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Bad Königshofen
"Viele Hände, schnelles Ende": Das sagen vier Rhön-Grabfelder nach der Nagelsmann Kritik am Individualismus
Nach der emotionalen Rede von Bundestrainer Julian Nagelsmann nach der EM äußern sich vier Ehrenamtliche und Akteure aus der Region, wie es um das Ehrenamt steht.
Vier Ehrenamtsakteure und Ehrenamtliche aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld erzählen über die Vorteile und Herausforderungen des Ehrenamts.
Foto: Oliver Schmitt, Regina Vossenkaul, Michael Endres, Kristina Kunzmann | Vier Ehrenamtsakteure und Ehrenamtliche aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld erzählen über die Vorteile und Herausforderungen des Ehrenamts.
Natalia Mleczko       -  Natalia Mleczko ist in Polen aufgewachsen und lebte dann in Rostock. Nach einer Ausbildung und diversen Jobs studiere sie auf dem Zweiten Bildungsweg Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen im Master an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seit 2022 arbeitete sie als freie Journalistin. Natalia Mleczko ist seit April 2024 Volontärin bei der Main-Post.
Natalia Mleczko
 |  aktualisiert: 19.07.2024 02:40 Uhr

Die EM 2024 ist für die deutsche Nationalmannschaft vorbei, zum Leidwesen der Fans. Immerhin ist Deutschland Austragungsort. Das von vielen erhoffte Fußballsommermärchen bleibt aus. Auf der Abschlusspressekonferenz der DFB-Elf kämpfte Bundestrainer Julian Nagelsmann mit den Tränen. Dabei ging es jedoch nicht nur um Fußball, Nagelsmann sprach auch gesellschaftliche Themen an.

"Wir waren lange ein Land der Vereine", sagte der Bundestrainer in staatsmännischer Manier. Das gesellschaftliche Miteinander in Deutschland leidet. Derweil ist man nicht nur beim DFB besorgt um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Rhön-Grabfeld gibt es zahlreiche Menschen, die sich für ein Miteinander einsetzen. Vier von ihnen erzählen, wie es um die Freiwilligenarbeit in der Region steht.

1. Klaus Lemmer ist im Vorstand des TSV Großbardorf ehrenamtlich aktiv

Klaus Lemmer ist Vorstand beim TSV Großbardorf. Er wurde im letzten Jahr durch den Bayerischen Fußballverband für sein außergewöhnliches Engagement geehrt. 
Foto: Michael Endres | Klaus Lemmer ist Vorstand beim TSV Großbardorf. Er wurde im letzten Jahr durch den Bayerischen Fußballverband für sein außergewöhnliches Engagement geehrt. 

Erst im letzten Jahr wurde Klaus Lemmer von TSV Großbardorf durch den Bayerischen Fußballverband für sein außergewöhnliches Engagement im Amateurfußball geehrt. Rudi Völler überreichte ihm höchstpersönlich die Urkunde. Für Lemmer allerdings kein Grund, sich auszuruhen. "Im Amateurverein musst du heutzutage ein Idealist sein", sagt er über den Alltag im Ehrenamt. Man darf nicht arbeitsscheu sein, wenn man sich ehrenamtlich engagieren will. Es gibt zwar Aufwandsentschädigungen für Führungskräfte, die aber nicht jeder Verein zahlen kann. Eine Welt ohne Ehrenamt "wäre ganz schlecht", meint Lemmer. Die Corona-Pandemie hatte einen schädlichen Einfluss auf das Ehrenamt gehabt, erzählt der Vorstand. Eine "Lethargie" habe sich breit gemacht. Bis heute bedarf es "einer enormen Anstrengung", um Menschen für das Ehrenamt zu begeistern. Neuerlich bemerke Lemmer eine euphorische Begeisterung bei den jungen Spielerinnen und Spielern, die durch die EM entbrannt sei. Er hofft, dass "der Funke lange erhalten bleibt."

2. Renate Knaut arbeitet im "Jukonet" mit Jugendlichen zusammen

Jugendliche berichten Renate Knaut, dass sie belächelt würden, wenn sie sich ehrenamtlich engagieren.
Foto: Regina Vossenkaul | Jugendliche berichten Renate Knaut, dass sie belächelt würden, wenn sie sich ehrenamtlich engagieren.

"In der Region prägen Vereine das gesellschaftliche Leben zum Positiven", erzählt Renate Knaut vom "Jukunet", dem Netzwerk für Jugendkultur. Sie ist zudem pädagogische Leiterin der Volkshochschule. Knaut arbeitet mit vielen Ehrenamtlichen zusammen und weiß, welchen Stellenwert das Ehrenamt hat. "Wir sind eine Region, die ohne Vereine sehr viel ärmer wäre." Momentan tun sich die Vereine schwer, Nachwuchs zu gewinnen oder ihre Posten zu besetzen. Sie findet, dass es, vor allem in der Jugendarbeit, "leichter ist, sich punktuell zu engagieren". Ein Ehrenamt kann Vorurteile abbauen und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit aufbauen. Viele Jugendliche sind heutzutage einsam, auch ein Ehrenamt kann dafür die Lösung sein. Allerdings berichten Jugendliche ihr des Öfteren, dass sie belächelt würden, wenn sie sich ehrenamtlich engagieren. Eine Welt ohne Ehrenamt wäre für Knaut gesellschaftlich viel kälter und so manche Feste würden nicht stattfinden. 

3. Linda Denner ist Ehrenamtskoordinatorin im Netzwerk-Ehrenamt in Rhön-Grabfeld

Linda Denner ist Ehrenamtskoordinatorin in Rhön-Grabfeld und findet, dass ehrenamtliche Helferinnen und Helfer einen 'Wohlfühlfaktor' in der Gesellschaft schaffen. 
Foto: Kristina Kunzmann | Linda Denner ist Ehrenamtskoordinatorin in Rhön-Grabfeld und findet, dass ehrenamtliche Helferinnen und Helfer einen "Wohlfühlfaktor" in der Gesellschaft schaffen. 

Linda Denner arbeitet hauptamtlich als Ehrenamtskoordinatorin im "Netzwerk Ehrenamt" im Landratsamt Rhön-Grabfeld. "Wir haben Gott sei Dank noch viele Vereine", sagt Denner. "Eine Herausforderung ist jedoch, Verantwortliche zu finden, wie beispielsweise Vorstände, die die Vereine in die Zukunft führen." Für sie ist der gesellschaftliche Zusammenhalt ein "Wohlfühlfaktor". Wenn Menschen miteinander anpacken, schafft das "Lebensqualität und Sicherheit". Ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt würden wir vereinsamen. Eine "Ich-kümmer-mich-nur-um-mich-selbst-Einstellung" funktioniere nicht in unserer Gesellschaft.  Keiner kann alles allein schaffen, ob im Sport oder in der Kindererziehung, die Gemeinschaft sei wichtig. "Der Bürokratismus schrecke allerdings viele Menschen ab, Verantwortung zu übernehmen", sagt die Ehrenamtskoordinatorin. Der Faktor Zeit ist ebenfalls ein Grund, weshalb Menschen mit dem Ehrenamt hadern. Insgesamt finde sie, dass "die Demokratie vom Ehrenamt lebt". Eine Wahl ohne Wahlhelfer würde zum Beispiel schon nicht funktionieren. 

4. Jochen Krug ist ehrenamtlicher Kommandant bei der Freiwilligen Feuerwehr in Bad Königshofen

Jochen Krug ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Bad Königshofen. Für ihn gäbe es ohne das Ehrenamt keine Demokratie. 
Foto: Oliver Schmitt | Jochen Krug ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Bad Königshofen. Für ihn gäbe es ohne das Ehrenamt keine Demokratie. 

"Die Vereinsstruktur hat sich in Deutschland verschlechtert", sagt Jochen Krug, der Kommandant bei der Freiwilligen Feuerwehr in Bad Königshofen ist. "Die Bereitschaft ist nicht mehr da, sich ehrenamtlich nach der Arbeit zu engagieren." Den Grund für das Desinteresse am Ehrenamt sieht er in der beruflichen Einbindung, die nicht zu verachten sei. Dieser Trend ziehe sich durch alle Vereine, egal ob im Sport oder in der Feuerwehr. "Viele Hände, schnelles Ende", das ist für Krug der Vorteil schlechthin, welches aus seiner Sicht für ein Ehrenamt spricht. Ein Ehrenamt kann auch "Sorgen, Nöte und Ängste nehmen". Denn im Verein gebe es immer ein offenes Ohr. Viele soziale Brennpunkte werden in ehrenamtlichen Vereinen oder Verbänden angesprochen und versucht, ehrenamtlich zu lösen. "Ohne Ehrenamt gäbe es keine Demokratie", ist sich Krug daher sicher. "Die Demokratie hilft sich so selbst."

 
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