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Bad Königshofen
Von der Geflüchteten zur Geschäftsinhaberin: So erfüllte sich Mara Israelyan den Traum einer eigenen Schneiderei
Designstudentin Mara Israelyan flüchtete aus Armenien und arbeitete in Deutschland als Haushaltshilfe. Bis die Selbständigkeit gelang, überwand sie viele Hürden.
Die ersten Aufträge sind bereits eingegangen und Mara Israelyan freut sich darauf, viele Stunden des Tages an ihrer geliebten Nähmaschine in Bad Königshofen zu verbringen.
Foto: Brigitte Schmidt | Die ersten Aufträge sind bereits eingegangen und Mara Israelyan freut sich darauf, viele Stunden des Tages an ihrer geliebten Nähmaschine in Bad Königshofen zu verbringen.
Brigitte Schmidt
 |  aktualisiert: 08.04.2024 02:38 Uhr

In den vergangenen Jahren hat sich die Anzahl der Geschäfte am Marktplatz in Bad Königshofen spürbar gelichtet. Doch seit Ostersamstag belebt ein neuer Laden die Innenstadt: Mara Israelyan eröffnete am Marktplatz 29 in den Räumen des früheren Schuhgeschäfts Müller die "Änderei bei Mara". Damit konnte sich die aus Armenien stammende Schneiderin einen Traum erfüllen, der sie ein ganzes Leben begleitet hat.

Ein langer und steiniger Weg liegt hinter ihr. Mitte der 1970er-Jahre wurde sie in Echmiadzin in Armenien geboren, etwa 20 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Eriwan. Die Region ist reich an Kultur, die Kathedrale und die Kirchen von Echmiadzin gehören zum Weltkulturerbe der Unesco. Doch umringt von der Türkei, Georgien, Aserbaidschan und dem Iran ist Armenien seit Jahrhunderten in zahlreiche Auseinandersetzungen und Kriege verwickelt, die für die Bevölkerung viel Zerstörung und Leid mit sich brachten.

In ihrem Laden hat Mara Israelyan eine Ecke eingerichtet, in der sie Kundinnen und Kunden beraten möchte.
Foto: Brigitte Schmidt | In ihrem Laden hat Mara Israelyan eine Ecke eingerichtet, in der sie Kundinnen und Kunden beraten möchte.

Aufgrund der politischen Umstände sah Mara Israelyan sich gezwungen, 1998 mit ihrem Mann Vardges Muradyan von dort zu flüchten. In Deutschland angekommen, waren sie zunächst in Oberelsbach untergebracht, 2006 folgte der Umzug nach Bad Königshofen. Das Asylverfahren zog sich über viele Jahre hin. Erst 2018 erhielt sie ein Bleiberecht als anerkannter Flüchtling. Drei Kinder wurden hier geboren, Tina, Johannes und Sara. "Ich lebe jetzt schon länger in Deutschland als in Armenien und fühle mich beiden Kulturen sehr verbunden", sagt Mara Israelyan.

Zeugnisse aus Armenien wurden in Deutschland nicht anerkannt

Schon früh zeigte sich bei ihr ein Faible für Nähen, Stoffe und Gestaltung. Einer ihrer ersten Wünsche als Kind war eine eigene Nähmaschine. Von 1992 bis 1995 absolvierte sie in Armenien eine Ausbildung zur Schneiderin, anschließend nahm sie ein Studium in der Fachrichtung Design auf, das sie wegen der Flucht abbrechen musste. Da ihre Zeugnisse in Deutschland nicht anerkannt werden konnten, war es nicht möglich, das Studium hier fortzuführen. Und arbeiten durfte sie auch lange nicht. Als sie es schließlich durfte, fand sie zunächst Stellen als Haushaltshilfe.

Das Nähen vernachlässigte sie aber nie und wurde freie Dozentin an der Volkshochschule, wo ihre Nähkurse sehr erfolgreich sind und von Kindern und Erwachsenen gerne besucht werden. Großen Spaß hatte sie, als sie vor einigen Jahren für eine professionelle Tanzgruppe Kostüme designen und nähen durfte.

"Der Wunsch, sich weiter zu verwirklichen und ein eigenes Atelier zu eröffnen, wurde im Laufe der Jahre immer stärker", so die gebürtige Armenierin. Die bürokratischen Hürden zu meistern, Ideen für die Gestaltung des Ladens zu entwickeln, all das kostete viel Energie. Sehr schwierig war es, geeignete Räumlichkeiten zu finden. Umso größer war die Freude, als Maria und Hans Hälker ihr einen Laden anbieten konnten.

Im Hintergrund sind Skizzen und Entwürfe aus Isarelyans Zeit als Designstudentin in Armenien zu sehen, die Kleiderpuppe trägt ein Ensemble, das aus typisch armenischen Stoffen gearbeitet ist.
Foto: Brigitte Schmidt | Im Hintergrund sind Skizzen und Entwürfe aus Isarelyans Zeit als Designstudentin in Armenien zu sehen, die Kleiderpuppe trägt ein Ensemble, das aus typisch armenischen Stoffen gearbeitet ist.

Was es mit den Granatäpfeln im Geschäft in Bad Königshofen auf sich hat

Mithilfe der ganzen Familie, der Patenkinder und vieler Freunde wurde der Raum in den letzten Wochen zu einem ansprechenden Geschäft umgebaut. Von ihrer Zeit als Designstudentin zeugen Skizzen und Entwürfe, die sie aufgehängt hat. Fast alle Dekorationen des Innenraums hat sie selbst gestaltet und genäht.

Der Stolz auf ihre Herkunft ist ihr anzumerken, wenn sie die traditionellen armenischen Stoffe zeigt, die sie auf Lager hat. Kräftige, aber nie grelle Farben dominieren und sind reich an Symbolen. Auf den Betrachter wirken die Motive eher wie zufällige Ornamente, aber sie haben eine tiefere Bedeutung. Gebäude, Landschaften und Buchstaben in armenischer Schrift, fast immer übermittelt der Stoff auch eine Botschaft. Manches ist mittlerweile zerstört und die Stoffe bewahren die Erinnerung daran.

Was die Schneiderin aus den Rückschlägen gelernt hat

Häufig sind Granatäpfel darauf zu finden, die nicht nur gerne in der armenischen Küche verwendet werden, sondern auch Frieden symbolisieren, nach dem sich die Armenier so sehr sehnen. Bemerkenswert finden Mara Israelyan und ihr Mann, dass sich die Aserbaidschaner und Armenier hier in Deutschland gut verstehen, obwohl sich die Länder in der Heimat heftig bekriegen.

Mara Israelyan mit ihrer Familie, den Vermietern Maria und Hans Hälker sowie einigen Helferinnen und Helfern.
Foto: Brigitte Schmidt | Mara Israelyan mit ihrer Familie, den Vermietern Maria und Hans Hälker sowie einigen Helferinnen und Helfern.

Ihren Kundinnen und Kunden bietet Mara Israelyan Änderungen, Reparaturen, auf Wunsch auch persönlich entworfene Kleidung, Taschen und sonstige textile Gegenstände an. Sie freue sich auf die Arbeit. Schon am Tag der Eröffnung gingen erste Aufträge ein.

"Es war kein einfacher Weg bis hierhin", berichtet sie, "aber ich habe gelernt, dass die Rückschläge mich erst stark gemacht haben." Deswegen könne sie jedem nur raten, nie aufzugeben, wenn er für etwas brennt. "Ich wünsche mir, dass mein Geschäft sich in den nächsten Jahren gut entwickelt und ich mir einen zufriedenen Kundenstamm aufbauen kann."

 
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