Romantik, ein Hauch von Grusel, Humor, Staunen und obendrein ein leckerer Imbiss: Bei Rudolf Mauders abendlicher Vorlese- und Plauderstunde am Galgenturm kamen die vielen Besucher wieder voll auf ihre Kosten. Unter dem Titel „Geschichten und Heimatgeschichten rund um Mellrichstadt“ erzählte Mauder am Mittwochabend bei „Kultur im Sommer“ von Ortschaften im Umkreis, die Merkwürdigkeiten und Sagen mit ihrem Namen und ihrer Geschichte verbinden. Die Bewirtung der Gäste an diesem heißen Sommerabend übernahm wie immer der Obst- und Gartenbauverein Eußenhausen.
Gleich zu Beginn wandte Mauder den Blick noch einmal zurück auf seine Veranstaltung im vergangenen Jahr. Da war es um Mellrichstädter Sagen gegangen, unter anderem um das Sühnekreuz an der Hendunger Straße, in das merkwürdige Symbole eingemeißelt sind. Die Sage deutete diese als Schlüssel, die an zwei Pfarrersköchinnen erinnern sollten, die sich im Streit gegenseitig mit ihren Schlüsselbünden erschlagen haben. Günther Trapp hatte darauf hingewiesen, dass die angeblichen Schlüssel die Jahreszahl 1659 darstellten. Mauder verknüpfte dies mit neueren Erkenntnissen: Am Bahraer Weg war 1626 ein Dekan ermordet worden. Das Sühnekreuz soll aller Wahrscheinlichkeit nach an diesen Mord erinnern.
Aberglaube schürt die Angst
„Heute bring ich e bissle was aus der Umgebung“, sagte Mauder schließlich in dem für ihn typischen Plauderton, mit dem er Brücken zu seinen Zuhörern schlägt, und kam damit zu seinem diesjährigen Thema. Seine Quellen waren die heimatkundlichen Schriften von Max Schweser und besonders von dem von ihm verehrten Max Mölter, aber auch die Sammlung „Franconia Sacra“. Die in den Quellen gesammelten Sagen erlauben einen Einblick in das Denken der Menschen früherer Zeiten, und das sei vielfach von der Geißel des Aberglaubens geprägt gewesen. Ihm selbst war als Kind noch eingetrichtert worden, dass in der hohlen Linde am Großenberg in Mellrichstadt der Teufel hause, verriet der Leiter des Heimatmuseums Salzhaus.
Der erste Ort, mit dem Mauder sich beschäftigte, war die Kirchenruine der Wüstung Ellenbach hinter Eußenhausen. Einst sei dies eine Wehrkirche gewesen, wo der Sage nach eine Frau in einem hohlen Baum einer mordlustigen Soldatenbande entgangen war. Manche Steine der zerstörten Kirche und Häuser seien in Eußenhausen verarbeitet worden. Fakten wusste Mauder auch über die Ruine der Henneburg zu berichten. Die einst stattliche Burg war im Bauernkrieg zerstört worden. Bei ihrer Erbauung, so eine Sage, habe ein bösartiger Maurer dem Grafen Poppo empfohlen, ein unschuldiges Kind einzumauern, dann sei die Burg vor jeder Eroberung geschützt. Doch das Los habe sein eigenes Kind getroffen, seither müsse der Maurer als Geist in der Ruine umgehen.
Von Riesenfischen und Meerjungfrauen
Was Mauder über den Aberglauben im Zusammenhang mit dem Frickenhäuser See zu erzählen wusste, mutete teilweise haarsträubend an. Der See sei unterirdisch mit dem Weltmeer verbunden, erzählt eine Sage, riesige Fische sollen darin leben, die mit ihren Schwänzen die Ufer zerstören könnten, so dass ganz Unterfranken überschwemmen wird. Viele Menschen seien darin ertrunken, hieß es weiter, jedes Jahr fordere der See ein Opfer. Und auch Seejungfrauen lebten dort, die zeitweise zum Tanzen mit den Frickenhäuser Burschen aufgetaucht sind.
Ganz abwegig waren diese Schauergeschichten nicht, meinte Mauder. Denn tatsächlich sind im See schon einige Menschen ertrunken. Er selbst, verriet er, wäre als kleiner Junge dort ebenfalls fast ums Leben gekommen, wenn ihn nicht seine Mutter noch am Schlafittchen aus dem Wasser gezogen hätte. Und dass dort große Fische leben, konnte er anhand eines Fotos nachweisen: Horst Meißnerhatte dort einen 160 Zentimeter großen Wels geangelt, dessen präparierten Kopf Mauder den staunenden Besuchern präsentieren konnte.
Schauerliches und Fakten
Alle diese Schauergeschichten begleitete Mauder mit wissenschaftlichen Theorien und nachweisbaren Fakten, die er den Sagen entgegenstellte. Gut eineinhalb Stunden dauerte der kurzweilige Abend am Galgenturm, mit dem Mauder bei seinen Mitbürgern die Liebe zur Heimat fördern möchte, die er selbst so lebendig empfindet.