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Junkershausen
Vom Bauernhof in der Rhön ins Silicon Valley: Manfred Warmuth aus Junkershausen ist jetzt KI-Professor bei Google
Manfred Warmuth aus Junkershausen ist ein weltweit renommierter Professor für Künstliche Intelligenz (KI) und arbeitet für Google. Sein Weg dorthin: Nicht geradlinig.
Manfred Warmuth ist Professor für Künstliche Intelligenz. Er interessierte sich schon früh für die Natur, gärtnerte und züchtete Kakteen und andere Pflanzen.
Foto: Markus Büttner | Manfred Warmuth ist Professor für Künstliche Intelligenz. Er interessierte sich schon früh für die Natur, gärtnerte und züchtete Kakteen und andere Pflanzen.
Markus Büttner
 |  aktualisiert: 03.09.2024 02:44 Uhr

Sein aktueller Arbeitsplatz ist im Silicon Valley, dem vielleicht bedeutendsten Standort der IT- und Hightech-Industrie weltweit. Geboren und aufgewachsen ist er im kompletten Gegenteil, im 110-Seelen-Dorf Junkershausen. Am elterlichen Bauernhof von Hildegard und Max sei er nach deren Einschätzung für die Arbeit am Hof überhaupt nicht zu gebrauchen gewesen. Der Grund war ein angeborener Nystagmus – ein chronisches Augenzittern. Etwa von Reparaturen am Traktor wurde er ferngehalten. Er könne und sehe es ja eh nicht. Er brauche es gar nicht erst probieren. Vergiss es. Lange dauerte es, bis Warmuth das verarbeitet hatte.

Manfred Warmuth steht am Wargolshäuser Strohhaus von seinem Bruder Albert. Nur wenige hundert Meter entfernt von seinem Elternhaus. Das erste Mal seit fünf Jahren ist er zurück in seiner fränkischen Heimat. Der 67-Jährige wohnt, lebt und arbeitet seit 46 Jahren in den USA. Der Weg dorthin war alles andere als geradlinig und deshalb genau so, wie Manfred selbst.

"Weil ich ganz schlechte Augen hatte, wurde ich wegen meiner Behinderung von meinen Mitschülern oft verarscht und gehänselt. Pfarrer, wie es sich meine Eltern erhofft hatten, konnte ich nicht werden." Er hätte ja die Bibel schon gar nicht lesen können. Daher durfte er nicht auf das Gymnasium. Die beruflichen Alternativvorschläge - Straßenbauarbeiter oder Sekretär - waren nichts für ihn. Heute kann er darüber schmunzeln.

Mit 21 Jahren nach Amerika, mit 26 Jahren Assistenzprofessor

"Ich war immer ein Außenseiter, war auch nur mit Außenseitern befreundet. Deshalb habe ich mich immer selbst erfinden müssen." Seine Augen waren vielleicht seine Schwäche, seine Neugierde seine einzigartige Stärke. Er interessierte sich früh für die Natur, gärtnerte und züchtete Kakteen und andere Pflanzen. Schon als Jugendlicher tüftelte er mit Chemikalien und habe schon nach kurzer Zeit den Realschullehrer übertrumpft. Interessiert und fasziniert von allen Naturwissenschaften, brachte er sich alles selbst bei. Niemals über den geradlinigen, gewöhnlichen Weg. Immer im (Manfred) Warmuth-Style.

Die beiden Brüder Manfred, der KI-Professor und Albert, der Bio-Bauer, könnten unterschiedlicher nicht sein. Aber beide sind Experten auf ihrem Gebiet.
Foto: Markus Büttner | Die beiden Brüder Manfred, der KI-Professor und Albert, der Bio-Bauer, könnten unterschiedlicher nicht sein. Aber beide sind Experten auf ihrem Gebiet.

Nach der Realschule besuchte er ein Benediktiner-Internat in Würzburg und war – noch als Schüler – schon in der Universität zugange. Ein Kurs für Programmierung via Lochkarten hatte es ihm angetan. Ein klassisches Studium, wie er es dann in Erlangen begonnen hatte, war ihm schlichtweg zu lang.

"Ich war schon immer gut in dem, was ich gemacht habe." Doch Manfred Warmuth wollte es schneller. Er wollte weiter. Er wollte weiter weg. Mit 21 Jahren zog es ihn im Sommer 1978, dank eines Stipendiums, in die USA. Schon nach wenigen Jahren als Student wurde er Dozent. Mit 24 Jahren promovierte er in Informatik. Mit 26 war er Assistenzprofessor in Kalifornien. Dieses Tempo passte schon besser zu einem Mann, der immer etwas mehr wusste und sich für alles interessierte, egal ob Physik, Chemie, Mathematik oder Biologie. Es verschlug ihn in die große Welt. In die Weite. Nach Tokio, Zürich, Israel, Australien und zurück ins Silicon Valley, wo er bei Google arbeitet und komplexe Algorithmen entwickelt.

Warmuth: "Die Künstliche Intelligenz hat gute und schlechte Seiten"

Zweifelsfrei zählt er zu den führenden KI-Spezialisten. Für ihn selbst ist das alles nicht so besonders. Auf die Frage, ob er bekannt und renommiert sei, antwortet er salopp. "Ich bin unter gewissen Leuten schon bekannt, weil ich schon alt bin und das schon sehr lange mache. Und weil ich bestimmte Algorithmen entwickelt habe."

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Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina sieht das ein bisschen anders. Seit 2021 ist er Mitglied in diesem hochrangigen Experten-Gremium, welches Politik und Gesellschaft unabhängig zu wichtigen Zukunftsthemen berät. Wie komplex seine Arbeitsbereiche sind, zeigt ein Auszug aus seinem Lebenslauf auf der Leopoldina-Website: "Manfred Warmuth leistete Pionierarbeit bei der Ableitung und der Analyse von Online‐Algorithmen (…). Zuletzt forschte er an der Entwicklung von Online‐Algorithmen mit Matrixparametern. Er verallgemeinerte multiplikative Aktualisierungen von Wahrscheinlichkeitsvektoren auf Dichtematrizen."

Dass viele Menschen Unbehagen und Skepsis gegenüber der Künstlichen Intelligenz (KI) und deren Geschwindigkeit haben, kann er nachvollziehen, sieht jedoch viel mehr den Nutzen und die Chancen für Natur, Menschen und Gesellschaft. "Die Künstliche Intelligenz hat gute und schlechte Seiten. Man wird sie auf jeden Fall nicht mehr zurückrollen."

Fake-News, welche oftmals ungeprüft verbreitet werden, seien in der Tat ein Problem. Aber: "Wenn man viele Daten hat, dann kann man diese automatisieren und sie durch Computer besser machen. Jede Technologie bietet große Chancen, wenn man sie denn richtig anwendet." Zur Vereinfachung von komplexen Themen, für Hochwasser-Vorhersagen, Waldbrände, Borkenkäfer, aber auch für naturwissenschaftliche Forschung im Allgemeinen. Sie werde den Alltag aller berühren und verändern.

"Unter den Informatikern bin ich ein Unikum"

Manfred Warmuth ist ein Mensch, der sein ganzes Leben schon experimentiert und immer wieder Dinge neu denkt. Dabei ist er digital und noch viel analoger unterwegs. "Auch unter den Informatikern bin ich ein Unikum, denn der bäuerliche und landwirtschaftliche Hintergrund ist schon noch da. Viele in meiner Branche gehen ganz anders an Probleme und Fragen heran, weil sie aus Akademiker-Familien kommen. Ich hingegen komme vom Bauernhof in Junkershausen." Diesen übernahm sein jüngerer Bruder Albert, führte ihn weiter und bewirtschaftet seit über 30 Jahren die Flächen rein ökologisch.

Manfred Warmuth wohnt, lebt und arbeitet seit 46 Jahren in den USA. Aktuell ist er auf Heimatbesuch in Junkershausen und Wargolshausen.
Foto: Markus Büttner | Manfred Warmuth wohnt, lebt und arbeitet seit 46 Jahren in den USA. Aktuell ist er auf Heimatbesuch in Junkershausen und Wargolshausen.

Die beiden Brüder könnten unterschiedlicher nicht sein. Und ähnlicher auch nicht. Beide sind Experten in ihrem Fach. Sie sind Tüftler und Forscher. Andersdenkende und Freigeister. Jeder auf seine eigene Art – und oftmals auf die gleiche Weise. Sie tauschen sich aus, diskutieren über Gott und die Weltwirtschaft. Über Saat-Methoden und Energiequellen. Und wenn sie nicht gerade - fast philosophisch - diskutieren, dann rangeln sie noch wie die kleinen Buben damals auf dem elterlichen Bauernhof.

Eine Sache ist gewiss: Den Traktor von damals würde Manfred Warmuth vermutlich heute besser reparieren, als es sich seine Eltern jemals hätten träumen lassen.

 
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