrauen unserer Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht haben.“
„Es wird teuer“
Widerspruch gegen die harschen Vorwürfe findet sich in den Zeilen nicht. VW habe eine externe Untersuchung beauftragt. „Klar ist: Volkswagen duldet keine Regel- oder Gesetzesverstöße jedweder Art“, sagte Winterkorn. Die Stimmung in Wolfsburg dürfte finster sein, denn für die Kernmarke VW läuft es auf dem US-Markt seit Jahren schlecht. Dabei sollte gerade der Diesel auf dem wichtigen Markt helfen und wurde – nicht nur von VW – als saubere Antriebsart beworben.
Unter dem Schlagwort „Clean Diesel“ sollte den US-Kunden der dort als Traktor-Antrieb verpönte Selbstzünder schmackhaft gemacht werden. Ob das nun noch gelingen kann, ist völlig offen.
Autoexperte Stefan Bratzel ist wie andere Fachleute entsetzt. „Das ist ein Bärendienst für die ganze deutsche Dieseltechnologie“, sagt er. „Das Verfahren sei bedrohlich, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Das Ausmaß sei derzeit nicht absehbar. „Fest steht: Es wird teuer“, sagte Dudenhöffer. Schon die angedrohten Strafen sind herb: Im schlimmsten Fall drohen Strafen von bis zu 37 500 Dollar (gut 33 000 Euro) pro Auto. Da bisher rund 482 000 Fahrzeuge betroffen sind, summieren sich die theoretisch möglichen Bußgelder auf mehr als 18 Milliarden Dollar – selbst für VW enorm viel Geld. Ob es dazu am Ende wirklich kommt, ist freilich offen.