Die EM 2024 ist für die deutsche Nationalmannschaft vorbei, zum Leidwesen der Fans. Immerhin ist Deutschland Austragungsort. Das von vielen erhoffte Fußballsommermärchen bleibt aus. Auf der Abschlusspressekonferenz der DFB-Elf kämpfte Bundestrainer Julian Nagelsmann mit den Tränen. Dabei ging es jedoch nicht nur um Fußball, Nagelsmann sprach auch gesellschaftliche Themen an.
"Wir waren lange ein Land der Vereine", sagte der Bundestrainer in staatsmännischer Manier. Das gesellschaftliche Miteinander in Deutschland leidet. Derweil ist man nicht nur beim DFB besorgt um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Rhön-Grabfeld gibt es zahlreiche Menschen, die sich für ein Miteinander einsetzen. Vier von ihnen erzählen, wie es um die Freiwilligenarbeit in der Region steht.
1. Klaus Lemmer ist im Vorstand des TSV Großbardorf ehrenamtlich aktiv
Erst im letzten Jahr wurde Klaus Lemmer von TSV Großbardorf durch den Bayerischen Fußballverband für sein außergewöhnliches Engagement im Amateurfußball geehrt. Rudi Völler überreichte ihm höchstpersönlich die Urkunde. Für Lemmer allerdings kein Grund, sich auszuruhen. "Im Amateurverein musst du heutzutage ein Idealist sein", sagt er über den Alltag im Ehrenamt. Man darf nicht arbeitsscheu sein, wenn man sich ehrenamtlich engagieren will. Es gibt zwar Aufwandsentschädigungen für Führungskräfte, die aber nicht jeder Verein zahlen kann. Eine Welt ohne Ehrenamt "wäre ganz schlecht", meint Lemmer. Die Corona-Pandemie hatte einen schädlichen Einfluss auf das Ehrenamt gehabt, erzählt der Vorstand. Eine "Lethargie" habe sich breit gemacht. Bis heute bedarf es "einer enormen Anstrengung", um Menschen für das Ehrenamt zu begeistern. Neuerlich bemerke Lemmer eine euphorische Begeisterung bei den jungen Spielerinnen und Spielern, die durch die EM entbrannt sei. Er hofft, dass "der Funke lange erhalten bleibt."
2. Renate Knaut arbeitet im "Jukonet" mit Jugendlichen zusammen
"In der Region prägen Vereine das gesellschaftliche Leben zum Positiven", erzählt Renate Knaut vom "Jukunet", dem Netzwerk für Jugendkultur. Sie ist zudem pädagogische Leiterin der Volkshochschule. Knaut arbeitet mit vielen Ehrenamtlichen zusammen und weiß, welchen Stellenwert das Ehrenamt hat. "Wir sind eine Region, die ohne Vereine sehr viel ärmer wäre." Momentan tun sich die Vereine schwer, Nachwuchs zu gewinnen oder ihre Posten zu besetzen. Sie findet, dass es, vor allem in der Jugendarbeit, "leichter ist, sich punktuell zu engagieren". Ein Ehrenamt kann Vorurteile abbauen und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit aufbauen. Viele Jugendliche sind heutzutage einsam, auch ein Ehrenamt kann dafür die Lösung sein. Allerdings berichten Jugendliche ihr des Öfteren, dass sie belächelt würden, wenn sie sich ehrenamtlich engagieren. Eine Welt ohne Ehrenamt wäre für Knaut gesellschaftlich viel kälter und so manche Feste würden nicht stattfinden.
3. Linda Denner ist Ehrenamtskoordinatorin im Netzwerk-Ehrenamt in Rhön-Grabfeld
Linda Denner arbeitet hauptamtlich als Ehrenamtskoordinatorin im "Netzwerk Ehrenamt" im Landratsamt Rhön-Grabfeld. "Wir haben Gott sei Dank noch viele Vereine", sagt Denner. "Eine Herausforderung ist jedoch, Verantwortliche zu finden, wie beispielsweise Vorstände, die die Vereine in die Zukunft führen." Für sie ist der gesellschaftliche Zusammenhalt ein "Wohlfühlfaktor". Wenn Menschen miteinander anpacken, schafft das "Lebensqualität und Sicherheit". Ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt würden wir vereinsamen. Eine "Ich-kümmer-mich-nur-um-mich-selbst-Einstellung" funktioniere nicht in unserer Gesellschaft. Keiner kann alles allein schaffen, ob im Sport oder in der Kindererziehung, die Gemeinschaft sei wichtig. "Der Bürokratismus schrecke allerdings viele Menschen ab, Verantwortung zu übernehmen", sagt die Ehrenamtskoordinatorin. Der Faktor Zeit ist ebenfalls ein Grund, weshalb Menschen mit dem Ehrenamt hadern. Insgesamt finde sie, dass "die Demokratie vom Ehrenamt lebt". Eine Wahl ohne Wahlhelfer würde zum Beispiel schon nicht funktionieren.
4. Jochen Krug ist ehrenamtlicher Kommandant bei der Freiwilligen Feuerwehr in Bad Königshofen
"Die Vereinsstruktur hat sich in Deutschland verschlechtert", sagt Jochen Krug, der Kommandant bei der Freiwilligen Feuerwehr in Bad Königshofen ist. "Die Bereitschaft ist nicht mehr da, sich ehrenamtlich nach der Arbeit zu engagieren." Den Grund für das Desinteresse am Ehrenamt sieht er in der beruflichen Einbindung, die nicht zu verachten sei. Dieser Trend ziehe sich durch alle Vereine, egal ob im Sport oder in der Feuerwehr. "Viele Hände, schnelles Ende", das ist für Krug der Vorteil schlechthin, welches aus seiner Sicht für ein Ehrenamt spricht. Ein Ehrenamt kann auch "Sorgen, Nöte und Ängste nehmen". Denn im Verein gebe es immer ein offenes Ohr. Viele soziale Brennpunkte werden in ehrenamtlichen Vereinen oder Verbänden angesprochen und versucht, ehrenamtlich zu lösen. "Ohne Ehrenamt gäbe es keine Demokratie", ist sich Krug daher sicher. "Die Demokratie hilft sich so selbst."